| # taz.de -- Neues Grosz-Museum in Berlin: Beschlagnahmt, verschollen, zurück | |
| > Der Maler George Grosz flüchtete vor den Nazis in die USA. Das neu | |
| > eröffnete Grosz-Museum in Berlin erinnert nun an seine Kunst. | |
| Bild: Großstadt im neuen Grosz-Museum: Blick auf Hochbahn und George Groszs �… | |
| Er ist eine der großen Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts: der | |
| Maler, Grafiker, Satiriker, Karikaturist und politische Aktivist George | |
| Grosz. In seinen bissigen Bildern aus den Zwanzigerjahren erfasste er die | |
| chaotische Gesellschaft der Weimarer Republik und schuf bereits eine | |
| düstere Vorahnung von dem, was politisch auf sie folgen würde. 1933 aus dem | |
| nationalsozialistischen Deutschland in die USA emigriert, fand seine Kunst | |
| aus den amerikanischen Jahren auch später nur wenig Resonanz. | |
| Jetzt eröffnet in Berlin Das Kleine Grosz Museum. Es hat sich zur Aufgabe | |
| gemacht, die vielen Facetten mitsamt Früh- und Spätwerk des vor allem für | |
| seine Weimarer Jahre bekannten Zeichners und Malers zu vermitteln. | |
| Entsprechend stellt es in der Auftaktausstellung „Gross vor Grosz“ frühe | |
| Arbeiten des 1893 als Georg Ehrenfried Gross geborenen Künstlers vor, der | |
| später aus Protest gegen den Ersten Weltkrieg seinen Namen mit George Grosz | |
| ins Englische übersetzen sollte. | |
| Fliegende Soldaten kann man auf den Skizzen eines Neunjährigen sehen, | |
| Ritterburgen auf den präzisen Zeichnungen eines Jugendlichen, und auf den | |
| Feder- und Aquarellarbeiten eines Studierenden in Berlin lässt sich ein | |
| späteres Sujet ausmachen: die Realität der Großstadt. Schon in den 1910er | |
| Jahren zeichnet sich auf diesen veristischen Bildern von Schlägern und | |
| Gaunern zwischen Berliner Baracken jener scharfe Grosz’sche Stil ab, für | |
| den er heute so weltbekannt ist. | |
| Aktionsort dieses berühmten George Grosz aus der Weimarer Republik war | |
| Berlin. Er saß in Straßencafés und Kneipen, beobachtete, zeichnete, | |
| analysierte: „Der Künstler, auch wenn er es nicht will und weiß, lebt in | |
| stetiger Wechselbeziehung zur Gesellschaft“, schrieb er 1925. Mehrmals | |
| geriet er in Konflikt mit der Zensur, das Blatt „Gott mit uns“ schockierte | |
| auf der Ersten [1][Internationalen Dada-Messe 1920] derart, dass es gleich | |
| beschlagnahmt und der Künstler wegen Gotteslästerung angezeigt wurde. Seine | |
| Figuren machten das Drastische dieser Zeit verständlich. Suff und Drogen, | |
| Kriminalität, politische Straßenkämpfe und eine korrupte Staatsgewalt, das | |
| Leben zwischen einem monströsen Ersten und einem sich anbahnenden Zweiten | |
| Weltkrieg. | |
| Die pointierten Gesellschaftsporträts aus der Weimarer Republik prägten die | |
| Kunst auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem ist George Grosz in | |
| deutschen Museen heute nur selten vertreten. 1933 als „entartet“ | |
| verurteilt, beschlagnahmten die Nationalsozialisten sein Werk, viele seiner | |
| Bilder wurden zerstört, Sammler:innen ins Exil getrieben oder ermordet. | |
| Mit ihnen verschwand auch die Kunst von George Grosz. Bis heute ist gut die | |
| Hälfte seines Werks verschollen. | |
| Wenige seiner Bilder sind gegenwärtig in öffentlichen Sammlungen, wie das | |
| Porträt des Schriftstellers Max Herrmann-Neiße in der Mannheimer Kunsthalle | |
| oder die berühmten „Stützen der Gesellschaft“ in der Berliner Neuen | |
| Nationalgalerie. Es ist etwas Besonderes, dass nun ein kleines privates | |
| Museum in Berlin-Schöneberg Werke aus dem Nachlass des Künstlers sowie aus | |
| Privatsammlungen in dieser Fülle präsentiert. Ins Leben gerufen hat das | |
| Museum der George Grosz in Berlin e. V., sein Vereinsvorsitzender Ralph | |
| Jentsch war noch mit dem mittlerweile verstorbenen Sohn Peter Grosz | |
| befreundet. | |
| Die Biografie von George Grosz spiegelt das Schicksal vieler deutscher | |
| Emigranten wider. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten | |
| übersiedelt er 1933 nach New York. In Deutschland zum „Staatsfeind“ | |
| erklärt, porträtiert er 1934 vom Exil aus Adolf Hitler als gewaltigen | |
| Todesengel über Europa. Das Aquarell dieser düsteren Vorahnung ist nun in | |
| der ständigen Ausstellung des Museums zu sehen. | |
| 1938 wird Grosz US-Bürger, 1941 widmet ihm das Museum of Modern Art in New | |
| York eine Retrospektive. Dem folgen weitere Ausstellungen und die Aufnahme | |
| in die American Academy of Arts and Letters. Er scheint vollends in der | |
| US-Gesellschaft etabliert, als Stanley Kubrick ihn 1948 an der Fifth Avenue | |
| in Manhattan sitzend fürs Look Magazine fotografiert. Trotzdem siedelt | |
| George Grosz 1959 wieder nach Berlin um. | |
| Nur einen Monat nach seiner Rückkehr stirbt er infolge eines Unfalls. Das | |
| Kleine Grosz Museum erinnert architektonisch an diese bedauerlich kurze | |
| Rückkehr eines herausragenden Künstlers in die Bundesrepublik. Es befindet | |
| sich in einer umgebauten Tankstelle im Standardtyp der Shell AG von 1956. | |
| Eine elegante Alltagsarchitektur der Nachkriegszeit. Direkt an der | |
| donnernden Hochbahn der U2 ist sie die richtige Bühne für einen George | |
| Grosz in Berlin. | |
| 16 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Renata Stih | |
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