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# taz.de -- Serie „Made For Love“ bei RTL+: Chip im Hirn
> Hazel hat einen übergriffigen Ehemann, der leider auch Tech-Papst ist.
> Die Trennung von ihm wird deswegen auch zu einer digitalen Flucht.
Bild: Flucht aus dem Cube und vor dem Mann: „Made for Love“
Gedanklich eins sein mit dem Partner oder der Partnerin, sich gegenseitig
in- und auswendig kennen und als Paar zu einer Einheit verschmelzen – es
soll ja Menschen geben, für die solche Dinge klingen wie der Idealzustand
einer Beziehung. Und genau an diese Leute richtet sich die neuste Erfindung
des weltdominierenden Technik-Konzerns Gogol: Zwei kleine Eingriffe, mehr
braucht es nicht, damit beide Partner*innen Mikrochips im Kopf haben,
die sich miteinander synchronisieren lassen, sodass beide stets das Gleiche
fühlen und denken. Kommunikationsschwierigkeiten, Missverständnisse und
Heimlichkeiten könnten für immer der Vergangenheit angehören. „Made For
Love“ heißt das vor allem an Delfinen erforschte Projekt, genau wie die
Serie.
Doch was sich für die einen nach romantischer Symbiose anhört, lässt andere
die ultimative Überwachung fürchten. Allen voran Hazel Green ([1][Cristin
Milioti]), die Ehefrau des Firmengründers und -chefs Byron Gogol (Billy
Magnussen). Denn sie hat jede Menge Erfahrung damit, kontrolliert zu
werden: Den „Cube“ genannten Firmensitz, eine luxuriöse
High-Tech-Biosphären-Parallelwelt, hat sie seit dem ersten Date nicht mehr
verlassen, nach jedem Orgasmus muss sie per App eine Qualitätsbewertung
abgeben, und selbst der Schlafrhythmus wird nicht ihr selbst überlassen,
sondern von künstlicher Intelligenz vorgegeben.
Kein Wunder, dass Hazel irgendwann Reißaus nimmt. Nur weiß sie da leider
noch nicht, dass ihr der Gerüche und Essen verabscheuende Gatte, der als
charmantere und attraktivere Version von [2][Elon Musk] daherkommt, längst
den „Made For Love“-Chip implantiert hat und sie deswegen allzeit hören und
sehen kann.
## Witz statt Horror
Aus dieser Prämisse, die unsere übergroße Abhängigkeit von Technologie
ebenso greifbar macht wie die Dominanz datensammelnder Mega-Unternehmen
über unser Leben, hätte man problemlos ein dystopisch-bitteres
Horror-Szenario à la [3][„Black Mirror“] stricken können. Doch diese Seri…
die auf dem gleichnamigen Roman von Alissa Nutting basiert und unter
anderem von Christina Lee („Search Party“) und Patrick Somerville („Stati…
Eleven“) verantwortet wird, hat anderes im Sinn als triste Ausweglosigkeit.
Humor wird großgeschrieben, wenn Hazel aus ihrer engen, behüteten Virtual
Reality zurück ins echte Leben kehrt, wo nach jahrelanger Abwesenheit
niemand so wirklich auf sie gewartet hat. Am wenigsten ihr Vater (Ray
Romano), der sich seit dem frühen Krebstod der Mutter mehr fürs Saufen als
für seine Tochter interessiert und inzwischen traute Zweisamkeit mit seiner
lebensechten Kunststoff-Sexpuppe Diane zelebriert. Doch in Ermangelung von
Alternativen und vor allem ohne einen Cent Geld bleibt Hazel nichts anderes
übrig, als in ihr altes Unterschichtsleben zurückzukehren und dort für ihre
Freiheit und eine Scheidung zu kämpfen, während Byron nichts unversucht
lässt, sie in den Cube zurückzuholen.
Davon, eine klassische Sitcom zu sein, ist „Made For Love“ weit entfernt,
trotz des Halbstunden-Formates der zehn von Stephanie Laing und Alethea
Jones inszenierten Episoden der ersten Staffel (in den USA war schon eine
zweite und letzte zu sehen). Es ist eher ein manchmal böser, manchmal
schräger Witz, der in Kombination mit den verstörenden und faszinierenden
Ideen der Geschichte die Serie zu einer immer interessanten und meist auch
kurzweiligen macht.
Ihr volles Potenzial schöpft sie allerdings nicht unbedingt aus, dafür ist
sie nicht komisch genug und schürft vor allem in Sachen feministischer
Gesellschaftskritik nicht tief genug. Die Plumpheit fängt hier schon beim
Konzernnamen an und hat auch zur Folge, dass die offensichtlichen
Parallelen zwischen Hazels Ehealltag und der Puppe ihres Vaters nicht nur
ein-, sondern gleich zweimal ausbuchstabiert werden.
Die Schauspieler*innen spielen in jedem Fall mit Hingabe über solche
kleinere Schwächen locker hinweg. Magnussen drückt parodistisch auf die
Tube, während Comedy-Legende Romano seinem Spätwerk nach „The Big Sick“,
„Bad Education“ und „The Irishman“ eine weitere ziemlich unkomödiantis…
dafür umso melancholischere Altersrolle hinzufügt. Und Cristin Milioti, die
mit der letzten Staffel von „How I Met Your Mother“ bekannt wurde und
tatsächlich auch schon in einer „Black Mirror“-Episode zu sehen war, wirft
mit exzellentem Timing und viel Charisma erneut die Frage auf, warum sie
eigentlich nicht längst ein Star ist.
28 Aug 2022
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## AUTOREN
Patrick Heidmann
## TAGS
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