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# taz.de -- Generaldebatte im Bundestag: Kein Burgfrieden in Kriegszeiten
> Friedrich Merz attackiert die FDP und stellt Bedingungen für das
> Unions-Ja zum Milliarden-Bundeswehr-Deal. Der Kanzler versucht zu
> beruhigen.
Bild: Bundeskanzler Olaf Scholz gibt den Staatsmann
Berlin taz | Man mag von Friedrich Merz halten, was man will – für die
Debattenkultur im Bundestag ist er ein Geschenk. In der Generaldebatte fiel
der Unionschef spontan über die FDP her. Merz herrschte die FDP-Politikerin
Agnes Strack-Zimmermann an, sie solle sich gefälligst mit Zwischenrufen
zurückhalten. Sonst „diskreditiere sie sich als Vorsitzende des
Verteidigungsausschusses“. Warum sachlich, wenn es auch persönlich geht?
Zwischen Union und FDP fliegen die Fetzen, die Gereiztheit im früheren
bürgerlichen Lager ist hoch. Kein Unionsredner versäumt es,
FDP-Finanzminister Lindner unter die Nase zu reiben, dass dessen so solider
Haushalt mittlerweile aus vier Etats besteht. Dem Bundeshaushalt, den 100
Milliarden Euro Sondervermögen Bundeswehr, den 60 Milliarden Euro
Kreditermächtigungen, die aus der Coronahilfe umgebucht wurden, und dem
Nachtragshaushalt, der demnächst kommt. Die FDPler konterten süffisant,
dass die miese Lage der Bundeswehr vielleicht auch mit 16 Jahren
unionsgeführtem Verteidigungsministerium zu tun haben könnte.
Mit Merz steigt das Polemik- und Unterhaltungsniveau im Parlament
jedenfalls erheblich. Seine Kernaussage adressierte er an die
Ampelregierung: Es gibt keinen Burgfrieden. Am 27. Februar hatte die
Unionsfraktion noch stehend dem Kanzler applaudiert. Jetzt reichte Merz
sechs politische Bedingungen für die Beteiligung der Union an der ganz
großen Aufrüstungskoalition nach. Die sind hart.
Alle Ampelabgeordneten müssten dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen
zustimmen, das mit Zweidrittelmehrheit im Grundgesetz fixiert werden soll,
so Merz. Das Geld dürfe nur für die Bundeswehr verwendet werden – für
nichts sonst. Die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge wies zart darauf
hin, dass nicht nur Raketen und warme Unterwäsche, sondern auch
[1][Cybersicherheit] dazu gehört und man sich mit dem Sicherheitsbegriff
der Nato befassen könne. Es gibt mit der Union noch einigen Klärungsbedarf.
Merz zieht Grenzen. Auch bei der Impfpflicht werde die Union der Ampel, der
die eigene Mehrheit fehlt, nicht helfen. Die härteste seiner Forderungen in
Sachen 100 Milliarden für die Bundeswehr lautet: Die Union werde nur
zustimmen, wenn dauerhaft mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für
Militär ausgegeben werden. Also auch, wenn in fünf Jahren die 100
Milliarden Euro ausgegeben sind. „Das ist die Voraussetzung für eine
gemeinsame Lösung“, so Merz.
Wie diese Forderung, Aufrüstung für immer, umgesetzt werden soll, per
Gesetz oder gar als Teil der Grundgesetzänderung, bleibt offen. Für Merz
scheint es aber mit einer unverbindlichen Willensbekundung nicht getan zu
sein. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich gibt umgehend zu bedenken, ob es
wirklich klug ist, 2022 allen „künftigen Generationen vorzuschreiben, wie
hoch die Rüstungsausgaben sein sollen“.
Olaf Scholz lächelt auf der Regierungsbank unter seiner Maske Merz’
Angriffe weg. Am Pult sagt er generös: „Lieber Herr Merz, wir werden über
die Ausgestaltung reden und eine gemeinsame Sache machen.“ Das klingt
harmlos, enthält aber den Hinweis, dass die Union es sich kaum leisten
kann, den 100-Milliarden-Euro-Deal platzen zu lassen, weil sie mal
Opposition spielen will.
## Scholz begründet die Ampelpolitik klar
Der Kanzler spannt in seiner Rede einen größeren Bogen als Merz und
begründet, für seine Verhältnisse klar, die Ampelpolitik. Die Sanktionen
gegen Putin würden wirken, jetzt zusätzlich alle Gasleitungen zu kappen,
würde „uns mehr treffen als die russische Führung“. Man beschleunige zudem
den klimaneutralen Umbau nach der Devise: „Jetzt erst recht und nicht erst
mal langsam.“ Mit Katar versuche man außerdem der Energieabhängigkeit von
Russland zu entkommen.
Scholz’ Umfeld weist derzeit gerne darauf hin, dass Scholz Anfang 2021
versuchte, US-Flüssiggas nach Deutschland zu importieren. Damals war die
Empörung über diesen Deal mit dem dreckigen Frackinggas groß. Von heute aus
betrachtet sieht das anders aus.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bescheinigt der Ampel wegen des
Katar-Geschäftes „Doppelmoral“. Die Grünen hätten vor Kurzem dem umworbe…
Katar noch die Fußball-WM wegnehmen wollen.
Scholz sendet nach der kernigen, ja martialischen Rede am 27. Februar
beruhigende Botschaften, die Ängste vor einer Eskalation der Gewalt
besänftigen sollen. Es werde keine Flugverbotszone und [2][kein
militärisches Eingreifen] in der Ukraine geben. Diese Position ist nicht
neu – neu ist, wie klar der Kanzler dies formuliert. „Die Nato wird nicht
Kriegspartei“, sagt er. Das sei im Westen Konsens. Scholz neigt wie Merkel
gern zum Undeutlichen, Offenen und Unverbindlichen. Hier nicht.
23 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Stefan Reinecke
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