| # taz.de -- Kryptowährungen und Cybercrime: Virtuelle Geldwäsche | |
| > Kryptowährungen spielen bei der Abwicklung von Cyber-Kriminalität eine | |
| > bedeutende Rolle. Die EU-Kommission will das eindämmen. Ein Überblick. | |
| Bild: Cyber-Kriminalität profitiert von Kryptowährungen | |
| ## Die Methoden | |
| Genauso wie es bei Wandfarben oder Hosenschnitten regelmäßig neue Trends | |
| gibt, denken sich auch Cyberkriminelle immer wieder neue Arten aus, um an | |
| Geld zu kommen. Und auch hier gilt: Manchmal haben Methoden wieder | |
| Konjunktur, die schon Jahre zuvor in Mode waren, und verdrängen andere. | |
| Während die in den vergangenen Jahren beliebten Ransomware-Attacken | |
| vergleichsweise wieder an Umfang verlieren, macht [1][der aktuelle Bericht | |
| des Blockchain-Dienstleisters Chainalysis] nun zwei neue Trends aus: Scam – | |
| eine Art von Betrug – und Diebstahl. | |
| Bei den Betrugsfällen etablierte sich ein neuer Zweig, bei dem die | |
| Kriminellen scheinbar legitime Kryptowährungsprojekte aufbauen und, wenn | |
| genug Menschen investiert haben, mit dem Geld verschwinden. „Rug Pull“ | |
| heißt die Masche, analog zum schnellen Wegziehen eines Teppichs. Beim | |
| Cyber-Diebstahl boomt unter anderem eine Methode, die Preismanipulationen | |
| beinhaltet. | |
| Grundsätzlich gilt: Je mehr Menschen Kryptowährungen und damit verbundene | |
| Projekte und Plattformen nutzen – etwa weil sie in der Niedrigzinsphase | |
| eine Alternative zum Sparkonto suchen –, desto vielversprechender werden | |
| solche Angriffe für Kriminelle. | |
| ## Die Geldsummen | |
| 2021 war ein Rekordjahr – mal wieder. Der Chainalysis-Report beziffert die | |
| Summe, die im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit illegalen Aktivitäten | |
| und in Kryptowährungen transferiert wurde, auf umgerechnet rund 12 | |
| Milliarden Euro, das sind 79 Prozent mehr als 2020. Aber: Gemessen an der | |
| gesamten Transaktionssumme von Kryptowährungen lag der illegale Anteil nur | |
| bei 0,15 Prozent, so niedrig wie noch nie. Das hat auch damit zu tun, dass | |
| die insgesamt transferierte Summe an Kryptowährungen 2021 um 567 Prozent | |
| auf einen neuen Höchststand gestiegen ist. „Angesichts dieser rasanten | |
| Verbreitung ist es keine Überraschung, dass immer mehr Cyberkriminelle | |
| Kryptowährungen verwenden“, so das Fazit der Autor:innen. | |
| ## Die Täter:innen | |
| Attributionsforscher:innen versuchen, Angriffe bestimmten | |
| kriminellen Gruppen zuzuordnen. Bestimmte Muster, etwa im Quellcode, den | |
| verwendeten Werkzeugen oder in der verwendeten Sprache, geben Hinweise. | |
| Allerdings sind das immer nur Wahrscheinlichkeiten, außerdem können | |
| Angreifer:innen so auch gezielt falsche Fährten legen. | |
| Zu unterscheiden sind auf der einen Seite Aktivitäten von Kriminellen und | |
| auf der anderen Seite staatlich gesteuerte Angriffe, wie aktuell im Fall | |
| Russlands gegen die Ukraine. Während Letztere geheimdienstliche oder | |
| kriegerische Ziele verfolgen, geht es bei Kriminellen um die finanzielle | |
| Ausbeute. In manchen Fällen ist eine Abgrenzung jedoch nicht ganz klar | |
| möglich: etwa wenn kriminelle Gruppen mit staatlicher oder | |
| geheimdienstlicher Unterstützung – die auch passiv im Sinne von Wegschauen | |
| sein kann – operieren oder mit derartigen Akteuren verflochten sind. | |
| ## Die Strafverfolgung | |
| Kryptowährungen = Anonymität = Kriminalität bleibt ungeahndet? Nein und | |
| nein. Denn erstens können auch per Bitcoin, Monero und Co abgewickelte | |
| Zahlungen keine hundertprozentige Anonymität gewährleisten. Und zweitens | |
| scheinen Strafverfolger:innen und Behörden langsam Strategien und | |
| Fertigkeiten zu entwickeln, die im Kampf gegen mit Kryptowährungen | |
| verbundener Kriminalität helfen. | |
| So verhängte das US-amerikanische Finanzministerium im vergangenen | |
| September [2][erstmals Sanktionen gegen einen Kryptowährungs-Marktplatz], | |
| weil dieser direkt mit Ransomware-Gruppen zusammenarbeite. Seitdem ist es | |
| unter anderem US-Bürger:innen untersagt, den Marktplatz zu nutzen. Als | |
| weiterer Erfolg gilt, dass das FBI nach dem Angriff auf den | |
| Pipeline-Betreiber Colonial im Juni 2021 einen Teil des in Bitcoin | |
| gezahlten Lösegeldes sicherstellte. | |
| In mehreren Ländern gingen Behörden außerdem gegen die Gruppe REvil vor. | |
| Sie gehört zu den aggressivsten Verbreitern von Erpressungstrojanern. Im | |
| Fokus stand sie besonders im vergangenen Sommer [3][nach einem Angriff auf | |
| einen IT-Dienstleister], in dessen Folge zahlreiche Unternehmen weltweit | |
| lahmgelegt wurden, unter anderem eine schwedische Supermarktkette. | |
| Im Januar meldete nun der russische Geheimdienst FSB die Zerschlagung der | |
| Gruppe – unklar bleibt jedoch, ob REvil wirklich auf längere Sicht | |
| handlungsunfähig ist. Auch die Analyse [4][im aktuellen Bedrohungsreport] | |
| des Cybersecurity-Anbieters Sophos bleibt eher pessimistisch: „Viele | |
| Ransomware-Ziele mussten sich mit astronomischen Forderungen nach | |
| Kryptowährung auseinandersetzen, die derzeit nicht mit den üblichen | |
| Wirtschaftssanktionen blockiert werden können, die sich gegen die Täter und | |
| ihre Helfershelfer richten.“ | |
| ## Die Pläne der EU | |
| Bankkund:innen müssen hierzulande bei der Kontoeröffnung per Video- oder | |
| Post-Ident ihre Identität nachweisen. Überweisungen in Kryptowährungen | |
| lassen sich dagegen abwickeln, ohne dass ein dafür in Anspruch genommener | |
| Dienstleister weiß, wer da Geld an wen transferiert. | |
| Die EU will das ändern: Auch bei Geldtransfers mittels Kryptowährungen | |
| sollen sich die Nutzer:innen identifizieren müssen. Im Gespräch sind | |
| dabei unterschiedlich strenge Vorschläge. So spricht sich die EU-Kommission | |
| für eine Bagatellgrenze von 1.000 Euro aus – für geringere Geldtransfers in | |
| Kryptowährungen bräuchte die Identität gegenüber dem Dienstleister | |
| weiterhin nicht offengelegt werden. Das EU-Parlament dagegen will keine | |
| Bagatellgrenze. Ohne Identifizierung möglich wären dann nur noch | |
| Peer-to-Peer-Zahlungen, also ein direkter Austausch ohne Einschaltung von | |
| Dienstanbietern. | |
| Die Pläne sind Teil eines umfassenderen Gesetzespakets, mit dem die EU | |
| gegen organisierte Kriminalität, Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche | |
| vorgehen will. „Geldwäsche ist die Grundlage für alle anderen Formen von | |
| Kryptowährungskriminalität“, heißt es auch im Chainalysis-Report. Die | |
| Expert:innen beziffern die Summe im vergangenen Jahr per Kryptowährungen | |
| gewaschenen Geldes auf umgerechnet 7,6 Milliarden Euro. Wobei hier nur | |
| Gelder berücksichtigt seien, die direkt mit kryptowährungsbasierter | |
| Kriminalität zusammenhängen – und nicht etwa Finanzen aus | |
| Offline-Kriminalität wie Drogenhandel. | |
| Doch die EU-Pläne sind umstritten: So kritisiert etwa der EU-Abgeordnete | |
| der Piratenpartei, Patrick Breyer, den Vorschlag des EU-Parlaments, auf | |
| eine Bagatellgrenze zu verzichten. „Anonyme Zahlungen komplett zu verbieten | |
| hätte keine nennenswert senkenden Effekte auf die Kriminalität, würde aber | |
| unbescholtenen Bürgern die finanzielle Freiheit nehmen.“ Schließlich könne | |
| man auch mit Bargeld grundsätzlich anonym zahlen. Diese Praxis gelte es | |
| auch ins Internet zu übersetzen. | |
| 4 Mar 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://blog.chainalysis.com/reports/2022-crypto-crime-report-introduction/ | |
| [2] https://www.heise.de/news/Suex-OTC-US-Regierung-erlaesst-erste-Sanktionen-g… | |
| [3] /Nach-Hackerangriff-auf-IT-Firma-Kaseya/!5784244 | |
| [4] https://www.sophos.com/de-de/labs/security-threat-report | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
| ## TAGS | |
| Cyberkriminalität | |
| Kryptowährung | |
| Ransomware | |
| Cybersicherheit | |
| Hacker | |
| Geldwäsche | |
| Schwerpunkt Stadtland | |
| Bremen | |
| Cybersicherheit | |
| Kryptowährung | |
| Kolumne Digital Naives | |
| Datenschutz | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Cyberkriminalität | |
| Datenschutz | |
| Cyberkriminalität | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Cyberangriff auf Krankenversicherung: Patientendaten im Darknet gelandet | |
| Eine australische Versicherung wollte kein Lösegeld zahlen, dann wurden | |
| Kundendaten geleakt. Die Polizei macht russische Hacker verantwortlich. | |
| Lindner plant Bundesfinanzkriminalamt: Neustart im Kampf gegen Geldwäsche | |
| Finanzminister Lindner legt ein Konzept für ein Bundesfinanzkriminalamt | |
| vor. Kontrolleure mahnen schon länger eine Reform an. | |
| Alle Wettbüros in Bremen geschlossen: Nichts geht mehr | |
| Im Kampf gegen Geldwäsche will der Innensenator wissen, woher das | |
| Startkapital für Wettbüros kommt. Der Nachweis kam nicht – alle mussten | |
| schließen. | |
| Kampf gegen Geldwäsche: Bremen will Wettbüros dicht machen | |
| Der SPD-Innensenator lehnt alle Anträge auf den Betrieb von Wettbüros ab: | |
| Die Betreiber*innen haben nicht angegeben, woher ihr Startkapital | |
| kommt. | |
| Faesers neue Cybersicherheitsstrategie: Neuaufstellung oder Placebo? | |
| Die Innenministerin präsentiert Ideen für mehr Cybersicherheit. Vor allem | |
| kritische Sicherheitsstrukturen sollen besser geschützt werden. | |
| Forscher über Blockchains: „Maschine bestellt Wartung selbst“ | |
| Blockchains gelten als Ökokatastrophe. Stephan Ramesohl vom Wuppertal | |
| Institut sagt, warum das so nicht stimmt und welche Chancen die Technik | |
| bietet. | |
| Digital Services Act: Das tolle Internet soll kommen | |
| Die EU hat am Wochenende ihr großes Internetgesetz beschlossen. Alles soll | |
| besser werden – doch es bleiben Kritikpunkte offen. | |
| Jurist über WhatsApp-Überwachung: „Briefgeheimnis wäre aufgehoben“ | |
| Die EU will Chat-Dienste wie WhatsApp strenger überwachen. Der | |
| EU-Abgeordnete und Jurist Patrick Breyer sagt: Das schafft Probleme über | |
| Europa hinaus. | |
| Blockchain-Experte über Kryptospenden: „Das Geld ist sofort da“ | |
| Auch Kryptowährungen lassen sich an die ukrainische Regierung spenden. | |
| Ökonom Philipp Sandner über die Chancen und Risiken dieser neuen Art des | |
| Spendens. | |
| Cyber-Erpressungen nehmen zu: Geld oder Daten! | |
| Kriminelle wollen eine halbe Million Euro in der Kryptowährung Monero vom | |
| Landkreis Anhalt-Bitterfeld erpressen. Das ist kein Einzelfall. | |
| Cybercrime und Wirtschaftsschutz: Generalschlüssel? 70 Millionen! | |
| Immer öfter erpressen Kriminelle mit Software hohe Summen. Der deutschen | |
| Wirtschaft entsteht damit jährlich ein Schaden von 223 Milliarden Euro. | |
| Hackerangriffe nehmen weltweit zu: Unsichtbarer Krieg in den Servern | |
| Pipelines und Krankenhäuser: Cyberangriffe treffen oft sensible Ziele – und | |
| die Zahl der Fälle steigt, vor allem wegen der Sicherheitslücken. |