| # taz.de -- Fluchthelfer*innen in Berlin: Behörden schaffen es nicht alleine | |
| > Bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine ist das Land auf die | |
| > Hilfe von Ehrenamtlichen angewiesen – wieder einmal. Ein Wochenkommentar. | |
| Bild: Helfer*innen versorgen Flüchtlinge aus der Ukraine am Berliner Hauptbahn… | |
| Es ist beeindruckend, wie zuverlässig und effizient sich viele | |
| Berliner*innen zur Zeit als Fluchthelfer*innen engagieren. Am | |
| Hauptbahnhof etwa ist innerhalb weniger Tage ein [1][inoffizielles | |
| Ankunftszentrum] entstanden. Rund um die Uhr weisen Freiwillige den | |
| ankommenden Flüchtlingen aus der Ukraine den Weg. | |
| Wer ankommt, um den Flüchtlingen zu helfen, bringt oft Snacks, Wasser oder | |
| so banale Dinge wie Ausdrucke mit Wegbeschreibungen mit. Die Freiwilligen | |
| verteilen Essensspenden, Hygieneartikel und heißen Tee; sie bieten | |
| Orientierung für alle, die in Berlin bleiben wollen und Informationen und | |
| Übersetzungen für diejenigen, die weiterreisen möchten. | |
| Gleichzeitig ist es erschreckend, dass es erneut vor allem Ehrenamtliche | |
| sind, die die [2][Erstversorgung der Hilfesuchenden] übernehmen. Das weckt | |
| schnell Erinnerungen an die [3][Bilder aus dem Jahr 2015 vor dem Lageso in | |
| der Moabiter Turmstraße], wo täglich hunderte Flüchtlinge unter | |
| unwürdigsten Bedingungen auf Unterkunft, Registrierung und Leistungen | |
| warten mussten – oft vergeblich, weil die Behörden komplett überfordert | |
| waren. | |
| Auch damals gaben Ehrenamtliche Essen und Spenden aus und organisierten für | |
| die nachts ankommenden Menschen Schlafplätze. Entsprechend alarmiert ist | |
| der Ton denn auch in den Chatgruppen, über die sich die Helfer*innen | |
| organisieren, zum Beispiel wenn durchsickert, dass am offiziellen | |
| Ankunftszentrum des Landes in Reinickendorf Menschen warten müssen, die | |
| vorher eigens mit den Bussen dort hingebracht wurden. | |
| Doch Vieles ist aktuell auch ganz anders. Die meisten [4][Strukturen sind | |
| besser]: Als Konsequenz aus dem Behördenversagen 2015 ist die Aufnahme und | |
| Versorgung von Flüchtlingen in einem [5][eigenen Landesamt neu organisiert] | |
| worden. Und die Haltung ist eine andere: Am Lageso 2015 herrschte der | |
| Eindruck vor, dass die Politik dort absichtlich abschreckende Bilder | |
| erzeugen wollte. Die Verantwortlichen behandelten die freiwilligen | |
| Unterstützer*innen häufig wie Gegner*innen. | |
| Heute geben sie im Senat offen zu, dass das Land [6][ohne die | |
| Ehrenamtlichen in der aktuellen Lage komplett aufgeschmissen] wären – nicht | |
| zuletzt bei der Schlafplatzsuche. [7][Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) | |
| drückt den Ehrenamtlichen bereits wenige Tage nach Beginn der Krieges ihre | |
| Dankbarkeit] aus. Ihre Verwaltung bemüht sich offenkundig, die Angebote der | |
| Ehrenamtlichen zu ergänzen – etwa, indem sie mit der BVG regelmäßige Busse | |
| zwischen den Bahnhöfen und dem Ankunftszentrum einrichten. Und am | |
| Donnerstagabend besuchte Kipping gemeinsam mit der Regierenden | |
| Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) das Ankunftszentrum der Freiwilligen | |
| am Hauptbahnhof, um sich deren Arbeit zeigen zu lassen. | |
| ## Die Politik muss die Netzwerke der Ehrenamtlichen nutzen | |
| Die Politik muss nun mit dem Engagement auch verantwortungsvoll umgehen. | |
| Sie sollte sie – weiterhin – auf Augenhöhe einbinden und das [8][Wissen und | |
| die Netzwerke, die insbesondere seit 2015 entstanden] sind, nutzen. | |
| Die Vergabe privater Unterkünfte geschieht zur Zeit etwa, indem | |
| [9][Anbieter*innen mit Pappschildern zum Bahnhof kommen]. Doch was, | |
| wenn Flüchtlinge, die schon eine Woche in Berlin sind, einen neuen | |
| Schlafplatz brauchen? Für sie müssen über Schlafplatzbörsen Strukturen | |
| geschaffen werden, über die Anbieter*innen und Hilfesuchende | |
| zusammenfinden können. | |
| Gleichzeitig muss die Politik gewährleisten, dass diejenigen, die sich | |
| engagieren, sich nicht selbst überfordern und ausbrennen. Denn allein am | |
| Donnerstag sind [10][offiziell mehr als 6.000 Menschen in Berlin | |
| angekommen, inoffiziell waren es vermutlich mehr]. Auch das Zahlen, die mit | |
| 2015 nicht zu vergleichen sind – damals kamen zu Hochzeiten rund 1.000 | |
| Menschen pro Tag in Berlin an. Das zeigt: auch diese Aufgabe ist immens. | |
| 5 Mar 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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