Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ersatz für Gas in der Stromerzeugung: Steinkohle is back
> Damit weniger Gas gebraucht wird, sollen Steinkohle-Reservekraftwerke
> kurzzeitig wieder Strom produzieren. Der erste Meiler ist angemeldet.
Bild: Hoffnung ausgerechnet auf Steinkohle: Kraftwerk Mehrum
Bonn/Hohenhameln dpa | Als Ersatz für Strom aus Erdgas steht das [1][erste
Steinkohlekraftwerk aus der Reserve] vor dem Neustart. Es handelt sich um
das Kraftwerk Mehrum im niedersächsischen Hohenhameln (Landkreis Peine)
zwischen Hannover und Braunschweig, das dem tschechischen Energiekonzern
EPH gehört. Es sei bislang die einzige „Marktrückkehr“ eines Kraftwerks,
die der Bundesnetzagentur angezeigt worden sei, teilte die Behörde mit.
Seit 14. Juli erlaubt eine Verordnung, dass Steinkohlekraftwerke aus der
sogenannten Netzreserve wieder in Betrieb gehen können, um Erdgas
einzusparen. Im Juni lag der Erdgas-Anteil an der Stromerzeugung in
Deutschland laut Bundesnetzagentur bei 11,2 Prozent.
Um die Stromerzeugung aus Gas entwickelte sich am Wochenende eine
Kontroverse innerhalb der Bundesregierung. Finanzminister Christian Lindner
forderte, diese zu stoppen. „Wir müssen daran arbeiten, dass zur Gaskrise
nicht eine Stromkrise kommt“, sagte der FDP-Vorsitzende der Bild am
Sonntag. „Deshalb darf mit Gas nicht länger Strom produziert werden.“
Ein Sprecher Habecks wies darauf hin, dass ein völliger Verzicht auf Gas im
Stromsektor zur Stromkrise und Blackouts führe. „Es gibt systemrelevante
Gaskraftwerke, die mit Gas versorgt werden müssen. Bekommen sie kein Gas,
kommt es zu schweren Störungen. Das ist leider die Realität des
Stromsystems, die man kennen muss, um die Versorgungssicherheit
herzustellen.“ Da, wo Gas aber in der Stromerzeugung ersetzt werden könne,
solle es ersetzt werden – und daran werde längst mit Hochdruck gearbeitet.
## Strom für eine halbe Million Haushalte?
Das Kraftwerk Mehrum befindet sich seit Anfang Dezember 2021 in der
Reserve, wie die Kaufmännische Leiterin der Betreibergesellschaft, Kathrin
Voelkner, sagte. „Wir haben die Rückkehr an den Strommarkt erklärt. Wir
gehen davon aus, dass wir kurzfristig ans Netz zurückkehren.“ Das Kraftwerk
hat eine Nettoleistung von 690 Megawatt. 2018 erzeugte es so viel Strom,
dass damit theoretisch mehr als eine halbe Million Musterhaushalte mit
Strom versorgt werden konnten.
Die Verordnung der Bundesregierung erlaubt den Stromverkauf aus
Reservekraftwerken, die mit Steinkohle oder Öl befeuert werden, bis Ende
April 2023. Das Wiederanfahren für mehrere Monate ist für
Kraftwerksbetreiber wirtschaftlich interessant, weil die
Strom-Großhandelspreise derzeit hoch sind. Gleichzeitig ist ausreichend
Steinkohle auf dem Weltmarkt vorhanden. Mit der Maßnahme soll Erdgas aus
dem Strommarkt verdrängt werden.
## Kandidaten gibt's genug – Rendite wohl auch
Wieder mehr Strom verkaufen will auch der Essener Energiekonzern Steag. Man
habe die „feste Absicht“, mit 2.300 Megawatt Erzeugungsleistung in den
Markt zurückzukehren, sagte Unternehmenssprecher Markus Hennes. Darin
enthalten sind zwei Blöcke im Saarland, die bereits in der Reserve sind,
und zwei weitere Blöcke im Saarland und in Nordrhein-Westfalen, die Ende
Oktober eigentlich stillgelegt werden sollten. Hürden sieht die Steag noch
bei der finanziellen Absicherung der großen Kohlevorräte, die laut
Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) vorliegen müssen, und bei der
Transportlogistik. So seien die Kapazitäten auf Schiff und Schiene derzeit
begrenzt.
Auch das Düsseldorfer [2][Energieunternehmen Uniper] prüft die Rückkehr
seiner Reserveanlagen mit einer Leistung von insgesamt mehr als 2.000
Megawatt in den Markt. Noch sei aber keine Entscheidung gefallen, sagte
Sprecher Oliver Roeder. „Leider kann auch momentan nicht gesagt werden,
wann es zu einer Entscheidung kommt, da unter anderem noch technische,
organisatorische und betriebswirtschaftliche Probleme zu lösen sind.“
## Kommt auch Braunkohle wieder?
Der Karlsruher Energiekonzern EnBW will seine fünf Reservekraftwerke nicht
zurück an den Markt bringen, da sie aus Altersgründen nicht mehr
ununterbrochen laufen könnten. Unabhängig von den EKBG-Sonderregelungen
will das Unternehmen vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs und der
aktuellen Entwicklung auf dem Gasmarkt jetzt aber einen Kohleblock in
Karlsruhe mindestens bis Ende des Winters 2023/24 weiterlaufen lassen.
Ursprünglich wollte EnBW im Zuge des Kohleausstiegs diesen Block im Sommer
2022 zur Stilllegung anmelden.
Neben der bereits gültigen Verordnung für Steinkohle- und Öl-Kraftwerke
wird für Anfang Oktober auch eine Verordnung für das Wiederanfahren von
bereits stillgelegten Braunkohlekraftwerken vorbereitet. Hinzu kommt eine
Gaseinsparverordnung, die die unnötige Verstromung von Erdgas verhindern
soll. „Die Verordnung wird aktuell vorbereitet und tritt dann in Kraft,
wenn sich abzeichnet, dass noch mehr Gas bei der Stromerzeugung eingespart
werden muss“, hatte das Wirtschaftsministerium am 21. Juli mitgeteilt.
1 Aug 2022
## LINKS
[1] /Einigung-ueber-Kohleausstiegsgesetz/!5697637
[2] /Lage-der-Energiekonzerne/!5867325
## TAGS
Energiekrise
Schwerpunkt Klimawandel
Gas
Steinkohle
Energiewende
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
klimataz
Schwerpunkt Klimawandel
Lettland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Heizkosten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gasverbrauch der Bierbranche: Zum Wohl, Klima
Die Gaspreise machen der Bierbranche zu schaffen. Brauen ohne fossile
Energie ist schwer. Ein Berliner versucht es trotzdem.
Gasversorgung: Gazprom dreht Lettland den Hahn zu
Gazprom wirft Lettland Vertragsbruch vor, wohl weil das Land von einem
anderen russischen Unternehmen Gas kauft. Die Gasspeicher sind gut gefüllt.
Debatte über hohe Gaspreise: London ist schneller als Berlin
Während Großbritannien bereits handelt, ist die Ampel noch uneins über
Energiezuschüsse für Privathaushalte. Die FDP bremst – wegen der
Schuldenbremse.
Steigende Preise für Gas, Heizöl, Strom: Wie hoch steigen die Nebenkosten?
Im Herbst drohen bei der Heizkostenabrechnung hohe Nachzahlungen und
erhöhte Abschläge. Doch richtig teuer wird es im nächsten Jahr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.