# taz.de -- Autor über KI-Kunst: „Mehr als nur schnell rechnen“ | |
> Kunst, das kommt von Künstlicher Intelligenz: Hanno Rauterberg über den | |
> Traum von kreativen Maschinen. | |
Bild: Ist das schon Kunst? Roboterkünstler:in Ai-Da neben einem eigenen Werk | |
taz: Herr Rauterberg, inspiriert vom Untertitel Ihres Buches: Wer träumt | |
den „Traum von der kreativen Maschine“? | |
Hanno Rauterberg: Es gibt erstaunlich viele [1][Künstlerinnen und | |
Künstler], die sich, seitdem es Computer gibt, von der Idee leiten lassen, | |
damit etwas anzufangen. Das kann am Ende ein Gemälde abgeben oder ein | |
Gedicht. Diese Begeisterung für die Technik hat sich noch mal verstärkt | |
seit ungefähr zehn Jahren, als [2][„Big Data“] zu einem Phänomen wurde und | |
die Computer noch mal intelligenter geworden zu sein scheinen. Seither gibt | |
es eben nicht nur Künstlerinnen und Künstler, die sich damit befassen, | |
sondern vor allem auch große Unternehmen, die viel Geld investieren, und | |
Programmierer, die sehr viel Zeit und Energie daran setzen, dass die | |
Maschinen endlich auch kreativ werden. | |
Bei landläufig bekannt gewordener Anwendungen von künstlicher Intelligenz | |
(KI) geht es um Zeitersparnis und darum, dass sie weniger Fehler mache als | |
der Mensch. Ist das hier auch so? | |
Es gibt diese Idee der Rationalisierung, was Design angeht, auch in der | |
Architektur; bei Gebrauchskunst im weiteren Sinne: Wenn es darum geht, | |
Fahrstuhlmusik zu komponieren oder einen Trailer für einen Kinofilm | |
zusammen zu schneiden, wird KI eingesetzt – weil es Zeit und Geld spart. | |
Und wenn wir von einem freieren Kunstbegriff ausgehen? | |
Dann kann man diese Frage natürlich stellen: Wo soll am Ende der Gewinn | |
liegen? Ich glaube, nicht auf materieller Seite. Eher darin, zu beweisen, | |
dass Computer mehr können als nur schnell rechnen und gut Schach spielen. | |
Nämlich? | |
Dass sie auch in der Lage sind, etwas von unseren geistigen Bedürfnissen zu | |
begreifen und möglicherweise zu reproduzieren. Ich sage das mit großer | |
Vorsicht, weil es sich dabei auch um ein ideologisches Projekt handelt. Am | |
Ende geht es darum, dass wir in den Maschinen etwas anderes erblicken als | |
nur den Apparat, dass wir der Maschine und auch den Programmen etwas | |
zutrauen, von dem wir lange glaubten, dass es nicht möglich ist: dass die | |
Maschine ein Gespür für Dinge entwickeln kann, die wir Kunst nennen – | |
letztlich, weil wir dafür keinen besseren Begriff haben. Es geht also um | |
das Metaphysische, um das Schöne, um Dinge, die nicht bezifferbar sind. | |
Sie schreiben, dass „regelhafte Anteile eines kreativen Prozesses“ sich | |
schon recht erfolgreich sozusagen outsourcen lassen an KI. | |
Was KI derzeit beherrscht, sind sogenannte schwach kreative Prozesse, die | |
Rekombination bestimmter Muster. Sie kann etwa erkennen, wie ein | |
Bach-Choral aufgebaut ist und kann [3][diese Elemente dann nach Belieben | |
kombinieren], sodass auch die Bach-Fachwelt staunt und denkt: Da ist ein | |
neuer Choral aufgetaucht. Wenn wir aber von einem starken, hohen kreativen | |
Begriff ausgehen, wenn wir erwarten, dass uns eine kreative Maschine so | |
verblüfft, wie es beispielsweise [4][Marcel Duchamp] gelungen ist, als er | |
seinen Flaschentrockner ins Museum trug und sagte: „Das ist jetzt Kunst“, | |
darauf müssen wir, glaube ich, noch sehr lange warten. | |
27 Apr 2022 | |
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## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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