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# taz.de -- Dokumentarfilm zu Patricia Highsmith: Eine ewig Suchende
> Die Doku „Loving Highsmith“ beleuchtet das Leben der Schriftstellerin
> Patricia Highsmith. Der Film ist auch ein Porträt queerer Zeitgeschichte.
Bild: „Sind Sie glücklich?“ Patricia Highsmith in jungen Jahren
„Wegen der Stille. Und weil ich nicht sprechen muss“, entgegnet
[1][Patricia Highsmith] auf die Frage, warum es für ihre Arbeit wichtig
sei, allein zu leben. Ihre Antwort spricht sie mit einer Bestimmtheit aus,
die Bitterkeit erkennen lässt. Eine Hand hat sie samt Zigarette an ihre
Schläfe gelegt, als der eingeschüchterte Journalist zur nächsten Frage
ansetzt: „Ich stelle Ihnen diese dumme Frage: Sind sie glücklich?“
Ein kurzes Zögern, dann die nicht minder entschlossen hervorgebrachte
Replik: „Ja, meistens.“ Wie um sich selbst zu versichern, fügt die
gealterte Autorin schnell hinzu: „Warum auch nicht?“
Wie der Dokumentarfilm der schweizerischen Filmemacherin Eva Vitija
erzählt, liegen die glücklichen Jahre im Leben der Patricia Highsmith zu
diesem Zeitpunkt bereits hinter ihr. Falls sich die Nachwelt denn ein Bild
vom Privatleben der US-amerikanischen Schriftstellerin, über das zeitlebens
nur wenig bekannt war, gemacht hat, entspricht es am ehesten dem einer
einsamen Misanthropin, die das Ende ihres Daseins abgeschottet und nur
umgeben von Katzen in einem Dorf in Tessin verbrachte.
Das Verdienst von Vitijas Dokumentarfilm besteht vor diesem Hintergrund
nicht nur darin, dass er überhaupt ihre – gemessen an ihrem Rang als einer
der wichtigsten weiblichen Autorinnen des 20. Jahrhunderts – noch
unterbelichtete Biografie in den Blick nimmt. Wenngleich „Loving Highsmith“
sie schließlich ebenfalls als eine ob ihrer Enttäuschungen verbitterte
alkoholkranke Eremitin zeigt und ihre Entgleisungen zum Ende ihres Lebens
dokumentiert, vermittelt der Film als liebevolles, aber niemals romantisch
verklärtes Porträt auch einen reichhaltigeren Eindruck von ihrer zwischen
Lebensfreude und inneren Dämonen changierenden Persönlichkeit.
Das gelingt durch die besondere Perspektive, die der Film einnimmt: Durch
die Linse ihrer intensiven, kurzzeitigen Liebschaften blickt er auf die
Autorin, die durch psychologische Kriminalromane wie „Der talentierte Mr.
Ripley“ weltbekannt wurde.
## Unzählige Frauen verführt
Neben Archivmaterial und [2][von Maren Kroymann eingesprochenen Einträgen]
aus den Tage- und Notizbüchern der Schriftstellerin geben vor allem von
Vitija geführte Interviews mit Familienmitgliedern und Weggefährtinnen
Einblick in ihre rastlose, von wechselnden Leidenschaften und einer
strengen Arbeitsmoral geprägte Vita. „Ich bin die ewig Suchende“, wird sie
zitiert. Die Selbstbeschreibung klingt wie die Überschrift zu einem Gros
ihres Lebens.
Diese Suche nimmt im New York der 1940/50er ihren Anfang. Eine ihrer
zentralen Lebensgefährtinnen, Autorin Marijane Meaker, beschreibt sie als
Szenegröße, die unzählige Frauen verführte, ihre Sexualität voll
auskostete. Dem vorangegangen war eine turbulente Kindheit an der Seite
einer Mutter, die sie früh spüren ließ, dass sie ein Problem mit Patricias
burschikosem Auftreten hatte.
Ihr zuliebe soll sie sich zwei Therapien unterzogen haben, um ihre
Homosexualität „zu heilen“. Dass ihr zweiter, unter Pseudonym publizierter
Roman „Salz und sein Preis“ von ihr stammt, soll sich Highsmith nie
getraut haben, ihr mitzuteilen.
## Ihre letzte Liebe
Dabei ist er bis heute von enormer Bedeutung im lesbischen Kanon: Entgegen
dem, was Verleger damals von homosexuellen Liebesgeschichten erwarteten,
endet der Roman nicht etwa mit Unglück oder Tod, sondern mit einem Happy
End. Indem „Loving Highsmith“ eine explizit lesbische Biografie in den
Fokus rückt, porträtiert er auch ein Stück LGBT-Zeitgeschichte.
„Schönheit, Perfektion, Vollendung – alles erreicht, alles erlebt. Als
Nächstes kommt nur noch der Tod“, notiert Highsmith mit gerade einmal 40
Jahren ein wenig prophetisch. Da ist sie für eine verheiratete Geliebte und
ihre wahrscheinlich letzte ernste Liebe gerade endgültig in die Alte Welt
gezogen. Als Erste hat Vitija die Unbekannte ausfindig machen können,
lüftet das Geheimnis um ihre Person jedoch nicht. Das passt zu einem Film,
der den Mythos Highsmith zwar beleuchtet, ihn aber nicht entzaubert,
sondern durch seine ganz eigene Lesart neu beflügelt.
6 Apr 2022
## LINKS
[1] /100-Geburtstag-von-Patricia-Highsmith/!5741800
[2] /Verleihung-des-Deutschen-Comedypreises/!5805190
## AUTOREN
Arabella Wintermayr
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