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# taz.de -- Diversität in „Star Trek Discovery“: Queers im Sternenhimmel
> „Star Trek“ galt immer als progressiv, dabei gab es fast keine queeren
> Figuren. Das ändert sich in der dritten Staffel „Star Trek: Discovery“.
Bild: Ian Alexander spielt den ersten trans Charakter in der neuen „Star Trek…
Was hatte sich Gene Roddenberry, der Erfinder von „Star Trek“ nur dabei
gedacht? 1966, mitten im Kalten Krieg, träumte er in „Star Trek“ von einer
Welt, die so ganz und gar anders war als die USA zu jener Zeit. Verboten
anders geradezu.
Das 23. Jahrhundert in „Star Trek“ ist kommunistisch. [1][Geld ist
abgeschafft], die Menschen arbeiten nicht mehr für den schnöden Zaster,
sondern für eine bessere Welt. Der Schwarze Bürgerrechtler Martin Luther
King war Fan: „Zum ersten Mal im Fernsehen sieht uns die Welt so, wie wir
gesehen werden sollten“, sagte er zu Nichelle Nichols, die mit ihrer Rolle
der Nyota Uhura als erste Schwarze Schauspielerin in einer Weltraumserie
mitspielte.
King redete auf Nichelle Nichols ein, als diese nach der ersten Staffel die
Serie verlassen wollte. „Sie schreiben Geschichte! Und ich bin ihr größter
Fan.“ Die Serie „Star Trek“ war die einzige, für die Kings Kinder abends
wach bleiben durften. Nichols blieb.
„Star Trek“ war immer, neben allem Raumschiff-Entertainment, das
Versprechen, dass eine bessere Welt möglich und machbar ist. Als am 22.
November 1968 in der Folge „Platons Stiefkinder“ besagte Lieutenant Uhura
und der legendäre Captain Kirk einander küssten, war das der erste
leidenschaftlich anmutende Kuss einer Schwarzen Frau und eines weißen
Mannes im US-amerikanischen Fernsehen.
So was hatte sich davor niemand getraut. Aus heutige Sicht mutet der Kuss
nicht besonders romantisch an: Die beiden stehen unter dem Einfluss eines
außerirdischen Wesens, sind also quasi ferngesteuert. Für die damalige Zeit
war das trotzdem schon ein Riesending.
Immer wieder wagte sich „Star Trek“ voran in Sachen Diversity: Der
Chefingenieur der Nachfolgeserie „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ ist
ein blinder Mann of Color: Geordi La Forge, [2][gespielt von LeVar Burton].
Doch anstatt ihn auf seine Behinderung zu reduzieren, wie man es aus
anderen TV-Produktionen gewohnt war, trat er dort als gleichberechtigter
Teil der Crew auf und rettet als Chefingenieur freilich des Öfteren den
Arsch aller auf dem Raumschiff Enterprise.
## Schwule Träume
1993 hatte die Ablegerserie „Star Trek: Deep Space Nine“ einen Schwarzen
Raumstation-Commander; 16 Jahre bevor Barack Obama US-Präsident wurde. Und
1995 bekam „Star Trek: Voyager“ eine weibliche Captain, Kathryn Janeway;
immerhin zehn Jahre bevor Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde – und wer
weiß wie viele Jahre vor der ersten weiblichen US-Präsidentin.
Ist das „Star Trek“-Universum also ein Vorbild? Progressiv in jeglicher
Hinsicht? Leider nein. Queers wurden viel zu lange ausgeblendet – zumal
wenn man den selbst gesetzten humanistischen Standard der Serie als
Messlatte ansetzt. Schwule „Star Trek“-Fans konnten seinerzeit vielleicht
von einer Romanze zwischen Kirk und Spock träumen; gezeigt wurde das jedoch
nie.
Der original „Star Trek“-Serie mag man vielleicht noch zugutehalten, dass
sie 1969 wenige Wochen vor den New Yorker Stonewall Riots zu Ende ging,
dem Schlüsselereignis des Queer Rights Movements – und gesellschaftlich
also noch zu wenig Bewusstsein für die [3][Gleichberechtigung der Queers]
da war. Bei den Nachfolgeserien „Das nächste Jahrhundert“ und „Deep Space
Nine“ aber hätte man schlauer sein können; gibt es jeweils eine Folge, die
eine gleichgeschlechtliche Liebschaft zeigt. Und zwar mittels der Spezies
der Trill.
Die Trill sind sogar für „Star Trek“-Verhältnisse ziemlich speziell, denn
sie bestehen (oft) aus einem menschenähnlichen Wirtskörper und einem
wurmähnlichen Wesen. Die beiden gehen eine Symbiose ein und teilen die
Erinnerungen des anderen. Da die Symbionten viel älter werden als die
Wirte, „durchwandern“ sie im Laufe eines Lebens verschiedene Wirtskörper:
männliche und weibliche.
Sie sind also per se queer. Dieses Potenzial hat die Serie jedoch
verschenkt und lediglich für ein paar ulkige Dialoge am Rande genutzt. Die
zwei gezeigten Liebschaften halten nicht einmal die 40-minütigen Episoden
aus, da die jeweilige Partner*in nicht mit der Gender-Transformation des
Trill-Wesens klarkommt, durch das die Liebschaft nunmehr (oberflächlich
gedacht) gleichgeschlechtlich wäre. Uff. Kennen die unendlichen Weiten des
Weltraums keinen Platz für queeres Glück?
Doch, aber nur zögerlich: Im Kinofilm „Star Trek: Beyond“ (2016) sieht man
Hikaru Sulu mit seinem Mann und der gemeinsamen Tochter – aber nur wenige
Sekunden, sodass man es leichthin übersehen kann. Mutig geht anders.
## Eine Frage von Stolz
2017 dann mit dem Start der Serie „Star Trek: Discovery“ kommt endlich ein
schwules Paar an Board: Chefingenieur Paul Stamets (Anthony Rapp) und
Chefarzt Hugh Culber (Wilson Cruz). Die USA haben zu dem Zeitpunkt schon
seit zwei Jahren die Ehe für alle. Man bewegt sich auf sicherem Terrain.
Kein Vergleich zum Wagemut der Originalserie mitten im Kalten Krieg.
Spekulationen der Fans vor Serienbeginn, dass die weibliche Hauptfigur, die
den üblicherweise männlich konnotierten Namen Michael trägt, trans sein
könnte, erfüllen sich nicht. „Es ist uns ausgesprochen wichtig, dem hohen
Anspruch gerecht zu werden, den ‚Star Trek‘ selbst gesetzt hat“, sagt Alex
Kurtzman, Chef des „Star Trek“-Universums bei ViacomCBS, der taz.
„Das ist auch eine Frage von Stolz. ‚Star Trek‘ soll möglichst alle
Menschen repräsentieren. Wir sind sehr stolz auf unser schwules Paar in
‚Star Trek: Discovery‘. Und wir sind immer auf der Suche, so viel
Repräsentation zu ermöglichen, wie es nur geht.“
Was wie eine hohle Phrase klingen könnte, scheint Alex Kurtzman jetzt ernst
zu meinen: In der dritten Staffel „Star Trek: Discovery“, die in
Deutschland heute auf Netflix startet, lernen wir gleich zwei neue queere
Charaktere kennen: Ian Alexander, [4][ein 19-jähriger trans Mann], manchen
bekannt aus der Mystery-Drama-Serie „The OA“, spielt den trans Trill Gray.
Endlich scheint das queere Potenzial der Trill in „Star Trek“ genutzt zu
werden. Blu del Barrio identifiziert sich selbst als nichtbinär und spielt
in „Discovery“ fortan die nichtbinäre Figur namens Adira, die wohl
Freundschaft schließt mit besagtem schwulen Paar an Board der Discovery.
Das bietet viel Potenzial, auch über diese beiden etwas mehr zu erfahren,
als dass sie die Oper lieben.
Die erste Staffel „Discovery“ war übertrieben rasant geschnitten. In der
zweiten Staffel nahm man sich etwas mehr Zeit für Charaktermomente. Davon
soll es, hoffentlich, noch mehr geben. Dass das Team hinter der Serie nun
gleich zwei neue queere Charaktere bringt, weist darauf hin, dass sie es
wirklich ernst meinen – und nicht nur alibihaft eine Figur am Rande
installieren.
## Repräsentation ist nicht alles
Die Chance, die neue Staffel als Presse vorab zu sehen, gab es nicht.
Deswegen ist noch wenig über die neue Staffel bekannt. Beispielsweise wie
viel Raum die beiden queeren Figuren einnehmen werden und welche Inhalte
sie transportieren sollen. Denn wie wir wissen, ist Repräsentation nicht
alles, manchmal braucht es Held*innen.
Blu del Barrio jedoch zeigt sich optimistisch im Gespräch mit
US-Queer-Aktivist*innen der NGO Glaad. „Viele sagen, sie hätten das Wort
‚nicht-binär‘ noch nie gehört – und zweifeln deshalb an seinem Sinngeha…
Viele meinen auch, persönlich niemanden zu kennen, der trans wäre.
Da startet das Problem – das zu Diskriminierung und Gewalt gegen trans
Menschen führt. Seit ich acht war, wusste ich, dass ich anders bin.“
Bezüglich der relativ hohen Suizidversuchsrate von trans Teenagern sagt Blu
del Barrio: „Viele trans Teenager stehen das nicht durch. Das ist nichts,
was wir erst mal auf unsere To-Do-Liste schreiben könnten. Wir brauchen
sofortige Aktion.“
Viel zu lange hat „Star Trek“ die Queerness getrost auf die To-Do-Liste
geschrieben, während Generationen von Queers ein Hoffnungsfunkeln am
Sternenhimmel gesucht und gebraucht hätten. Jetzt hat „Star Trek“ die
Chance, ein halbes Jahrhundert Schweigen gutzumachen.
15 Oct 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Stefan Hochgesand
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