| # taz.de -- Steigende Preise für Gas, Heizöl, Strom: Wie hoch steigen die Neb… | |
| > Im Herbst drohen bei der Heizkostenabrechnung hohe Nachzahlungen und | |
| > erhöhte Abschläge. Doch richtig teuer wird es im nächsten Jahr. | |
| Bild: Heizen in den 1980er Jahren in Kreuzberg | |
| Wie wird in Berlin geheizt? | |
| Laut einer [1][Studie zum Berliner Heizungsmarkt] von 2019 werden 36,5 | |
| Prozent der Gebäude mit Fernwärme versorgt, also aus zehn großen | |
| Kraftwerken, die überwiegend Erdgas als Brennstoff nutzen, aber auch | |
| Steinkohle, Holz und Müll. 52 Prozent der Gebäude haben eine | |
| Zentralheizung, die etwas häufiger mit Erdgas als mit Öl betrieben wird, | |
| nur selten per Elektro-Wärmepumpe oder mit Holz. Etwa jeder zehnte Haushalt | |
| hat eine Gas-Etagenheizung. | |
| Wie sehr haben sich Gas und Heizöl verteuert? | |
| Aufgrund hoher Nachfrage nach dem Ende vieler Corona-Beschränkungen und | |
| verknapptem Angebot steigen die [2][Gaspreise] auf dem Weltmarkt seit | |
| Herbst 2021 kontinuierlich. Mit Beginn des Ukrainekrieges und den | |
| reduzierten Gaslieferungen aus Russland hat die Entwicklung noch an Fahrt | |
| aufgenommen. Im Großhandel kostet eine Megawattstunde derzeit um die 135 | |
| Euro, noch vor einem Jahr waren es lediglich 20 Euro. Beim Heizöl kostete | |
| der Liter Anfang 2021 noch 55 Cent, inzwischen liegt er knapp unter 1,50 | |
| Euro. | |
| Ich merke aber noch gar nichts von den Erhöhungen!? | |
| Die Preisentwicklung erreicht Mieter:innen verzögert mit der | |
| Betriebskostenabrechnung. Die meisten Vermieter sind derzeit mit der | |
| Abrechnung der Heizkosten für das Kalenderjahr 2021 beschäftigt, die | |
| überwiegend im Herbst und spätestens bis Jahresende verschickt werden. Ein | |
| Teil der Kostenanstiege wird sich darin bereits abbilden. Die krassen | |
| Preissteigerungen dieses Jahres werden erst mit der | |
| Betriebskostenabrechnung im kommenden Jahr fällig | |
| Davor, dass der Weltmarktpreis nicht voll und sofort durchgereicht wird, | |
| sorgen bestehende Verträge, die Preiserhöhungen bestimmte Grenzen setzen. | |
| Auch sind Versorger selbst durch langfristige Verträge und Ressourcen auf | |
| Vorrat zumindest eine Zeit lang vor den steigenden Weltmarktpreisen | |
| geschützt. Wo immer möglich, wurden die Gas- und Öltarife für die | |
| Verbraucher:innen aber bereits erhöht. | |
| Zukünftig droht noch größeres Ungemach: Die Bundesregierung hat jüngst eine | |
| [3][Reform des Energiesicherungsgesetzes] beschlossen, die | |
| Energieversorgern im Fall einer Versorgungskrise ermöglichen soll, | |
| gestiegene Beschaffungskosten eins zu eins an ihre Kunden weiterzugeben, | |
| auch wenn vertraglich ein anderer Preis vereinbart ist. Damit sollen die | |
| Versorger, vielfach auch kommunale Stadtwerke, vor der Insolvenz bewahrt | |
| werden. | |
| Wie teuer wird es denn nun? | |
| Der Berliner Mieterverein rechnet in diesem Jahr mit Erhöhungen von 10 bis | |
| 13 Prozent. Für die Mieter:innen bedeutet das Nachzahlungen und erhöhte | |
| monatliche Abschläge. | |
| Einen Hinweis, in welche Richtung es gehen kann, zeigt die Gasag. Der in | |
| den 1990er-Jahren privatisierte Berliner Grundversorger mit etwa 800.000 | |
| Privat- und Gewerbekunden erhöhte die Preise bereits zum Mai um 26 Prozent. | |
| Für eine Berliner Durchschnittswohnung mit einem Verbrauch von 12.000 | |
| Kilowattstunden wird damit der monatlich zu entrichtende Betrag um 24,50 | |
| Euro auf 119 Euro steigen. Um Nachzahlungsforderungen von mehreren Hundert | |
| Euro zu vermeiden, wurden ab Juli die Abschlagszahlungen erhöht. | |
| Noch tiefer in die Tasche greifen müssen Kunden, die jetzt einen neuen | |
| Vertrag etwa für eine Gasetagenheizung oder einen Heizöltank abschließen. | |
| Sie zahlen mindestens doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. | |
| Und im nächsten Jahr? | |
| Da kommt der noch größere Schock, weil dann die explodierten Preise mit | |
| voller Wucht bei den Kund:innen ankommen. Die rückwirkende Rechnung für | |
| 2022 könnte eine Verdoppelung der Heizkosten bedeuten, laut Mieterverein | |
| drohen dann Nachzahlungen in der Höhe von zwei Monatsmieten. Der Präsident | |
| der Bundesnetzagentur warnte: „Ab 2023 müssen sich Gaskunden auf eine | |
| Verdreifachung der Abschläge einstellen, mindestens.“ Fernwärmebeheizte | |
| Wohnungen werden wohl etwas weniger stark betroffen sein, da Fernwärme nur | |
| zum Teil gasbetrieben ist. | |
| Wenn der wirkliche Hammer erst bevorsteht, sollte ich nicht dann jetzt | |
| schon höhere Abschläge zahlen? | |
| Es ist eigentlich nicht Usus, dass Vermieter die Vorauszahlung für die | |
| Nebenkosten unabhängig von der jeweils aktuellen Jahresabrechnung erhöhen. | |
| Angesichts der derzeitigen Preisentwicklung und der Erwartung hoher | |
| Nachzahlungen 2023 kommt dies nun aber häufiger vor. So hat etwa die | |
| landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM kürzlich die | |
| Heizkostenvorauszahlungen um bis zu 100 Prozent erhöht. Möglich ist es | |
| auch, einvernehmlich mit dem Vermieter eine höhere Vorauszahlung zu | |
| vereinbaren. Sinnvoll ist es in jedem Fall, Geld zurückzulegen – wenn man | |
| denn kann. | |
| Und was ist mit Strom? | |
| Im Großeinkauf hat sich der Preis für die Megawattstunde innerhalb eines | |
| Jahres mehr als verdoppelt. Auch hier schlagen die höheren Preise für | |
| Erdgas und auch für Kohle zu Buche, die für etwa 40 Prozent der | |
| Stromerzeugung verantwortlich sind. Zusätzlich erhöhen sich die Preise | |
| durch Emissionszertifikate, die Kraftwerksbetreiber kaufen müssen, weil sie | |
| Treibhausgase ausstoßen. Mit Verzögerung kommt das bei den Haushalten an, | |
| die derzeit durchschnittlich etwa 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen, 32,16 | |
| Cent waren es im vergangenen Jahr. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem | |
| Verbrauch von 3.000 kWh im Jahr zahlt dafür also bald 1.200 statt 900 Euro. | |
| Hilft ein Versorgerwechsel? | |
| Wer mit Fernwärme beliefert wird, kann seinen Anbieter nicht frei wählen; | |
| bei einer Zentralheizung im Haus gibt es zumindest die Möglichkeit, seinen | |
| Vermieter zu fragen, ob er den Anbieter wechselt. Nur bei | |
| Gas-Etagenheizungen, also wenn Mieter:innen einen eigenen Gaszähler | |
| haben, oder bei einer eigenen Ölheizung ist ein Verbraucherwechsel | |
| überhaupt möglich. Hier kann ein Wechsel zu einem günstigeren Anbieter | |
| durchaus eine Alternative sein; teurer als im Vorjahr wird es aber in jedem | |
| Fall. Für jeden frei wählbar ist der Stromanbieter. | |
| Wie hilft der Staat? | |
| Im September bekommen alle einkommensteuerpflichtig Beschäftigten eine | |
| einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Schon im Februar | |
| beschloss die Bundesregierung die Unterstützung für besonders arme | |
| Haushalte. Für diese etwa 2,1 Millionen Menschen wird der | |
| Heizkostenzuschuss verdoppelt. So erhalten Wohngeldempfänger:innen | |
| einmalig 270 Euro, 350 Euro im Zwei-Personen-Haushalt, Bezieher:innen | |
| von Bafög und Berufsausbildungsbeihilfe 230 Euro. Reichen, um die | |
| Preisanstiege damit zu finanzieren, werden diese Summen nicht. | |
| Berlin hat mit dem Haushalt einen Härtefallfonds für die explodierenden | |
| Energiekosten eingerichtet. Für Mieter:innen sind darin 110 Millionen | |
| Euro vorgesehen. Wie das Geld verteilt wird, ist nicht im Detail | |
| entschieden. | |
| Bleibt die Heizung im nächsten Winter kalt? | |
| Eher nicht. Zumindest bislang sind bei einer Gasmangellage Privathaushalte | |
| prioritär zu versorgen, auch wenn Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck | |
| (Grüne) dies infrage gestellt hat. Festgelegt hat die Bundesregierung, dass | |
| Energieunternehmen ihre Kund:innen drei Monate im Voraus darüber | |
| informieren müssen, falls sie Energielieferungen aufgrund eigener | |
| Zahlungsunfähigkeit einstellen wollen. Einige Vermieter haben bereits | |
| angekündigt, die Leistung zu drosseln. So will Deutschlands größter | |
| Vermieter Vonovia die Heizungen ab Herbst nachts auf 17 Grad | |
| herunterregeln. | |
| Ein Entwurf für einen Notfallplan der Europäischen Kommission sieht vor, | |
| dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude ab Herbst bis | |
| maximal 19 Grad beheizt werden sollen. Gasag-Chef Georg Friedrich forderte | |
| Kund:innen auf, ihre Raumtemperatur bis zur „Schmerzgrenze“ zu | |
| reduzieren. „Schon ein Grad Raumtemperatur weniger spart bis zu sieben | |
| Prozent am Energieverbrauch“, so Friedrich mit Blick auf die | |
| Versorgungssicherheit. | |
| Viele Menschen werden womöglich aus Eigeninteresse ihre Heizungen | |
| herunterdrehen oder ganz ausgeschaltet lassen, um später nicht von den | |
| Kosten erdrückt zu werden. [4][Keine gute Idee ist es, die Heizung | |
| auszulassen und stattdessen mit einem strombetriebenen Heizlüfter zu | |
| heizen]. Eine Kilowattstunde Strom ist immer noch deutlich teurer als eine | |
| Kilowattstunde Gas. | |
| 21 Jul 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bdew.de/media/documents/BDEW_Heizungsmarkt_Regionalbericht_Berl… | |
| [2] /Energiekrise/!5861304 | |
| [3] /Uniper-und-verminderte-Gaslieferungen/!5865320 | |
| [4] https://twitter.com/MKreutzfeldt/status/1546790695628935169 | |
| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
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