# taz.de -- Filmdrama „Firebird“ über schwule Liebe: Verborgenes Begehren | |
> Regisseur Peeter Rebane erzählt in „Firebird“ von einer homosexuellen | |
> Liebe im sowjetischen Estland der 70er. Der Film beruht auf wahren | |
> Begebenheiten. | |
Bild: Eine geheime Liebe an der Ostsee: Roman (Oleg Zagordnii) und Sergey (Tom … | |
Estland Ende der 1970er Jahre: Das Land ist unter sowjetischer Besatzung, | |
Wehrdienst ist Pflicht und es herrscht eine Stimmung der permanenten | |
atomaren Bedrohung. Das Militärische bestimmt den Alltag in einer | |
Gesellschaft, die nur eine heteronormative Männlichkeit zulässt. So drohen | |
bei einer homosexuellen Beziehung fünf Jahre Gefängnislager. | |
Vor diesem historischen Hintergrund spielt der Film „Firebird“ des | |
estnischen Regisseurs Peeter Rebane. Die Liebesgeschichte zwischen einem | |
Militärpiloten und einem Schauspieler beruht auf der wahren | |
Lebensgeschichte des Schauspielers Sergey Fetisov. Mit realistisch | |
inszenierten Bildern des trostlosen sowjetischen Alltags gibt der Film | |
Einblick in eine vergangene Welt, die vor allem in Westeuropa wohl nur | |
wenigen präsent ist. | |
„Firebird“ ist der erste Spielfilm von Peeter Rebane, der zuvor vor allem | |
Kurz- und Dokumentarfilme drehte. Die Handlung kreist um vier Figuren: den | |
jungen Sergey (Tom Prior), der gemeinsam mit seinen beiden Freunden Louisa | |
(Diana Pozharskaya) und Volodja (Jake Thomas Henderson) Wehrdienst an einem | |
Militärstützpunkt in Estland leistet. Louisa scheint auch ein romantisches | |
Interesse an Sergey zu haben, doch seine Zuneigung gilt dem Piloten Roman, | |
der auf dem gleichen Stützpunkt stationiert wird. | |
Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine Liebesbeziehung, die sich | |
alles andere als einfach herausstellt. Denn sie leben in einem | |
Überwachungsstaat, jede Fahrt mit dem Auto wird dokumentiert und jeder | |
persönliche Brief geöffnet. Durch einen Hinweis von Volodja landet Roman | |
auf dem Radar des sowjetischen Geheimdienstes, Sergey und er müssen immer | |
vorsichtiger agieren, um ihre Liebe nicht auffliegen zu lassen. | |
Der Film spannt dabei zeitlich einen weiten Bogen. Angefangen bei der | |
Militärakademie, auf der sich Sergey und Roman näherkommen, wandert er nach | |
Moskau in die 80er Jahre, in denen Sergey später als Schauspieler arbeitet. | |
Diese zeitlichen Sprünge kommen manchmal abrupt und geben dem Film wenig | |
Raum, die Beziehungen zwischen den Figuren zu entfalten. So lässt sich der | |
Film anfangs nicht genug Zeit, die Bindung zwischen Sergey und Roman zu | |
erzählen. | |
Trotzdem fängt der Film bewegende Momente ein, die vor allem aus dem Spiel | |
mit der Kamera entstehen, so blickt man als Zuschauer:in immer wieder | |
durch die Linse einer Fotokamera. Diese erlaubt Sergey und Roman einen | |
ehrlichen Blick. Während sie im Alltag ihr Begehren nicht frei ausleben | |
können, eröffnet die Kamera einen freien, unbeschwerten Raum. „Wenn man ein | |
Foto macht, dann liegt etwas in diesem Moment, das niemals zurückkehren | |
wird“, sagt etwa Sergey einmal zu Roman. Diese Momente, von denen die | |
beiden zehren, sind so flüchtig wie rar und geben den Film eine poetische | |
Schönheit. | |
Dabei wird diese Unbeschwertheit immer wieder unterbrochen, was Rebane auch | |
ins Bildliche übersetzt. Während die freien Augenblicke in ein sanftes, | |
gelbliches Licht getaucht sind, wandeln sich die Bilder in ein kühles Blau, | |
sobald der KGB den beiden auf der Spur ist. Insgesamt ist „Firebird“ jedoch | |
kein spannungsreicher Film. Es überwiegen lange Einstellungen vom Alltag im | |
Estland der 1970er Jahre, die den Film eher dahinplätschern lassen. | |
Die Kamera schwenkt beobachtend bei einer sowjetischen Hochzeit mit oder | |
man sieht Soldaten, die bei Militärübungen durch den Schlamm waten. Das | |
Militärische durchzieht dabei permanent das Alltägliche. Das verleiht dem | |
Film eine gewisse historische Authentizität. Gleichzeitig scheint sich der | |
Regisseur mehr Zeit für seine Bilder als für seine Figuren genommen zu | |
haben. | |
An einer Stelle des Films macht Roman etwa ein Foto von Sergey und Louisa | |
bei einer Militärparade. Erst stellt er auf Louisa scharf, dann wandert die | |
Kamera zu Sergey, und Roman drückt ab. Doch für diese Blicke, diese Momente | |
des Begehrens lässt sich der Film nicht genug Zeit, er geht nicht lange | |
genug nah heran an diese emotionalen Momente. Das ist schade, denn vor | |
allem Tom Prior glänzt in seiner Darstellung von Sergey mit seiner | |
Verletzlichkeit, Hingabe und seinem Mut, das eigene Ich auszuleben. | |
So fehlt es den Figuren an charakterlicher Schärfe. Es wirkt zum Beispiel | |
zu leichtfertig, wie Roman nach seiner intensiven Beziehung zu Sergey | |
einfach Louisa heiratet und ein Kind mit ihr bekommt. Es wird nicht | |
glaubhaft erzählt, was für einen persönlichen Kampf eine solche | |
Entscheidung bedeutet, wenn man sein Ich nicht ausleben darf und das eigene | |
Leben zur permanenten Lüge wird. | |
Trotzdem ist „Firebird“ ein berührender Film, vor allem, da er auf einer | |
wahren Begebenheit beruht. Regisseur und Hauptdarsteller trafen sich mit | |
dem echten Sergey Fetisov, als sie für ihren Film recherchierten, und | |
ließen dies in das Drehbuch, das die beiden gemeinsam geschrieben haben, | |
einfließen. Somit ist „Firebird“ auch [1][ein persönliches Zeitzeugnis ü… | |
die Schwierigkeiten], die es mit sich bringt, wenn das eigene Begehren | |
unter Strafe steht. | |
16 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Sabina Zollner | |
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