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# taz.de -- „MS Wissenschaft“ auf Deutschland-Tour: Eine Rolltreppe zum Mon…
> Partizipation steht im Mittelpunkt des Wissenschaftsjahrs 2022. Rund
> 14.000 Fragen an die Wissenschaft zeigen das zivilgesellschaftliche
> Interesse.
Bild: Informationen zu einigen aktuellen Forschungsprojekten gibt es auf der �…
Berlin taz | „Wie können wir es schaffen, Gehirnkrankheiten wie Multiple
Sklerose zu heilen?“ Aber auch: „Warum gibt es keine Rolltreppe zum Mond?“
Zwei Fragen von insgesamt über 14.000, die Bürger im Rahmen des
[1][„Wissenschaftsjahrs 2022 – Nachgefragt!“] an die deutsche Forschung
gestellt haben. Jetzt brüten die Initiatoren der Aktion „Meine Frage für
die Wissenschaft“ im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
nicht nur über verständlichen Antworten. Sondern gefiltert wird auch, ob
das zivilgesellschaftliche Interesse zu neuen Forschungsprojekten und
Wissenschaftsrichtungen führen kann.
„Wir erhoffen uns davon Impulse für die Wissenschafts- und
Innovationspolitik“, erklärte BMBF-Staatssekretärin Judith Pirscher in
dieser Woche beim Start [2][des Schiffs „MS Wissenschaft“ in Berlin, einer
schwimmenden Forschungsausstellung], die in den nächsten Monaten 30 Städte
in Deutschland ansteuert.
Erstmals steht in dem [3][seit über 20 Jahren vom Ministerium
veranstalteten Wissenschaftsjahr] kein einzelnes Fachthema im Mittelpunkt
(im Vorjahr Bioökonomie), sondern der Austausch der Wissenschaft mit der
Gesellschaft und deren aktive Beteiligung, etwa [4][in Projekten der
Bürgerforschung (Citizen-Science).] Indem mehr „Andockpunkte für die
Bürger“ geschaffen werden, könnten nach Aussagen Pirschers „die Relevanz
der Forschungsprojekte verstärkt und der Transfer beschleunigt werden“.
## Weniger Belehrung, mehr Partizipation
Der ursprüngliche Ansatz der Wissenschaftskommunikation, nämlich Bildung
und Belehrung, ist passé. Politik und Stiftungen, Vereine und Initiativen
fördern Forschungsprogramme mit partizipativen Schwerpunkten – etwa in
„Reallaboren“, bei denen wissenschaftliche Untersuchungen in städtischen
Quartieren mit Beteiligung der Anwohner stattfinden. Andere
Beteiligungsformate sind Diskussionen und Debattenforen, etwa der Bürgerrat
Forschung, den das BMBF ebenfalls organisiert und der noch in diesem Monat
seine Empfehlungen vorstellen soll.
Ein Treiber für mehr Partizipation ist die zunehmende Verbreitung der
Wissenschaft und der aus ihr hervorgehenden Technik in alle Ecken der
Gesellschaft. Bestes Beispiel ist die Digitalisierung, die in immer mehr
Lebensbereiche vordringt. Paradoxerweise helfen digitale Medien aber auch
dabei, dass sich Falschinformationen und Misstrauen gegenüber der
Wissenschaft rasend schnell verbreiten können. „Wir müssen stärker darauf
achten, dass das Vertrauen in die Wissenschaft erhalten bleibt“, betonte
die Präsidentin der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), Katja Becker,
beim Start der schwimmenden Ausstellung.
In den 32 Exponaten unter Deck stellen Hochschulen und Forschungsinstitute
nicht nur Ergebnisse dar, sondern erklären die Methoden und Prozesse, wie
sie gewonnen werden. „Die Besucher können hier hautnah erfahren, wie
Forschung funktioniert“, sagte die DFG-Chefin. Auch in ihrer eigenen
Organisation, die vor allem Projekte der Grundlagenforschung in Hochschulen
fördert, ist die gesellschaftliche Partizipation auf dem Vormarsch. Wie
Becker mitteilte, ist es inzwischen möglich, bei der DFG Mittel zu
beantragen, um Laien an der Forschung zu beteiligen.
## Kleinbauern in Afrika
Wie dies nicht nur in Deutschland, sondern auch auf fernen Kontinenten
praktiziert werden kann, untersucht der Sonderforschungsbereich Future
Rural Africa der Universitäten Bonn und Köln. Klimawandel, Verstädterung
und Digitalisierung verändern die Lebensbedingungen der Kleinbauern in
Afrika. Dabei sind die Zukunftsoptionen offen und gestaltbar.
„Die einen wünschen sich zum Beispiel eine intensivere Landwirtschaft, den
Ausbau von Straßen und bessere Einkommensmöglichkeiten für Frauen“,
erläutert Projektleiter Detlef Müller-Mahn, Professor für Humangeografie an
der Uni Bonn.
Andere dagegen wollen mehr Naturschutzgebiete, gute Energieversorgung und
neue Bewässerungsanlagen. In den afrikanischen Ländern Namibia, Tansania
und Kenia führen die deutschen Wissenschaftler Befragungen durch, in
welcher Richtung die Bevölkerung ihre Zukunft wünscht. Kombiniert mit
empirischen Daten zur Klima- und Bevölkerungsentwicklung soll ermittelt
werden, welcher Zukunftspfad der beste ist und wie die betroffenen Bauern
an der Gestaltung mitwirken können.
Auf dem Ausstellungsschiff können sich die Besucher virtuell in die
afrikanische Entscheidungslage hineinversetzen und auch ihr Votum abgeben.
Andere Exponate erklären die Entstehung von Vulkanen oder den Ursprung des
Universums. Unter der Überschrift „Das Mikroskop der Superlative“
beschreibt eine Gruppe der Arabisch-Deutschen Jungen Akademie der
Wissenschaften (AGYA), die ihren Sitz in Berlin und Kairo hat, was mit
einem Teilchenbeschleuniger erforscht werden kann. Den städtischen
Luftverkehr der Zukunft mit Flugtaxis und Passagierdrohnen führen
Wissenschaftler des Stuttgarter Fraunhofer-Instituts für
Arbeitswissenschaft und Organisation vor Augen.
Die [5][Partizipation der Zivilgesellschaft an der Forschung und an der
Wissenschaftspolitik] habe aber auch noch eine ordentliche Wegstrecke vor
sich, bis ein befriedigender Zustand erreicht ist, meint dagegen Ansgar
Klein, der Geschäftsführer des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches
Engagement (BBE).
Klein war in der vorletzten Legislaturperiode Repräsentant der
Zivilgesellschaft im Hightech-Forum der Bundesregierung und konnte dort
Erfahrungen sammeln, wie mit Vorschlägen aus dem gesellschaftlichen Raum
umgegangen wird. Danach sei es so gewesen, erklärte Klein gegenüber der
taz, „dass partizipativ und in gemeinsamen Beratungen mit Akteuren der
Zivilgesellschaft erstellte Handlungsempfehlungen oftmals nach Belieben in
den Schubladen der Bürokratie verschwanden und eine Nutzung durch die
Politik ausblieb“.
## Bürgerbeteiligung von oben
Die Top-down-Methode der bestellten Bürgerbeteiligung hat für den
BBE-Sprecher wenig Wert, weil hier häufig eine Organisation gegen die
andere ausgespielt werde. „Anstelle einer solchen Umgangsweise muss das
Prinzip einer zivilgesellschaftlichen Selbstvertretung in Beratungsforen
der öffentlichen Hand und Wissenschaft gehören“, fordert Klein. Nötig seien
auch „Governance-Regeln“, in denen der Umgang mit partizipativ erstellten
Ergebnissen klar definiert werde.
Ergänzend zur Verbesserung der Beteiligung an Einzelprojekten hält der
Experte für Engagement auch grundsätzliche Neuerungen für nötig. „Die
Zivilgesellschaft benötigt eine gemeinsame Plattform für Forschungs- und
Bildungspolitik, die zugleich auch eine Clearingstelle für
zivilgesellschaftliche Selbstvertretungen sein könnte“, findet Klein. „Eine
solche Plattform sollte das BMBF strukturell fördern.“
Die frühere Plattform Forschungswende, die von Naturschutzorganisationen
getragen wurde, hat eine solche Förderung trotz mehrfacher Anläufe nie
erreichen können. Vielleicht ermöglicht die Ampelkoalition bessere
Realisierungsbedingungen.„Kann eine solche Plattform für
bürgerschaftliches Wissenschaftsengagement in Deutschland Realität
werden?“, wäre eine gute Frage an das Wissenschaftsjahr. Sie kommt noch auf
den Berg der 14.000.
5 May 2022
## LINKS
[1] https://www.wissenschaftsjahr.de/2022/
[2] https://ms-wissenschaft.de/de/
[3] /Wissenschaftsjahr-2020/!5653702
[4] /Buergerwissenschaft-wird-Forschungsobjekt/!5746339
[5] /Forschungsziele-und-Strategien/!5606533
## AUTOREN
Manfred Ronzheimer
## TAGS
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