| # taz.de -- Aufrüstung der Bundeswehr: Welche Waffen sollen es sein? | |
| > Mittels eines Sondervermögens soll die Bundeswehr erheblich besser | |
| > ausgerüstet werden. Zehn Punkte von einer langen Einkaufsliste. | |
| Bild: Kann Deutschland nicht flächendeckend schützen: ein „Arrow 3“-Abfan… | |
| Die Union pokert noch um die Details, die Ampel ist aber entschlossen: | |
| Durch eine Grundgesetzänderung will sie ein Sondervermögen für die | |
| Bundeswehr schaffen und Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro aufnehmen. | |
| Dem zugehörigen Gesetzesentwurf zufolge soll das Geld in „bedeutsame und | |
| insbesondere komplexe Ausrüstungsvorhaben“ fließen. Dazu kommen die Mittel | |
| aus dem jährlichen Verteidigungshaushalt, der auf über 50 Milliarden Euro | |
| im Jahr steigt. Allein 2021 sind über 12 Milliarden Euro davon für | |
| Beschaffungen sowie die Entwicklung neuer Waffen und Ausrüstungsgegenstände | |
| vorgesehen. | |
| Ein stolzes Budget. Was dafür auf der Einkaufsliste steht? Einige Projekte | |
| sind schon im Haushaltsentwurf für dieses Jahr vorgesehen, die Gespräche | |
| über alle weiteren Projekte laufen noch. Hier sind erst mal zehn davon. | |
| 1. Über den Iron Dome wurde in den vergangenen Tagen viel gesprochen. Anne | |
| Will fragte in ihrer Talkshow den Bundeskanzler nach dem israelischen | |
| Raketenabwehrsystem, Scholz schloss nichts aus. Ein [1][Iron-Dome-System] | |
| besteht aus einem Radar (das angreifende Raketen im Anflug identifiziert), | |
| einer Kontrollstation (die den Einschlagpunkt berechnet) und Abwehrraketen | |
| (die von Lkw-Ladeflächen aus starten und anfliegende Raketen in der Luft | |
| vernichten). | |
| Dass sich Deutschland am Ende tatsächlich einen Iron Dome anschafft, ist | |
| allerdings unwahrscheinlich. Das System ist gut geeignet für die | |
| Verteidigung eines kleinen Landes gegen kleine Raketen aus kurzer | |
| Entfernung, im Falle Israels vor allem aus dem Gazastreifen. In Deutschland | |
| geht die Gefahr von größeren Raketen aus größerer Entfernung aus, sprich: | |
| aus Russland. Die Verteidigungsfähigkeiten dagegen sind im Moment gering. | |
| Von ihrem Flugabwehrsystem Patriot besitzt die Bundeswehr nur zwölf | |
| Staffeln mit jeweils bis zu acht Abschussgeräten (früher waren es schon mal | |
| 36 Staffeln) und hat dafür verhältnismäßig wenige Raketen auf Vorrat. | |
| Einzelne Orte könnten damit für einen überschaubaren Zeitraum gegen | |
| Angriffe geschützt werden, mehr nicht. Raketen, in sehr großer Höhe (bis zu | |
| 100 Kilometer) liegen außerdem außerhalb der Reichweite. | |
| Dafür kämen eher Systeme wie das israelische Arrow 3 infrage, das in dieser | |
| Woche ebenfalls im Gespräch war. Allerdings: Flächendeckend könnte | |
| Deutschland auch damit nicht geschützt werden – oder zumindest nur beim | |
| Kauf einer sehr hohen Stückzahl. Die 2 Milliarden Euro Anschaffungskosten, | |
| von denen die Bild schrieb, würden dafür nicht ausreichen. Perfekten Schutz | |
| bietet ohnehin kein System; erfolgt ein Angriff mit vielen Raketen | |
| gleichzeitig, kommen fast immer welche durch. Und am Ende wird es hier | |
| vielleicht nicht um eine nationale Entscheidung gehen, sondern um eine | |
| länderübergreifende zum Schutz des ganzen Nato-Gebiets. | |
| 2. Schon viel weiter ist man beim Kauf neuer Transporthubschrauber. Der | |
| aktuelle Haushaltsentwurf sieht vor, dafür bis zum Ende des Jahrzehnts rund | |
| 5 Milliarden Euro zu reservieren. Die neuen Hubschrauber sollen den CH-53 | |
| ersetzen – das bisherige Modell der Bundeswehr, das aus den 1970er Jahren | |
| stammt und so oft ausfällt wie kein anderes Fluggerät der Luftwaffe. Wenn | |
| er mal fliegt, kann er bis zu 36 Soldat*innen oder Lasten bis zu 7 | |
| Tonnen transportieren. Benötigt werden solche Hubschrauber in diversen | |
| Kriegsszenarien, eingesetzt wird der [2][CH-53] aber auch bei Katastrophen | |
| wie Hochwasser. Ein Vergabeverfahren für das Nachfolgemodell lief | |
| eigentlich schon längst, wegen vieler deutscher Sonderwünsche wurden die | |
| Angebote aber zu teuer. Vor anderthalb Jahren stoppte das | |
| Verteidigungsministerium schließlich den Prozess. Stattdessen kommt jetzt | |
| wohl ein Standardmodell ohne Sonderwünsche, zwei US-Hersteller sind dafür | |
| im Rennen. | |
| 3. Die Korvette K130 ist ein Kriegsschiff mittlerer Größe. Im Auftrag der | |
| UN kontrolliert die Marine damit das Waffenembargo gegen den Libanon, im | |
| Verbund mit der Nato patrouillieren die Korvetten durch Nord- und Ostsee – | |
| derzeit verstärkt. Fünf Stück wurden in den Nullerjahren bestellt und | |
| zunächst mit großen Mängeln geliefert, fünf weitere sind derzeit für 2 | |
| Milliarden Euro in Herstellung. Noch mal fünf weitere könnten jetzt folgen | |
| und die erste Fuhre ersetzen, die offenbar schon großen Überholungsbedarf | |
| hat. | |
| 4. Besonders teuer könnte die Beschaffung neuer Munition werden: In einer | |
| Wunschliste des Verteidigungsministeriums aus dem Herbst waren 20 | |
| Milliarden Euro vorgesehen, um langfristig über alle Waffengattungen hinweg | |
| die Vorräte aufzufüllen. Für den Kriegsfall sollten die Reserven 30 Tage | |
| ausreichen, heißt es oft. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums gibt | |
| es diesen starren Richtwert aber nicht mehr. Stattdessen werde für jedes | |
| Waffensystem der Vorrat individuell auf Grundlage von Nato-Vorgaben | |
| berechnet – und die seien vertraulich. | |
| 5. Probleme mit der persönlichen Ausrüstung der Soldat*innen wurden in | |
| den letzten Jahren zum Teil gelöst. Die alten Kampfstiefel zum Beispiel, | |
| die beim Marschieren oft [3][Blasen] verursacht haben, sind seit 2021 | |
| passé. Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl, verzeichnet in ihrem | |
| Jahresbericht auch Fortschritte bei Schutzwesten und bei der | |
| Kälteschutzkleidung für Gebirgsjäger. Anderswo fehlten aber weiterhin | |
| Ausrüstungsgegenstände wie warme und trockene Kleidung – und die | |
| vorhandenen Regenjacken sind unbeliebt, weil Taschen fehlen und das | |
| Material veraltet ist. Dieses Problem wird allerdings nicht primär durch | |
| die Einführung des Sondervermögens gelöst werden. Die Kosten für neue | |
| Klamotten sind im Vergleich zu Jets, Panzern und Raketen schließlich | |
| überschaubar. „Das Problem liegt auch im Beschaffungssystem, nicht nur am | |
| Geld“, sagte Högl bei der Vorstellung ihres Berichts. | |
| 6. Der Marder gehört zu den Oldtimern der Bundeswehr, verwendet wird er | |
| seit 1971. Als Schützenpanzer ist er dafür gedacht, Infanteristen geschützt | |
| ins Gefecht zu transportieren und ihnen dort mit seiner Kanone | |
| Feuerunterstützung zu geben. | |
| Zur Hälfte ist der Marder mittlerweile durch den neuen Schützenpanzer Puma | |
| ersetzt, die verbliebenen 382 Exemplare werden in den nächsten Jahren auch | |
| aussortiert werden: Im aktuellen Haushaltsentwurf sind über die nächsten | |
| Jahre verteilt rund 4 Milliarden Euro für eine zweite Fuhre Puma-Panzer | |
| vorgesehen. Die Entwicklung des Puma hatte länger gedauert als ursprünglich | |
| geplant und wurde teurer als veranschlagt, unter anderem auch hier durch | |
| Sonderwünsche aus der Politik. Die bereits ausgelieferten Exemplare müssen | |
| schon jetzt nachgerüstet werden. Zumindest aber könnten in Zukunft die | |
| laufenden Kosten sinken, wenn tatsächlich alle Marder ersetzt sind und sich | |
| die Bundeswehr auf den Betrieb eines Schützenpanzers konzentriert. | |
| 7. Länger dauern wird es bis zur Inbetriebnahme neuer Kampfpanzer. Was | |
| Kampfpanzer von Schützenpanzern unterscheidet? Sie sind stärker bewaffnet | |
| und gepanzert, dafür nicht zum Transport von Truppen konzipiert. Die | |
| Bundeswehr nutzt aktuell den Leopard 2, der im Kalten Krieg entworfen | |
| wurde. Es gibt ihn in verschiedenen Varianten, die technisch nicht auf dem | |
| Stand der 1970er stehen geblieben sind. Die Bundeswehr lässt nun viele | |
| ihrer Exemplare modernisieren. | |
| Trotzdem soll der Leopard 2 irgendwann durch einen ganz neuen Kampfpanzer | |
| ersetzt werden. Unter dem Projektnamen Main Ground Combat System (MGCS) | |
| arbeiten Deutschland und Frankreich gemeinsam an der Entwicklung. Solche | |
| gemeinsamen Projekte könnten dabei helfen, Geld effizienter einzusetzen: | |
| Wenn nicht jedes europäische Land seine eigenen Modelle baut, könnte der | |
| Stückpreis sinken – vorausgesetzt, das Projekt wird nicht durch | |
| Sonderwünsche von allen beteiligten Seiten überfrachtet. | |
| Was das MGCS im Detail können soll, ist noch unklar. Die Gesamtkosten sind | |
| auch noch ungewiss, die Fertigstellung ist für 2035 geplant, aber nicht | |
| garantiert. Übrigens: Russland hat mit dem T-14 schon 2014 einen | |
| Kampfpanzer der nächsten Generation fertiggestellt. Weil das Geld fehlte, | |
| hat sich die Serienproduktion aber verzögert. | |
| 8. Er bombardierte Ziele in Jugoslawien, flog zur Einschüchterung im | |
| Tiefflug über das Camp der G8-Gegner*innen in Heiligendamm und lieferte | |
| Aufklärungsbilder aus Afghanistan sowie dem Irak: Der Tornado ist seit den | |
| 1980er Jahren zu diversen Zwecken im Einsatz. Lange ist der Kampfjet aber | |
| nicht mehr zu gebrauchen, die Wartung der 93 Exemplare ist mittlerweile | |
| sehr aufwendig. | |
| Zum Teil sollen sie in den nächsten Jahren durch amerikanische F-35-Jets | |
| ersetzt werden. Der Bundestag hat zwar noch nicht zugestimmt, | |
| Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat sich mit dem Segen des | |
| Bundeskanzlers aber schon festgelegt. Sie will bis zu 35 Stück beschaffen, | |
| die von den Tornados unter anderem deren Rolle in der nuklearen Teilhabe | |
| der Nato übernehmen sollen. Sprich: im Ernstfall US-Atombomben aufnehmen | |
| und abwerfen. | |
| Der Tarnkappenjet ist hochmodern und wird auch von mehreren anderen | |
| Nato-Staaten eingesetzt. Dadurch könnten im Betrieb bestenfalls | |
| Synergieeffekte entstehen. Allerdings ist der F35 in der Beschaffung extrem | |
| teuer. Die genauen Kosten sind noch unklar, die Schweiz bezahlt für 36 | |
| Exemplare aber 6 Milliarden Euro. Wenn es blöd läuft, könnte die F35 | |
| außerdem die Pannenserie der Bundeswehr fortsetzen: Wegen zahlreicher | |
| Mängel und immenser Unterhaltskosten hat die US-Regierung gerade erst ihre | |
| eigenen Bestellungen zurückgefahren. Günstiger und zuverlässiger wäre die | |
| F18 gewesen, die ebenfalls lange im Gespräch war, für den Einsatz von | |
| Atomwaffen aber erst umgerüstet werden müsste. | |
| 9. Zusätzlich zu den F-18 will Lambrecht 15 zunächst weiterentwickelte | |
| Eurofighter kaufen, die Kosten dafür werden wohl deutlich über 1 Milliarde | |
| Euro liegen. Um die komplette Tornado-Flotte zu ersetzen, werden wohl noch | |
| weitere Bestellungen nötig sein. Ein neuer Hightech-Jet unter dem | |
| Projektnamen FCAS, an dem Deutschland, Spanien und Frankreich gemeinsam | |
| arbeiten, wird frühestens 2040 fertig. | |
| 10. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel darauf geeinigt, die | |
| Bundeswehrdrohnen vom Typ Heron TP zu bewaffnen. Fünf dieser Drohnen hat | |
| die Bundeswehr seit 2018 und bis 2027 aus Israel geleast, die Mietkosten | |
| betragen insgesamt rund 1 Milliarde Euro. Die Bewaffnung ist relativ | |
| unkompliziert möglich. Langfristig soll die Heron aber durch die Eurodrohne | |
| ersetzt werden, die derzeit als Gemeinschaftsprojekt entwickelt wird. Für | |
| die Beschaffung von 21 Exemplaren, zunächst ohne Bewaffnung, hatte noch die | |
| Große Koalition 3 Milliarden Euro freigegeben. Kommen jetzt Raketen hinzu, | |
| gibt es Probleme in der Entwicklung oder sind noch mehr Systeme gewünscht, | |
| wird der Betrag steigen. | |
| Korrektur (4. April 2022): In einer ersten Version des Textes stand, die | |
| Bundeswehr verfüge über zwölf Stück der Patriot-Flugabwehrsysteme. | |
| Tatsächlich sind es zwölf Staffeln mit jeweils bis zu acht Abschussgeräten. | |
| 3 Apr 2022 | |
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| Tobias Schulze | |
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