# taz.de -- Mit Kindern über Krieg sprechen: „Auf Augenhöhe begegnen“ | |
> Die Situation in der Ukraine beschäftigt auch die Kleinsten. Wie man | |
> altersgerecht über Krieg spricht, erklärt Romy Geiger von den | |
> Kindernachrichten beim ZDF. | |
Bild: Ein Kind steht am Sarg eines getöteten ukrainischen Soldaten am 22. Febr… | |
taz: Frau Geiger, wie erklärt man einem Kind, was ein Krieg ist? | |
Romy Geiger: Man sollte die Kinder nicht anlügen. Viel wichtiger ist, wie | |
man die Wahrheit beschreibt. Wenn man Krieg erklärt, dann sagt man | |
natürlich auch, dass Menschen gegeneinander kämpfen und sterben. Viele | |
Kinder haben Angst davor, dass der Krieg nach Deutschland kommt, dass ein | |
Weltkrieg ausbricht oder dass ihnen etwas passiert. Man sollte ihre Sorgen | |
ernst nehmen und ihnen auf Augenhöhe begegnen. Wir als | |
Kindernachrichtenredaktion versuchen aber immer, mit einem positiven | |
Ausblick aus dem Thema rauszugehen. Zum Beispiel erzählen wir dann, dass es | |
Menschen gibt, die sich für Hilfe einsetzen. So wollen wir auch in | |
schlimmsten Sachlagen Hoffnung geben. | |
Worauf achten Sie in Ihrer [1][Berichterstattung zum Krieg] besonders? | |
Kinder haben nur eine begrenzte Fähigkeit, Informationen aufzunehmen. | |
Irgendwann sind sie gesättigt und überfordert. Wir achten darauf, dass wir | |
die richtige Dosis an Informationen vermitteln und häppchenweise auf | |
konkrete Fragen Antworten geben. Außerdem schauen wir darauf, was die | |
Kinder für ein Vorwissen haben. Woran können wir anknüpfen? Da müssen wir | |
viel Grundlegendes erklären und einordnen. Wir können nicht davon ausgehen, | |
dass die Kinder wissen, was die Nato ist. | |
Besteht eine Verpflichtung, Kinder über das Weltgeschehen zu informieren? | |
Das liegt am Ende natürlich immer bei den Eltern. Wir bei „logo!“ glauben, | |
dass unsere Zielgruppe, also Kinder im Alter von 8–12 Jahren und auch | |
jüngere Kinder, ohnehin mitbekommt, dass gerade Krieg in der Ukraine ist. | |
Die haben ja oft auch eigenen Zugang zum Internet. Das können Eltern nicht | |
vollständig kontrollieren, selbst wenn sie das wollten. Das | |
Informationsbedürfnis ist also da. Jedes Kind ist von Natur aus neugierig | |
und will wissen, was da passiert. | |
Gerade schreckliche Nachrichten sollten wir dann einordnen: Was genau | |
geschieht da und was bedeutet das konkret für die Kinder selbst? Wir | |
empfehlen immer, dass Eltern gerade in solchen Situationen Nachrichten mit | |
ihren Kindern schauen und die Fragen der Kinder beantworten. Denn es wird | |
garantiert Fragen geben. Dabei können Eltern beobachten, wie ihre Kinder | |
das aufnehmen und wie sie reagieren. | |
Bilder können ein gutes Mittel sein, um Inhalte leicht zugänglich zu | |
machen. Im Falle eines Krieges entstehen aber auch sehr grausame Bilder. | |
Wie viel kann man Kindern zumuten? | |
Gerade beim Medium Fernsehen werden die Hauptbotschaften über Bilder | |
vermittelt. Umso sensibler müssen wir dann mit der Auswahl der Bilder | |
umgehen. Wir nehmen das sehr ernst, weil wir wissen, wie wahnsinnig | |
empathisch Kinder sind. Für sie ist es noch schrecklicher als für uns | |
Erwachsene, das Leid anderer zu sehen. Wir prüfen jedes Bild und Video sehr | |
genau darauf, ob es noch im Bereich des Erträglichen ist. Niemals würden | |
wir jemanden zeigen, der eine blutige Wunde hat und vor Schmerzen schreit. | |
Da sagen wir: Das ist zu heftig, das können wir den Kindern nicht zumuten. | |
Wenn sie das sehen, fühlen sie sich nur ohnmächtig und hilflos. Dieselbe | |
Botschaft kann man auch mit anderen Bildern darstellen, etwa mit einem | |
Krankenwagen oder einem Verwundeten, der bereits versorgt ist. Außerdem | |
achten wir auf die Bilder, die bei den Kindern im Kopf entstehen. Kinder | |
haben eine riesige Fantasie. Deswegen wählen wir unsere Formulierungen sehr | |
behutsam. | |
Immer wieder interviewen Kamerateams an der Grenze zur Ukraine auch Kinder, | |
die gerade auf der Flucht sind. Ist das aus Ihrer Sicht in Ordnung? | |
Es ist wichtig, auch die Erfahrung der Kinder zu zeigen. Und auch da | |
konkret zu schauen: Wie erleben sie die Flucht? Die Sichtbarkeit zu | |
erhöhen, ist prinzipiell erst mal gut. Aber natürlich sollte das immer in | |
einem Rahmen geschehen, in dem die Kinder nicht vorgeführt werden, sich | |
unwohl fühlen oder für irgendwas herhalten müssen. Es geht dabei immer um | |
das „Wie“. | |
Wir würden mit Sicherheit keine Drei- oder Vierjährigen befragen, sondern | |
eher Zehn- bis Zwölfjährige. Diese Kinder würden wir dann auch nicht nach | |
Russlands Präsident Putin oder ihrer politischen Einschätzung fragen. Im | |
Fokus stehen vielmehr ihre persönlichen Erfahrungen und wie es ihnen geht. | |
Das können Kinder in so einer Situation sehr wohl beantworten. Und es ist | |
auch wichtig, das zu hören. | |
Wo liegt die Grenze, ab der ein Interview mit einem Kind nicht mehr | |
gesendet wird? | |
Wenn das gezeigte Kind völlig verstört und apathisch ist. Wenn man denkt: | |
Dieses Kind braucht eigentlich Zuwendung und nicht eine Kamera, die es | |
weiter verschreckt. Einer solchen Situation wollen wir das Kind nicht | |
aussetzen. | |
Wird der [2][Schrecken eines Krieges] für zuschauende Kinder greifbarer, | |
wenn man betroffene Kinder dazu interviewt? | |
Ja, das ist sicherlich so. Ein Problem, das wir als | |
Kindernachrichtenredaktion immer haben, ist, dass alles so wahnsinnig | |
kompliziert und abstrakt ist. Aber je konkreter die Aussagen, desto | |
einfacher können Kinder sie nachvollziehen. Wenn ein Kind vor der Kamera | |
davon erzählt, dass es seit zwei Tagen Angst hat, dass es Panzer gesehen | |
und nicht viel gegessen hat, dass es völlig erledigt und müde ist – dann | |
ist das eine sehr konkrete Beschreibung von einem Kind in Kindersprache, | |
die zuschauende Kinder sehr gut nachvollziehen können. | |
Insofern machen wir den Krieg in dem Moment durch die Kinderstimmen | |
nahbarer. Im Fokus steht für uns dann die Frage: Wie geht es den Kindern in | |
anderen Ländern? Das ist eine Frage, die Kinder ab einem bestimmten Alter | |
stark interessiert. Sie wollen auch Anteil daran nehmen. Und das geht eben | |
nur, wenn sie informiert sind. Viele Kinder werden dann selbst aktiv. Sie | |
malen ukrainische Flaggen und kleben diese in ihr Fenster. Viele Schulen | |
fangen außerdem an, mit den Kindern Projekte dazu zu machen. Die Kinder | |
berührt die ganze Situation und sie wollen etwas unternehmen. Natürlich ist | |
das nur symbolisch. Aber es hilft beim Verarbeiten. | |
1 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Anna Meyer-Oldenburg | |
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