# taz.de -- Deutschland und der Ukrainekrieg: Wir schaffen das nicht, wir verwa… | |
> Organisieren, strukturieren, managen. Darin ist Deutschland gut. Warum | |
> finden diese Leute jetzt nicht den richtigen Weg, um den Krieg zu | |
> beenden? | |
Bild: Eine werdende Mutter nach dem russischen Beschuss eines Krankenhauses in … | |
Bestimmte Fragen werde ich für immer stellen wie ein Kind. Das sind [1][vor | |
allem ethische Fragen, solche, auf die „die Welt ist eben kompliziert“] | |
entgegnet wird. Eine dieser Fragen lautet: Warum tut denn niemand was? | |
Vielleicht liegt es ja an der Identitätskrise. Deutschland, wer? Dichter, | |
Denker, Umdichter, Querdenker? Man denkt gern an Goethe und baut auf dessen | |
Schaffen ein feines Selbstbild auf. Man denkt nicht so gern an die | |
Nazigroßeltern. Schade übrigens, dass Merkel gegangen ist. Wer ist man noch | |
ohne die Raute? Wofür steht man, wenn politischer Normcore-Fanatismus nicht | |
mehr reicht im Angesicht von Krieg und Krisen? | |
Dichter und Denker und Verwaltungsfachangestellte. Was man hier kann, | |
ist Management. Nicht nur in Unternehmen, auch in Krisen. Montag früh | |
landete der Branchennewsletter einer Jobplattform in meinem Postfach, von | |
dem ich mir einrede, er würde meinen Horizont erweitern: „Die deutsche | |
Automobilindustrie bewältigt Krisen bisher mit Bravour. Doch der Krieg in | |
der Ukraine trifft die Branche ins Mark.“ Klares Managementproblem. | |
Kabelbäume aus der Ukraine sind für deutsche Autobauende unverzichtbar. | |
Jetzt muss man aber verzichten. Shit. Zeitgleich wird das eingekesselte | |
Mariupol zur neuesten Schande europäischer Untätigkeit. | |
## Möglichst geringe Kosten | |
Wegverwalter und Rausorganisiererinnen. Ist ja nicht so, als täte man | |
nichts. Manche tun wirklich viel. Aber wenn wir Menschen live beim Sterben | |
zusehen können, tut man dann genug und das Richtige? Die Bundesregierung | |
wirkt gerade wie eine, die sich das alles möglichst wenig kosten lassen | |
will. Wie eine, die alles versucht, um den Krieg zu managen. Nicht wie | |
eine, die alles tut, um ihn zu beenden. | |
Man hat sich scheinbar damit arrangiert, auch die dringlichsten Probleme | |
unserer Zeit innerhalb der amtlich geltenden Bearbeitungszeiträume und nach | |
Prüfung aller Sachlagen und Risikominimierungsanalysen etwa im Jahr 2050 | |
mit einem zukunftsfähigen und kompromissbasierten Handlungskonzept | |
anzugehen. Klimakatastrophe, überlastetes Gesundheitssystem, Ungleichland – | |
wir schaffen das nicht, wir verwalten das. Und jetzt verwalten wir auch | |
Krieg, mal wieder. | |
Nicht mal das Sterben reicht also, die Angst der Deutschen vor Unwägbarkeit | |
und Radikalität zu überwinden. Ein Land klammert sich an seine | |
Wohlstandskäseglocke. Ein Bundeskanzler sagt „Zeitenwende“, aber ein echtes | |
Energieembargo bleibt aus. [2][Ein Ex-Bundespräsident findet, man müsse | |
frieren für die Freiheit.] Aber niemand fragt: „Würden Sie uns wieder | |
wählen, wenn wir Menschenleben für schützenswerter hielten als die schwarze | |
Null?“ Vielleicht, weil sie fürchten, die Antwort wäre nein. Vielleicht | |
haben sie recht. Doch wer sich Teil einer Wertegemeinschaft nennt, der | |
bräuchte andere Maximen als Nationalstaat first, Humanismus second. [3][Was | |
ein Kind fragt: Warum beendet niemand den Krieg?] | |
29 Mar 2022 | |
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[1] /Mit-Kindern-ueber-Krieg-sprechen/!5835382 | |
[2] /Ungleiche-Verteilung-von-Krisenkosten/!5836752 | |
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## AUTOREN | |
Lin Hierse | |
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