| # taz.de -- Lange Nacht der Wissenschaften: Wer nicht fragt, bleibt dumm | |
| > Die Lange Nacht der Wissenschaften ist nach zwei Jahren Coronapause | |
| > zurück. Es geht ums Fragen: zu Putins Krieg oder Pilzen als Baumaterial | |
| > der Zukunft. | |
| Bild: Lange Nacht der Wissenschaften, hier in früheren Jahren im Tieranatomisc… | |
| Berlin taz | Aufatmen bei den Nachtschwärmern mit einem Hang zur | |
| wissenschaftlichen Neugierde in der Hauptstadt: Nach zwei Jahren | |
| Zwangspause kann am Samstag wieder zur Dämmerstunde durch Berlins | |
| Hochschulen und Forschungsinstitute flaniert werden: Die „Lange Nacht der | |
| Wissenschaften“, kurz LNDW, ist wieder zurück. | |
| Auch wenn das Coronavirus die nach Eigenwerbung „klügste Nacht des Jahres“ | |
| zweimal in den pandemiebedingten Lockdown geschickt hat, so hat es die | |
| Wissenschaft verstanden, auf ihre Weise zurückzuschlagen: mit einer | |
| bekanntlich schnellen Impfstoff-Entwicklung, die den Nutzen moderner | |
| Hightech-Forschung vor aller Augen führte. | |
| Für Berlins Wissenschafts- und Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) war | |
| die Pandemie damit auch ein Idealfall für die Wissenschaftsvermittlung. | |
| „Wissenschaft muss, wie komplex sie auch sein mag, erklärbar und zugänglich | |
| sein“, sagte sie im Vorfeld der Langen Nacht. Es gehe darum, Fragen zu | |
| stellen, auch wenn sie zunächst naiv klängen. Für die | |
| Wissenschaftspolitikerin ist das, also Naivität, aber auch der | |
| entscheidende Rohstoff für Erkenntnis: „Denn ohne Fragen keine neue | |
| Forschung, und ohne Forschung keine neuen Antworten für die großen | |
| Herausforderungen unserer Zeit“, so Senatorin Gote. | |
| „Warum will Putin diesen Krieg?“, wäre zum Beispiel so eine naive Frage. | |
| Eine Antwort wird um 17 Uhr im Osteuropa-Institut der Freien Universität | |
| Berlin in Dahlem zumindest versucht. Hier diskutiert eine gemischte Runde | |
| aus den Instituts-Abteilungen Geschichte, Kultur, Politik, Soziologie, und | |
| Wirtschaft über die Konsequenzen des Kriegs für die Ukraine und die Region, | |
| „mit einem Fokus auf unerwarteten und langfristigen Folgen“, wie | |
| angekündigt wird. | |
| Das Rahmenthema der Langen Nacht mit ihren 1.400 Einzelveranstaltungen | |
| kommt in diesem Jahr aus der Kommunikationsforschung: Es geht darum, wie | |
| die Wissenschaft ihre Bedeutung für die Gesellschaft darstellt und wie sie | |
| auf verfälschende „Fake News“ reagiert. „In einer Welt, in der | |
| Falschinformationen immer schneller verbreitet werden, kommt der | |
| Wissenschaft eine besondere Bedeutung zu“, unterstreicht Prof. Dr. Ulrich | |
| Panne, der Vorstandsvorsitzender des LNDW-Vereins und im Hauptberuf | |
| Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist. | |
| Passend dazu wurde auch die diesjährige Werbe-Kampagne gestaltet. Sie | |
| provoziert mit falschen Behauptungen – wie den Plakat-Slogans „Die Erde ist | |
| eine Scheibe – sei klüger“, oder: „Den Klimawandel gibt es nicht – sei | |
| klüger“. Dergestalt will man auf die Bedeutung der Wissenschaften als | |
| Antwort auf Fake News aufmerksam machen. Die Kampagne nimmt nicht nur | |
| mutwillige Falschbehauptungen aufs Korn, sondern bezieht auch historische | |
| Mythen und Irrtümer der Geschichte mit ein. Was natürlich deutlich machen | |
| soll, das mutmaßliche Fakten und Tatsachen zu jeder Zeit kritisch | |
| hinterfragt werden sollten. | |
| Neben „hartem Stoff“ bietet die akademische Serenade jede Menge leichte | |
| Kost, einschließlich eines umfangreichen Kinderprogramms. Die Stiftung | |
| Planetarium Berlin bietet in der Archenhold Sternwarte in Treptow einen | |
| Blick in den gestirnten Himmel. Die Buch-Expertin María Ocón Fernández von | |
| der Universität der Künste führt in ihre Rekonstruktion der berühmten | |
| Bibliothek des Berliner Architekten Friedrich Gilly ein. Von den einst 700 | |
| Exemplaren aus der ehemaligen Bauakademie sind über zwei Jahrhunderte | |
| später der Nachwelt nur 150 Prachtbände aus der Geschichte des Bauens | |
| erhalten geblieben. | |
| In die Zukunft des Bauens wiederum will die Biotechnologin Vera Meyer von | |
| der TU Berlin führen. In der Uni-Bibliothek in der Fasanenstraße hat sie | |
| eine Holz-Pilz-Skulptur in Form eines bewohnbaren Iglus aufgebaut. Die 330 | |
| Dach- und Wandkacheln sind aus biologischem Material hergestellt. | |
| „Die tragende Holzkonstruktion soll das Leben auf kleinstem Raum – wie in | |
| einer Raumfahrtkapsel – und die Kohabitation mit Pilzen erlebbar machen“, | |
| erklärt die Wissenschaftlerin. Das Projekt mit Namen „MY-CO SPACE“ ist eine | |
| Gemeinschaftsarbeit des interdisziplinären Berliner Science-Art-Kollektivs | |
| MY-CO-X und wurde von der Technischen Universität Berlin, der Universität | |
| der Künste Berlin, und der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung | |
| Eberswalde gefördert. „Das Kunst-Kollektiv MY-CO-X wird vor Ort Fragen | |
| beantworten und Filme zum Bau der Skulptur zeigen“, lädt Meyer zum Besuch | |
| des Pilz-Hauses ein. | |
| In einer Podiumsdiskussion hat das Publikum die Chance, mehr zur | |
| Holz-Pilz-Skulptur zu erfahren und mit den Entwickler*innen über | |
| Baumaterialien aus Pilzmycel und die Zukunft des Bauens zu diskutieren. | |
| Daneben können Kinder im Pop-up-Labor in einfachen Experimenten die Welt | |
| der Biotechnologie kennenlernen und beim Pipettieren und Mikroskopieren | |
| Entdeckungen machen. Die Lange Nacht wird von den beteiligten | |
| Wissenschaftseinrichtungen seit 20 Jahren selbst organisiert. Dem | |
| rot-grün-roten Berliner Senat ist das abendliche Science-Festival in diesem | |
| Jahr einen Zuschuss von 50.000 Euro wert. Die „Nacht“ zählte in den | |
| vergangenen Jahren im Durchschnitt rund 25.000 BesucherInnen, die auch | |
| diesmal erwartet werden. | |
| 1 Jul 2022 | |
| ## AUTOREN | |
| Manfred Ronzheimer | |
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