# taz.de -- Umstrittene Kohle aus Kolumbien: Auf dem Rücken der Indigenen | |
> Deutschland will weg von fossilen Rohstoffen aus Russland. Doch der | |
> Ersatz birgt neue Probleme – wie ein Blick nach Kolumbien zeigt. | |
Bild: Kraftwerk in Brandenburg: Bislang kam die Kohle aus Russland, demnächst … | |
BOGOTÁ taz | Die [1][Mitteilung aus dem kolumbianischen Präsidentenpalast] | |
war geradezu euphorisch: Kolumbien wolle seine Kohleexporte nach | |
Deutschland erhöhen und es in Sachen Energiesicherheit unterstützen. Das | |
habe ein Telefonat zwischen Kanzler Olaf Scholz und Präsident Iván Duque | |
ergeben. | |
UmweltschützerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen schlugen Alarm. Etwa | |
die Hälfte der importierten Steinkohle in Deutschland stammte bislang aus | |
Russland. Es folgen bis vor dem Krieg mit der Ukraine mit großem Abstand | |
die USA und Australien – dann mit 5 Prozent Anteil Kolumbien. Anders als | |
Gas und Öl lässt sich Russlands Kohle gut ersetzen – unter anderem mit dem | |
fossilen Brennstoff aus Kolumbien. Doch der ist hoch umstritten. | |
AktivistInnen forderten bereits, „Importe kolumbianischer [2][Blutkohle | |
nach Europa]“ zu verbieten. | |
Sie stammt überwiegend aus dem größten Tagebau Lateinamerikas: El Cerrejón | |
heißt die Mine, die seit 2021 vollständig dem multinationalen | |
Glencore-Konzern mit Sitz in der Schweiz gehört. Sie liegt in der | |
Halbwüstenregion La Guajira auf dem Gebiet des indigenen Volks der Wayúu. | |
„Es ist eine große Enttäuschung, dass Deutschland als Land, das den | |
Kohleausstieg vollzieht, heute wieder Kohle von einer Firma kaufen will, | |
die laut Gerichtsurteilen Menschen-, Umwelt- und Gebietsrechte verletzt | |
hat“, sagt Anwältin Rosa María Mateus vom renommierten Colectivo de | |
Abogados José Alvear Restrepo (Cajar), das die indigenen, | |
afrokolumbianischen und bäuerlichen Gemeinschaften der Region seit Jahren | |
unterstützt. | |
## Fragwürdige Studie | |
Kurz nach dem Telefonat mit Scholz meldeten Indigenen-Vertreter, sie hätten | |
eine [3][Mail vom Umweltministerium] erhalten. Darin ging es um einen Bach | |
namens Bruno. Bergbaufirma und Regierung hätten eine Studie fertiggestellt, | |
die der Umleitung des Bachs grünes Licht erteilt – ohne Beteiligung der | |
Gemeinschaften vor Ort. | |
Der Bach Bruno ist der größte Zufluss des einzigen Flusses der Region Río | |
Ranchería. 2016 leitete El Cerrejón ihn auf 4 Kilometern Länge um. Das | |
Verfassungsgericht stoppte 2017 den Prozess, weil das Recht auf Wasser, | |
Gesundheit und Ernährungssicherheit der indigenen Gemeinschaften verletzt | |
worden war. Es schrieb eine technische Studie unter Einbeziehung der | |
Indigenen vor, um zu entscheiden, ob der Bach in seinen Ursprungszustand | |
zurückversetzt werden soll. | |
## Indigene fürchten um ihre Wasserquelle | |
[4][El Cerrejón] nennt den künstlichen Bachlauf ein „Vorbild ökologischer | |
Umweltinnovation“. Die Indigenen fürchten dagegen um ihre Wasserquelle: | |
Schon jetzt müssten sie immer tiefer bohren, einige Brunnen seien bereits | |
kontaminiert. Das Wasser des Bachs ist ihnen heilig, es hat spirituelle und | |
kulturelle Bedeutung. „Wenn Deutschland mehr Kohle kauft, wird das die | |
Ausbeutung der Kohle am Bach Bruno beschleunigen“, sagt Anwältin Rosa María | |
Mateus. | |
„Nach 40 Jahren Ausbeutung sind die Schäden groß, weder Firma noch Staat | |
haben bislang auf die Rufe der Gemeinschaften reagiert“, betont sie. | |
Fortschritt, Entwicklung, Umsiedlung, bessere Arbeitsbedingungen und | |
produktive Projekte seien ihnen versprochen worden. „Bis heute ist das | |
nicht passiert.“ Stattdessen kamen: Vertreibung, Enteignung, Luft- und | |
Wasserverschmutzung und Atemwegserkrankungen, besonders bei Kindern. | |
„Die Regierung begünstigt die Firma und setzt sich über die Rechte der | |
Arbeiter und der indigenen Gemeinschaften hinweg“, sagt auch Igor Díaz. Er | |
ist Präsident der nationalen Gewerkschaft der Kohleindustrie-Arbeiter. Díaz | |
stammt selbst aus La Guajira – und arbeitet seit 37 Jahren in der Mine. | |
„El Cerrejón hat die Versprechen gegenüber den Regionen Cesar und La | |
Guajira nicht erfüllt“, betont Díaz. Allerdings habe die Mine Arbeitsplätze | |
gebracht, die dringend nötig seien. Sie gibt 4.500 Menschen direkt, etwa | |
6.500 indirekt Arbeit. „Es gibt keine Alternativen hier. Viele reden zwar | |
von Wind- und Solarenergie, aber das bringt keine Jobs“, erklärt Díaz. | |
## Deutsche Kohleimporte lässt Gewerkschafter sogar hoffen | |
Zuletzt hätten sich die Arbeitsbedingungen sogar noch verschlechtert. | |
Glencore mache Druck. Es laufe bereits ein Rechtsstreit, sagt der | |
Gewerkschafter. Löhne wurden gesenkt, Hunderte Stellen gestrichen. „Alles | |
läuft darauf hinaus, mehr mit deutlich weniger Leuten zu produzieren, die | |
weniger Gehalt erhalten und unter schädlicheren Bedingungen arbeiten, um | |
dem internationalen Konzern die Tasche zu füllen.“ | |
Dass Deutschland mehr Kohle will, erfüllt Díaz mit Hoffnung: „Deutschland | |
kann vom Konzern soziale und arbeitsrechtliche Verantwortung einfordern. | |
Diese Firmen sorgen sich darum, was ihre Kunden denken.“ Deutsche | |
Gewerkschaften wie die IG Metall könnten auf den Kunden RWE Druck ausüben, | |
damit sich die Bedingungen für Arbeiter und Gemeinschaften verbessern. | |
Anwältin Mateus sieht dagegen schwarz: „Diese Hoffnung gibt es schon seit | |
Jahren, aber sie hat sich nicht erfüllt.“ | |
1 May 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://idm.presidencia.gov.co/prensa/Paginas/Colombia-estudia-aumento-de-e… | |
[2] https://www.unidosporlapaz.de/post/ablehnung-der-importzunahme-von-kolumbia… | |
[3] https://www.elespectador.com/investigacion/y-si-hablamos-de-bruno-el-arroyo… | |
[4] /Steinkohleabbau-in-Kolumbien/!5718410 | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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