# taz.de -- Haushaltsdebatte im Bundestag: Auf Sand gebaut | |
> Die Ampel bringt den Haushalt für 2022 ein. Wesentliche Ausgaben fehlen, | |
> etwa die Kosten des Ukraine-Krieges. Linke warnt vor Kürzungen im | |
> Sozialen. | |
Bild: Es geht um Kohle: Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner am 22.3. im B… | |
Berlin taz | Von einer Rückkehr zur Normalität sprach FDP-Finanzminister | |
Christian Lindner, als er am Dienstag den Haushaltsentwurf für das Jahr | |
2022 einbrachte. Dabei steht ausgerechnet dieser erste Haushalt der | |
Ampel-Regierung im Zeichen dreier Krisen: Ukraine, Klima und Corona. | |
Krisen, deren finanzielle Folgen zum Teil noch gar nicht abzuschätzen sind. | |
Entsprechend groß sind auch die in den Haushaltsentwurf eingebauten | |
Unschärfen. Alexander Dobrindt von der Unionsfraktion nannte ihn gar einen | |
Haushalt, den es zu erraten, nicht zu beraten gelte. | |
Der Entwurf sieht bislang Ausgaben in Höhe von fast 460 Milliarden Euro | |
vor, 100 Milliarden davon finanziert durch neue Schulden. Doch ob das im | |
Juni, wenn der Bundestag den Haushalt beschließen soll, noch gilt, ist mehr | |
als fraglich. | |
Denn unklar ist bislang, wie viel die Versorgung der Menschen kosten wird, | |
die aus der Ukraine flüchten, unklar ist auch, wie viel Deutschland für die | |
Unterstützung der Ukraine einschließlich des Kaufs von Waffen insgesamt | |
ausgeben wird. Und: Derzeit berät die Ampel auch [1][über weitere | |
Entlastungen für Menschen und Unternehmen], die unter den hohen | |
Energiepreisen ächzen. Wie viel das kostet, wird man ebenfalls sehen. Die | |
Ampel hat deshalb schon einen Ergänzungshaushalt angekündigt. Die | |
Parlamentarier:innen werden also über weitere Ausgaben abzustimmen | |
haben. | |
Mit Normalität meinte Lindner denn vor allem das, was er für die | |
finanzpolitische Normalität hält, nämlich die Rückkehr zur | |
„Angebotspolitik“ und zum Modus, „den Wohlstand erst zu erarbeitet, bevor | |
er verteilt werden kann. Und das bedeute, „alles zu vermeiden, was Menschen | |
und Betriebe weiter belasten könnte“. Sprich: Keine Steuererhöhungen. | |
## Linke prognostiziert Kürzungen in der Sozialpolitik | |
Gleichzeitig will Lindner die Schuldenbremse, die derzeit noch wegen der | |
Coronapandemie ausgesetzt ist, ab dem kommenden Jahr wieder einhalten. Dann | |
darf sich der Staat nur noch 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts leihen, | |
etwa ein Zehntel der in diesem Jahr geplanten Kreditsumme. Die | |
haushaltspolitische Sprecherin der Linken, Gesine Lötzsch, prognostizierte | |
für den Fall bereits Kürzungen in der Sozialpolitik. | |
Ganz unbegründet ist die Furcht nicht. Laut Haushaltsentwurf geht die | |
Bundesregierung in diesem Jahr von einer Erholung der Wirtschaft, | |
rückläufigen Arbeitslosenzahlen und entsprechend weniger Ausgaben aus. So | |
sind im Etat für Arbeit und Soziales fast sieben Milliarden Euro weniger | |
für arbeitsmarktpolitische Leistungen und Programme geplant, nämlich 42 | |
Milliarden Euro statt 48,8 Milliarden. Was aber, wenn die wirtschaftliche | |
Erholung in Folge des russischen Krieges gegen die Ukraine und der | |
beschlossenen Sanktionen gegen Russland ausfällt? Der | |
arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, warnt | |
vor Kürzungen in diesem Bereich: „Wenn wir die Gesellschaft zusammenhalten | |
wollen, dürfen wir nicht ausgerechnet bei denjenigen den Rotstift ansetzen, | |
die am wenigsten haben.“ | |
Nicht im Haushalt taucht das geplante Sondervermögen für die Bundeswehr | |
auf. Die geplanten 100 Milliarden Euro sollen in einem extra Topf gebunkert | |
und in der Verfassung verankert werden. So will die Ampel in den kommenden | |
Jahren die Schuldenbremse umgehen. | |
## Union will 2-Prozent-Ziel in Verfassung schreiben | |
Für eine Verfassungsänderung braucht die Ampel jedoch die Stimmen der | |
Union, und die will nicht, dass das Ziel, künftig 2 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, nur über diesen Trick | |
erreicht wird. Helge Braun, CDU, Vorsitzender des Haushaltsausschusses, | |
sagte der taz: „Wenn die Union der Grundgesetzänderung zustimmen soll, | |
müssen wir die Einhaltung des 2-Prozent-Ziels dauerhaft vereinbaren und im | |
Kernhaushalt abbilden. Wir müssen die Bundeswehr strukturell stärken und | |
vertragstreuer Bündnispartner werden.“ | |
2 Prozent des BIP entsprächen derzeit rund 70 Milliarden Euro und damit 20 | |
Milliarden Euro mehr als bislang im Haushalt für die Bundeswehr | |
veranschlagt. Geld, das irgendwo gekürzt werden müsste. | |
22 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Wegen-gestiegener-Energiepreise/!5842663 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
## TAGS | |
Finanzen | |
Haushalt | |
Christian Lindner | |
Bundeswehr | |
Sozialpolitik | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
Finanzen | |
Bundestag | |
Desiderius-Erasmus-Stiftung | |
IG | |
Das Milliardenloch | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Generaldebatte im Bundestag: Kein Burgfrieden in Kriegszeiten | |
Friedrich Merz attackiert die FDP und stellt Bedingungen für das Unions-Ja | |
zum Milliarden-Bundeswehr-Deal. Der Kanzler versucht zu beruhigen. | |
Haushalt für Entwicklung: Jeder achte Euro soll wegfallen | |
Die Regierung will die Entwicklungshilfe um 1,6 Milliarden Euro kürzen. | |
Ministerin Schulze hofft auf eine nachträgliche Steigerung. | |
Bundestag debattiert um Haushalt: „Krise als Anstoß zum Aufbruch“ | |
Kanzler Scholz verteidigt die Aufrüstung der Bundeswehr und tadelt Lindners | |
Tankrabatt. Friedrich Merz wirft Scholz Zögern im Ukraine-Krieg vor. | |
Kein Geld für AfD-Stiftung: Steinbach und Erasmus bleiben arm | |
Der Bundeshaushalt 2022 sieht keine Förderung für die AfD-nahe | |
Erasmus-Stiftung vor. Die Stiftung verklagt den Haushaltsausschuss des | |
Bundestages. | |
20-Euro-Zuschlag für arme Kinder: Es braucht mehr Verteilungdebatten | |
Angesichts von Krieg und Corona droht eine Konkurrenz zwischen | |
Leistungsempfänger:innen. Sie dürfen nicht den Preis der immensen | |
Mehrkosten bezahlen. | |
Erster Bundeshaushalt der Ampel: Lindner hofft auf Ende der Notlage | |
Die Regierung nimmt viel mehr Schulden auf als beabsichtigt. Als Reaktion | |
auf Krieg und Inflation soll bald ein Ergänzungshaushalt folgen. |