# taz.de -- Umzug der „Gudiana“-Bibliothek: Neue Heimat für alte Bücher | |
> 1.000 Bände der „Gudiana“-Bibliothek aus dem 17. Jahrhundert ziehen von | |
> Rendsburg nach Kiel um. So sind sie einfacher für die Forschung zu | |
> nutzen. | |
Bild: Nicht diese, aber viele andere Bücher hat Marquard Gude gesammelt | |
Rendsburg taz | Keine Frage, Marquard Gude liebte Bücher. Rund 10.000 Bände | |
sammelte der Gelehrte im Lauf seines Lebens im 17. Jahrhundert. Darunter | |
waren einzelne Inschriften sowie Texte zur Theologie, arabische | |
Handschriften, Bibeln, juristische Dissertationen und Predigten. Nach | |
seinem Tod löste sein Sohn die Sammlung auf und verkaufte die meisten | |
Bücher. Nur etwa 1.000 Bände, vor allem Dubletten, blieben in der | |
Marienkirche in Rendsburg, Gudes Geburtsort. Nun überlässt der Kirchenkreis | |
die sogenannte Gudiana der [1][Landesbibliothek in Kiel] als Dauerleihgabe. | |
„Obwohl es sich bei den Rendsburger Doppelstücken naturgemäß um eine eher | |
zufällige Auswahl handelt, spiegeln sie doch Gudes Anspruch auf universelle | |
Gelehrsamkeit“, sagt Maike Manske, Leiterin der Handschriftensammlung der | |
Landesbibliothek. Der Umzug ermögliche es, „Marquard Gude in seinem Kontext | |
als schleswig-holsteinische Persönlichkeit zu erforschen und zu | |
vermitteln“. | |
Aktuell lagern die Bände noch im Kirchenkreisarchiv, verpackt in | |
Archivboxen. Einige wenige Bücher sind in einer Dauerausstellung in der | |
St.-Marien-Kirche zu sehen. „Unser Archiv verfügt nicht über die | |
Möglichkeiten für eine fachgerechte Aufbewahrung und regelmäßige Kontrolle | |
des Bestandes“, sagt Rainer Karstens, Pastor des Kirchenkreises | |
Rendsburg-Eckernförde. Die Bücher seien in „altersgemäßem“ Zustand. Nach | |
ihrem Umzug, der für den Spätsommer geplant ist, werden alle Stücke | |
begutachtet und nach Bedarf von Fachleuten restauriert. „Die | |
Landesbibliothek sichert für die Gudiana eine Katalogisierung über ihren | |
Online-Bibliothekskatalog und damit verbundene Nutzbarkeit für alle | |
Interessierten und Neugierigen zu“, so Manske. „Der Altbestand ist im | |
Lesesaal, wenn konservatorisch unbedenklich, einsehbar.“ | |
Durch seine Sammlung hat sich Gude, der 1635 in Rendsburg als Sohn des | |
Bürgermeisters geboren wurde, unsterblich gemacht. Dabei schien es sich „um | |
ein Produkt durchaus eigennütziger Bibliophilie zu handeln“, glaubt Torsten | |
Wollina, Autor eines Blogs der Deutschen Forschungsgemeinschaft beim | |
„Projekt Orient-Digital“, der sich mit den arabischen Handschriften aus | |
Gudes Sammlung befasst, die in Wolfenbüttel gelandet sind. Gude selbst | |
„publizierte nicht viel über seine Handschriften. Auch gewährte er anderen | |
Forschern nicht allzu gern Zugang zu seinen Beständen“, krittelt Wollina. | |
## Ein echter Schatz | |
Den Grundstein zur Sammlung legte Gude bei einer vierjährigen Reise als | |
Begleiter des reichen, jungen Holländers Samuel Schars durch Frankreich und | |
Italien, bei der er in Bibliotheken Handschriften kopierte und teils | |
kaufte. Nach der Reise schlug Gude Berufungen an Universitäten aus und | |
blieb bei Schars, der ihm später einen Großteil seines Vermögens vererbte. | |
1671 nahm Gude das Angebot an, die herzogliche Bibliothek auf Schloss | |
Gottorf in Schleswig zu leiten, später trat er in den Dienst des dänischen | |
Königs. 1689 starb er in Glückstadt. | |
Auch wenn nur ein Zehntel der Bibliothek übriggeblieben ist, repräsentiere | |
der Bestand eine „späthumanistische Gelehrtenbibliothek des 17. | |
Jahrhunderts“, die das „gesamte alte und neue Wissen im Sinne einer | |
Enzyklopädie abbildet“, so Manske. | |
Eine örtliche Schule verwendete im 19. Jahrhundert einen Teil der Sammlung | |
im Unterricht. Dass sich ein echter Schatz zwischen den Bänden verbarg, | |
wurde erst 1997 entdeckt: Ein zerfledderter Papierhaufen stellte sich als | |
124-seitiges Fragment einer Gutenberg-Bibel heraus. Anfangs wollte der | |
Kirchenkreis das unschätzbare Stück meistbietend versteigern. Die lokale | |
Landeszeitung berichtete, die Proteste waren groß. Schließlich kaufte die | |
Nordkirche das seltene Stück für 3,5 Millionen Euro und überließ die Bibel | |
dem Landesmuseum Schloss Gottorf als Leihgabe. | |
Auch wenn weitere Überraschungen dieser Preisklasse nicht zu erwarten sind: | |
Ab Sommer ist die Gudiana für die [2][Forschung] besser einzusehen. | |
12 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/… | |
[2] https://www.hab.de/marquard-gude-1635-1689-und-seine-handschriften/ | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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