# taz.de -- Serie „The Undeclared War“: Ermittlungen im Code | |
> In einer Sky-Serie wollen russische Hacker die digitale Infrastruktur | |
> Großbritanniens lahmlegen. Doch Rettung naht: die | |
> Cyber-Sicherheits-Praktikantin. | |
Bild: Schlachtpläne schmieden im inoffiziellen Krieg: Szene aus „The Undecla… | |
[1][Dass Boris Johnson als britischer Premierminister nicht das Ende der | |
Legislaturperiode erleben würde], hat auch Peter Kosminsky kommen sehen. In | |
„The Undeclared War“, der neuen Serie des Regisseurs und Drehbuchautors, | |
musste der skandalumwitterte Politiker – vor Beginn der Handlung – seinen | |
Hut ein wenig später nehmen als in Wirklichkeit. Abgelöst wird er durch | |
einen Parteigenossen (Adrian Lester), der als erster Schwarzer | |
Premierminister in Großbritannien ebenfalls die Erfolge des [2][Brexit]s | |
preist und 2024 im Wahlkampf weit zurückliegt. | |
Der Rest des Szenarios, das die sechsteilige Serie in der nahen Zukunft | |
ausbreitet, dürfte kaum weniger realistisch sein als Johnsons frühzeitiges | |
Amtszeitende. Ein Cyberangriff, mutmaßlich aus Russland, trifft unerwartet | |
die beiden größten britischen Telekommunikationsunternehmen ausgerechnet an | |
jenem Tag, als Werkstudentin Saara Parvin (Hannah Kalique-Brown) ihren | |
ersten Tag bei der GCHQ hat. Dies Regierungsbehörde ist für Kryptografie | |
und Datenübertragung zuständig. Das Internet liegt weitläufig lahm, der | |
Flugverkehr steht ebenso still wie das Onlineshopping – Einsatzleiter Danny | |
Patrick (Simon Pegg) und sein Vorgesetzter (Alex Jennings) können froh | |
sein, dass die Konsequenzen nicht schlimmer waren. Noch nicht, denn die | |
21-jährige Saara Parvin entdeckt im Malware-Code einen zweiten Virus, | |
dessen beabsichtigte Folgen deutlich verheerender wären. | |
Als Wettlauf gegen die Zeit ist „The Undeclared War“ mit seinem | |
inoffiziellen Krieg und den unsichtbar-virtuellen Frontlinien längst nicht | |
so spannend wie andere britische Thrillerserien der letzten Zeit, und das | |
liegt nicht nur daran, dass hier natürlich sehr oft sehr viele Menschen auf | |
Bildschirme starren, abwechselnd ernst oder erschrocken. | |
In der zweiten Hälfte allerdings gewinnt die Serie, die alsbald auch das | |
Personal der Gegenseite in den Blick nimmt, immer mehr an Fahrt. Außerdem | |
ist die Thematik bezwingend – egal ob gar keine oder doch ein wenig Ahnung | |
von der Materie: Es ist erstaunlich, so deutlich gezeigt und erklärt zu | |
bekommen, mit welchen Mitteln und auf welchen Schauplätzen heutzutage | |
gekämpft werden kann. Ein britischer Regierungsbeamter schlägt vor, als | |
Machtbeweis für einen kurzen Moment die Kontrolle über die Elektronik in | |
der Regierungsmaschine des Kremls zu übernehmen, um so dem – natürlich noch | |
immer im Amt befindlichen Putin – einen gehörigen Schrecken einzujagen. | |
Derweil heizen in Russland junge Menschen mit Fake-Profilen in sozialen | |
Netzwerken den politischen Diskussionen in London an und manipulieren die | |
dortigen Linksaktivisten. | |
Daran, dass all das [3][längst Realität ist], zweifelt man keinen Moment. | |
Zumal es Schöpfer und Showrunner Kosminsky, der sich im Laufe seiner | |
Karriere mal dokumentarisch, mal fiktional unter anderem mit dem | |
Falklandkrieg, Kindesmissbrauch, New Labour, muslimischem Leben in | |
Großbritannien oder der Geschichte Palästinas auseinandergesetzt hat, | |
erkennbar nicht um reißerische Spekulation, sondern bodenständigen | |
Realismus geht. | |
Allerdings gibt es sowohl von den russischen Hackern als auch den | |
britischen Nachwuchsrevolutionären einen direkten Bezug zu Saara Parvin, | |
und ausgerechnet in dieser allzu offensichtlichen Konstruiertheit sowie der | |
seltsam eindimensional-passiven Protagonistin (an der sich Newcomerin | |
Kalique-Brown redlich abmüht) liegen die größten Schwächen der Serie. | |
Mithilfe von Rückblenden, einem Familienschicksal, dem Flirt mit einer | |
Kollegin (Maisie Richardson-Sellers) und einem Gastauftritt von | |
Oscar-Gewinner Mark Rylance als Mentorfigur bemüht sich Kosminsky, ihr | |
Kontur zu verleihen, lenkt damit aber eher von den Stärken seiner Serie | |
ab. Und auch die gelungene, gleich zum Auftakt sehr geschickt etablierte | |
Idee, Parvins mühsames Erforschen des Codes visuell als reale | |
Ermittlungsarbeiten umzusetzen, gerät darüber leider immer wieder ins | |
Hintertreffen. | |
6 Sep 2022 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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