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# taz.de -- Politologe über Ukraine-Krieg: „Putins Pläne zusammengebrochen�…
> Der russische Machthaber habe Angst und sei wütend, sagt Politologe
> Waleri Solovej. Innenpolitisch verliere er zunehmend Rückhalt.
Bild: Putin sei von Größenwahn beseelt, sagt Weleri Solovej
taz: Herr Solovej, Sie stammen aus Stschaste in der Region Luhansk in der
Ukraine.
Waleri Solovej: Es ist eine Kleinstadt, die inzwischen schwer zerstört
wurde. Meine Mutter kam von dort. In den letzten Monaten war es klar, dass
es auf einen Krieg hinausläuft. Die Ukraine hat sich mental darauf
vorbereitet. Wladimir Putin begann den Krieg am 24. Februar und wollte am
27. bereits den Sieg verkünden.
Es kam aber anders.
Der politisch-moralische Zustand der Ukraine wurde unterschätzt und die
Kampfbereitschaft der russischen Armee überbewertet. Es klingt wie eine
Anekdote: Im Nordosten der Ukraine bei Tschernigow musste ein Panzer
anhalten, weil der Treibstoff ausgegangen war. Die Besatzung stieg aus und
fragte die Bevölkerung nach Reserven.
Die russische Armee ist nur auf dem Papier hundertprozentig vorbereitet.
Der Oberkommandierende Putin ging davon aus, dass der Westen noch Zeit
brauchen würde, um in die Gänge zu kommen. Er hatte vor, nach der Ukraine
auch Moldawien und Teile des Baltikums zu besetzen. Stattdessen verteidigt
die Ukraine inzwischen europäische Werte. Putin hat alle westlichen
Politiker hinters Licht geführt, betrogen. Scholz, Macron, Baerbock.
Das Treffen im russischen Sicherheitsrat mit Generalstabschef Walerij
Gerassimow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu letzte Woche Montag
hinterließ den Eindruck, der Oberkommandierende hätte den Kontakt zur
Wirklichkeit verloren.
Putins Pläne sind zusammengebrochen. Daher fuhr er aus Verzweiflung zuletzt
die Nukleardrohung auf. Die Sanktionen werden immer schärfer und härter.
Putin ist außer sich vor Wut. Alle fürchten ihn. Sie haben keine Angst, den
Job zu verlieren, sondern umgelegt zu werden. Die Einschüchterung des
Auslandsgeheimdienstchefs Sergei Naryschkin letzte Woche auf der Sitzung
des Sicherheitsrats gibt davon einen Eindruck.
Inzwischen geht Putin davon aus, zwischen dem 10. und 15. März die Invasion
abschließen zu können. Offensichtlich hofft er, in Kiew, Charkiw und Odessa
seine Leute einsetzen zu können. Ob das klappt? Wer wird bei Wahlen dort
für Putins Leute stimmen? Es gibt in der Ukraine keine Ella Pamfilowa (die
als Vorsitzende der Wahlkommission in Moskau den Wahlgang manipuliert) und
40 Millionen Wähler. Medwedtschuk, Putins Vertrauter in der Ukraine, ist
auch nicht mehr zu finden.
Ist Putin betrogen worden oder wollte er sich betrügen lassen?
Er ist ein Macho. 2014 und 2015 wollte er schon die Ukraine besetzen. Seine
Umgebung hielt ihn damals noch davon ab. Man würde es nicht schaffen, die
Ukraine zu besetzen, meinten sie damals. Jetzt zieht er den Krieg durch.
Das ist nicht nur grotesk, es geht am Ende auch auf den Ruf Russlands über,
und das weltweit. Putin spielt va banque. Er hoffte zunächst, der Westen
schließe die Augen. Schließlich hatte er die ganze Welt eingeschüchtert.
Jetzt sieht er blass aus und die Erkenntnis macht die Runde: Putin kann man
stoppen! Er hat unglaubliche Angst davor, wie Gaddafi in Libyen zu enden
oder auf der Anklagebank.
Aber Putin besitzt noch Macht, daran wird sich demnächst auch nichts
ändern.
Er ist von Größenwahn beseelt. Er „spürt seine Mission“, die ihn zu etwas
Großartigem verpflichtet, zur Veränderung der Geschichte. Die Sowjetunion
ist untergegangen, doch er wird sie wiedererrichten! Das hatte er sich
vorgenommen.
Stattdessen hagelt es Sanktionen und das Land wurde über Nacht zum
Aussätzigen ohne Geld. „Großartig, großartig“, bekräftigte ihn die Umge…
als Historiker, lange Zeit. So geht man mit einem Kranken um. Auch wenn
sich die historischen Kenntnisse auf dem Niveau sowjetischer Lehrbücher
bewegen. Dennoch: Viele Menschen halten trotz allem zu ihm.
Wie wird Moskau gegen das Ende des Technologietransfers aus dem Westen
vorgehen? Die Militärs sind davon die nächsten zwei Jahre nicht betroffen.
Die haben rechtzeitig vorgesorgt.
Wirtschaftliche und politische Katastrophen sind jedoch vorprogrammiert.
In Russland wird nun häufig davon gesprochen, dass das Land mindestens
500.000 Mann mobilmachen müsse.
Wie die Amerikaner im Irakkrieg verfolgt auch Russland den Krieg lieber am
Computer. Generalmobilmachung wegen der Ukraine würde die Menschen gegen
den Kreml aufbringen. Anfang des 20. Jahrhunderts hatten russische Familien
sieben oder acht Söhne. Heute vielleicht noch einen. Zu solchen Opfern ist
die Gesellschaft nicht mehr bereit.
1 Mar 2022
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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