# taz.de -- Berliner Wissenschaft präsentiert sich: Schafft Wissen für alle | |
> Drei Monate lang will sich Berlins Wissenschaft einem breiten Publikum | |
> präsentieren. Die Themen: Gesundheit, Klima, Zusammenleben. | |
Bild: Wissenschaft im Stadtgefüge: Installation vor dem Roten Rathaus | |
BERLIN taz | Kaum war der Platz vor dem Roten Rathaus nach Jahren des | |
U-Bahn-Baus wieder frei geworden, ist er nun erneut vollgestellt. Jetzt mit | |
einer hölzernen „Wissensstadt“ plus einer metallenen | |
Leuchtturmkonstruktion, die die herausragende Stellung der Berliner | |
Wissenschaft symbolisieren soll. | |
Für drei Monate soll ab diesem Wochenende die hauptstädtische Wissenschaft | |
gefeiert und der Bevölkerung ohne Schwellenangst vor akademischen Hallen | |
vermittelt werden. Dabei geht es sowohl um die Leistungen der heutigen | |
Forschergeneration, von denen gerade die Coronabekämpfer derzeit auf einer | |
hohen Welle gesellschaftlicher Akzeptanz segeln, als auch um die Würdigung | |
zweier ihrer Ahnherren, deren 200. Geburtstage den Anstoß für das | |
neuerliche Berliner „Wissenschaftsjahr“ gaben: des Physikers Hermann von | |
Helmholtz und des Arztes Rudolf Virchow. Ihre Verdienste werden in einer | |
Sonderausstellung im Roten Rathaus dargestellt. | |
„Ohne die Wissenschaft wären wir heute nicht hier“, sagte Berlins | |
Regierender Bürgermeister Michael Müller bei einer ersten Vorbesichtigung | |
der Schau. Damit meint er nicht nur die erfolgreiche Impfstoffentwicklung, | |
die letztlich wieder derartige Events im öffentlichen Raum ermöglicht. | |
Müller, der zugleich amtierender Wissenschaftssenator Berlins ist, spielt | |
auch auf das positive Wachstum der Berliner Wissenschaftslandschaft in den | |
vergangenen Jahren an, etwa in Form des Exzellenz-Lorbeers für die drei | |
Universitäten der Stadt. | |
Und auch wenn er es so nicht ausspricht: Der Sozialdemokrat, der im | |
September vom Rathaus in den Bundestag wechseln will, hätte wahrscheinlich | |
nichts dagegen, wenn die Wissensstadt-Schau von den Besuchern auch als | |
Leistungsbilanz des scheidenden Wissenschaftssenators gesehen wird. | |
## Science-Slams und Kinder-Uni | |
Den Auftakt für das umfangreiche Open-Air-Programm von mehr als 50 Berliner | |
Wissenschaftseinrichtungen vor dem Roten Rathaus macht ab dem 26. Juni eine | |
Ausstellung zu den Themen, die derzeit die gesellschaftliche Debatten | |
beherrschen: Gesundheit, [1][Klima und Zusammenleben]. Den | |
Besucher*innen dieser kleinen Stadt des Wissens wird ein Programm aus | |
insgesamt mehr als 100 Panels, Kino-Abenden, Science Slams, Kinder-Uni und | |
Workshops geboten – „live und kostenlos“, wie versprochen wird. | |
Darüber hinaus planen vom Sommer bis zum Jahresende große wie kleine | |
Berliner Institutionen und Akteur*innen aus Wissenschaft und Forschung | |
zahlreiche Projekte – im digitalen Raum, in den Institutionen selbst und im | |
Stadtraum. Aber auch institutionell übergreifende Events wie die | |
[2]['Berlin Science Week’] im November oder der traditionelle 'World Health | |
Summit’ stehen auf der Agenda. Auch der Berliner Wissenschaftspreis, im | |
vorigen Jahr pandemiebedingt verschoben, soll wieder verliehen werden. | |
Als aussichtsreichster Kandidat gilt ein bekannter Berliner Virologe. Die | |
„Wissensstadt“ versteht sich als eine Art Kommunikationszentrum. „Ziel ist | |
es, über grundlegende Fragen in den direkten öffentlichen Austausch mit der | |
Stadtgesellschaft und ihren Gästen aus der ganzen Welt zu treten“, erklären | |
die Ausstellungsorganisatoren von „Kulturprojekte Berlin“. 2020 sei als das | |
Jahr der Coronapandemie in die Geschichte eingegangen und beschäftige uns | |
weiter. | |
Die Klimadebatte werde in der Zukunft schärfer und emotionaler, während die | |
Auswirkungen des Klimawandels immer deutlicher würden. Das dritte | |
Rahmenthema umreißen die Organisatoren mit den Worten: „Die Strukturen | |
unseres Zusammenlebens – ob weltweit, in den Städten, den Communities oder | |
den Familien – werden genauer beobachtet, hinterfragt, neu geordnet oder | |
vehement verteidigt“. | |
Viele Menschen machten bei diesen Zeitgeschehnissen vor allem die | |
Erfahrung, dass es nicht so leicht ist, Antworten darauf zu finden. Genau | |
diese Funktion soll die Wissensinstallation vor dem Rathaus vom 26.Juni bis | |
22. August einnehmen. Auch die Jubilare sind bei näherem Ansehen alles | |
andere denn antiquiert. | |
Beide waren sehr aktiv, ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse in | |
gesellschaftliche Praxis und politische Rahmenbedingungen zu übertragen. | |
Virchow brachte den Bau der großstädtischen Kanalisation in Berlin voran, | |
die sich im 19. Jahrhundert als wichtige Barriere gegen damals grassierende | |
Seuchen erwies. Sein Ansatz – die Verknüpfung von Gesundheitsschutz und | |
Stadtentwicklung – wird heute als „Public Health“ bezeichnet. Leider haben | |
es die Nazis mit ihrer Ideologie vom gesunden Volkskörper bewirkt, dass das | |
Virchowsche Konzept in Deutschland auf Jahrzehnte hin wenig verfolgt wurde. | |
Die unterentwickelte Public Health-Forschung und -politik in Deutschland | |
sollte sich dann in der Coronapandemie als nicht geringer Ballast erweisen. | |
„Von Hermann von Helmholtz und Rudolf Virchow kann man lernen, dass | |
Wissenschaft eine soziale Verantwortung hat und dazu beitragen kann, dass | |
Menschen in einer Stadt besser, gesünder und gerechter leben können“, sagt | |
Christoph Markschies, der Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie | |
der Wissenschaften. „Beide haben sich auch dafür eingesetzt, dass | |
Wissenschaft frei sein muss, um wirklich für eine gesunde und gerechte | |
Gesellschaft wirken zu können.“ | |
25 Jun 2021 | |
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## AUTOREN | |
Manfred Ronzheimer | |
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