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# taz.de -- Game mit trans Charakter: Tyler der Erste
> Die Gaming-Welt tut sich schwer mit Diversität. Mit „Tell me why“ wurde
> nun das erste Spiel mit einem trans Mann als Hauptrolle veröffentlicht.
Bild: Das Geschwisterpaar Tyler und Alyson auf dem Weg in die Vergangenheit
Gerade erst ist auf Netflix eine Dokumentation zur Repräsentation von trans
Personen in der US-amerikanischen Film- und Serienwelt erschienen. Das
Fazit, das in „Disclosure“ gezogen wird, ist ernüchternd: Geschichten von
trans Menschen werden nur an der Peripherie erzählt, ihre Darstellung ist
zumeist problematisch.
Doch während mit vielseitigen trans Figuren in „Orange is The New Black“,
„The L Word: Generation Q“ und „Pose“ eine erste wichtige Zäsur erreic…
scheint, ließen ähnliche [1][Entwicklungen in der Videospiel-Welt] noch auf
sich warten. Kamen trans Charaktere vor, dienten sie schlimmstenfalls als
Witzfiguren, wie in der „Grand Theft Auto“-Reihe, oder wurden von
Schauspieler*innen des falschen Geschlechts synchronisiert, wie in „Dragon
Age: Inquisition“. So oder so handelte es sich stets um bloße
Randerscheinungen.
Doch gerade erst hat „Xbox Game Studios“ ein Videospiel für PC und Xbox One
herausgegeben, das zum Wendepunkt in der Repräsentation von
Transidentitäten im Gaming avancieren könnte. Das in drei Episoden à
zweieinhalbstündiger Spieldauer unterteilte „Tell me why“ ist der erste in
der realen Welt angesiedelte Titel, dessen spielbarer Hauptcharakter trans
ist. Und das, ohne dass dieser Fakt zum alleinigen Thema des Spiels
aufgebauscht wird.
Zusammen mit seiner Zwillingsschwester Alyson kehrt Tyler Ronan ins fiktive
„Delos Crossing“ zurück, um sein Elternhaus zu verkaufen. Zehn Jahre sind
vergangen, seit er es zuletzt betreten hat. Die Zeit verbrachte er in
„Fireweed“, einer Art letztem Auffangbecken für „verhaltensauffällige“
Jugendliche. Zuvor hatte er gestanden, aus Notwehr seine Mutter getötet zu
haben. Zurück am Ort des Geschehens, jetzt 21 Jahre alt, wühlen die
Geschwister in der Vergangenheit, um die Wahrheit über ihre vermeintlich
wahnsinnige Mutter und die Nacht ihres Todes in Erfahrung zu bringen.
## Übernatürlich und realistisch
Dabei schlüpfen die Spieler*innen abwechselnd in die Rolle beider
Geschwister, erkunden die detailreiche Szenerie auf der Suche nach
Geheimnissen, lösen Rätsel und führen vor allem Gespräche. Wie schon in der
„Life is Strange“-Reihe, ermöglichen es die französischen Entwickler*innen
von „Dontnod Entertainment“ den Gamer*innen, innerhalb des Narrativs
eigene Entscheidungen zu treffen. So gibt es zu jeder Zeit mehrere
Dialogoptionen, die das Verhältnis der Geschwister zu den anderen
Bewohner*innen, aber auch zueinander beeinflussen.
Ebenfalls an die Erfolgsreihe erinnern die übernatürlichen Fähigkeiten der
Geschwister, durch die das sonst sehr um Realismus bemühte Setting
angereichert wird. So können Alyson und Tyler nicht nur über eine
gemeinsame Stimme in ihren Köpfen kommunizieren, sondern vereinzelte
Erinnerungen abspielen. Actionreich wird es zwar zu keinem Zeitpunkt, dank
elaborierter Story und psychologischer Tiefenschärfe bleibt es aber dennoch
spannend.
Klar, dass es die elaborierte Story mit Flashbacks in die Kindheit der
Zwillinge verlangt, dass Tylers Transsein immer wieder thematisiert wird.
An Klischeefallen navigiert das Spiel jedoch zuverlässig vorbei. So hat er
sich weder aufgrund traumatischer Kindheitserfahrungen für die Transition
entschieden, noch wird er auf Diskriminierungserfahrungen reduziert. Dass
die Entwickler*innen derart wachsam gegenüber problematischen Stereotypen
waren, dürfte vor allem an der Beratung durch die Gay and Lesbian Alliance
Against Defamation (GLAAD), einer US-amerikanischen LGBTQ-Organisation mit
Medienfokus, liegen. So wurde Tyler mit August Aiden Black korrekterweise
von einem trans Mann eingesprochen und konsequent auf „Deadnaming“, also
das Nennen Tylers bei seinem früheren Namen, verzichtet.
## Geschichten schreiben
Wahrscheinlich ist „Tell me why“ ausgerechnet dann am weitesten von der
Wirklichkeit entfernt, wenn es alle Begegnungen mit den Bewohner*innen der
eigentlich sehr konservativ-provinziellen Gegend derart reibungslos
verlaufen lässt. Egal wie religiös oder betrunken die
Gesprächspartner*innen auch sein mögen.
Wenn nun erste Spieler*innen reflexartig die „politische Korrektheit“ des
Games bemängeln, geht es aber natürlich nicht um derartige Feinheiten,
sondern um die Tatsache, dass überhaupt ein trans Charakter vorkommt. Auch
wenn derartige „Kritik“ nicht nach einer Antwort verlangt, gibt sie das
Spiel gegen Ende indirekt selbst: „Wir schreiben Geschichten, um zu
verstehen und verstanden zu werden.“, heißt es da.
13 Sep 2020
## LINKS
[1] /Homophobie-in-der-Gaming-Szene/!5694921
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
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