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# taz.de -- Cybercrime und Wirtschaftsschutz: Generalschlüssel? 70 Millionen!
> Immer öfter erpressen Kriminelle mit Software hohe Summen. Der deutschen
> Wirtschaft entsteht damit jährlich ein Schaden von 223 Milliarden Euro.
Bild: Bei Ransomware-Angriffen bringt ein Blick in den Computer meist wenig
Berlin taz | Von solchen Zahlen können selbst Bankräuber:innen nur
träumen: Umgerechnet 11 Millionen US-Dollar zahlte der weltgrößte
Fleischproduzent JBS kürzlich an Angreifer:innen, die seine Systeme mit
einer Erpressersoftware lahmgelegt hatten. Die 4 Millionen, die der
Pipeline-Betreiber Colonial aufbrachte, wirken dagegen fast überschaubar,
das FBI stellte später einen Teil des in Bitcoin gezahlten Geldes sicher.
Die Summe, die das Versicherungsunternehmen CNA Financials zahlte,
beziffert ein Bloomberg-Bericht sogar auf 40 Millionen US-Dollar. Und die
Angreifer:innen, die Anfang Juli den US-amerikanischen IT-Dienstleister
Kaseya lahmlegten und damit Unternehmen im mehreren Ländern, darunter eine
schwedische Supermarktkette, verlangten – bevor unter noch ungeklärten
Umständen ein Generalschlüssel auftauchte – 70 Millionen US-Dollar. Zu
zahlen in Digitalwährung, wie auch sonst [1][bei dieser Art von Angriffen].
Bei Attacken mit Ransomware verschaffen sich die Kriminellen Zugang zum
IT-System ihres Opfers und verschlüsseln und/oder kopieren die Daten.
Anschließend werden die Betroffenen unter Druck gesetzt, das geforderte
Lösegeld zu zahlen, andernfalls würden die Daten nicht wieder
entschlüsselt, kompromittierende Informationen veröffentlicht oder
Kund:innen, Geschäftspartner:innen oder Patient:innen über den
Angriff informiert. Diese Strategie ist bereits seit mehreren Jahren
erprobt. Was sich aber in jüngster Zeit ändert, ist die Höhe der
geforderten und gezahlten Summen – und die Adressaten der Angriffe. Und
beides hängt miteinander zusammen.
Der Digitalverband Bitkom kommt in einer an diesem Donnerstag vorgestellten
repräsentativen Umfrage unter 1.067 Unternehmen zu dem Schluss: Die
Schadensumme, die der deutschen Wirtschaft durch Diebstahl, Spionage und
Sabotage entstehe, belaufe sich mittlerweile auf 223 Milliarden Euro im
Jahr – doppelt so viel wie noch 2018/19. Haupttreiber des Anstiegs:
Systemausfälle als Folge von Ransomware-Attacken. Die dadurch verursachten
Schäden hätten sich im Vergleich zu den Jahren 2018/19 vervierfacht. „Die
Wucht, mit der Ransomware-Angriffe unsere Wirtschaft erschüttern, ist
besorgniserregend und trifft Unternehmen aller Branchen und Größen“, sagte
Bitkom-Präsident Achim Berg.
## Ransomware-Einsatz explodiert
Der Dienstleister Chainalysis beziffert in seinem [2][diesjährigen Report
zu dem Thema] die im vergangenen Jahr als Folge von Ransomware-Attacken
geflossenen Lösegeld-Summen auf 370 Millionen US-Dollar. Im Vergleich zum
Vorjahr sei das mehr als eine Verdreifachung. Und das sei noch eine
konservative Schätzung, so die Analyst:innen, da es sehr wahrscheinlich
eine Dunkelziffer gebe. In den Jahren vor 2020 lag die Summe der gezahlten
Lösegelder dem Report zufolge stets unter der 100-Millionen-Dollar-Marke.
„2020 wird für immer als Jahr von Covid bekannt sein, aber wenn es um
Cyberkriminialität geht, ist es auch das Jahr, in dem der Einsatz von
Ransomware explodiert ist“, schreiben die Autor:innen. Und auch das
Bundesamt für Sicherheit in der Informationtechnik (BSI) stellt in seiner
[3][Analyse vom Mai] fest: „Seit 2016 hat sich die Bedrohung verschärft.“
Und: „Die erste und wichtigste Motivation für die Verbreitung von
Ransomware ist der finanzielle Gewinn.“
Damit ist auch zu erklären, dass sich die Zielgruppe der Angriffe verändert
hat. Noch vor einigen Jahren waren primär Privatnutzer:innen Opfer der
Attacken. Schwachstellen in Systemen lassen sich hier mit deutlich
geringerem Aufwand finden und ausnutzen – doch die Betroffenen können auch
weniger zahlen. Mutmaßlich deshalb haben sich die Angreifer:innen daher
mittlerweile schwerpunktmäßig auf institutionelle Opfer verlegt.
Betroffenen sind dabei Pipeline-Betreiber genauso wie Krankenhäuser,
Versicherungen wie die produzierende Industrie.
## „Niemand ist sicher“
Anne Neuberger, oberste Cyber-Beauftragte des Nationalen Sicherheitsrats in
den USA, schreibt in einem [4][Memo des Weißen Hauses von Anfang Juni:]
„Kein Unternehmen ist sicher davor, mit Ransomware angegriffen zu werden,
egal wie groß es ist oder an welchem Ort.“ Und BSI-Präsident Arne Schönbohm
sagte anlässlich der Kaseya-Attacke: „Ransomware ist derzeit als eine der
größten Bedrohungen für die IT von Unternehmen und Organisationen
einzuschätzen.“ Bei erfolgreichen Angriffen würden Dienstleistungen und
Produktion häufig zum Stillstand gebracht. Die Schäden seien daher oft
enorm.
Gerade das macht es für Unternehmen attraktiv, die geforderten Lösegelder
zu zahlen – obwohl Expert:innen und Behörden, wie etwa das BSI dringend
davon abraten. „Wer Lösegeld zahlt, verbessert die Qualität der zukünftigen
Angriffe“ sagte der Experte für Internationale Cybersicherheitspolitik bei
dem Thinktank Stiftung Neue Verantwortung, [5][Sven Herpig, kürzlich im
taz-Interview]. Die Einnahmen könnten die Täter:innen investieren, um
ihre Angriffsinfrastrukturen zu verbessern.
Zudem bietet die Zahlung des Lösegelds keine Garantie, dass der
versprochene Entschlüsselungsmechanismus tatsächlich bereitgestellt wird.
So ergab eine [6][Studie des Cybersecurity-Anbieters Sophos] aus dem
vergangenen Jahr, bei der gut ein Viertel der angegriffenen Unternehmen
angab, Lösegeld gezahlt zu haben, dass sich die Daten dadurch nicht
schneller wieder herstellen ließen, als etwa aus einem eigenen Backup.
Dafür hätten sich die Kosten, die der Angriff für die Unternehmen
verursachte, verdoppelt.
## Druck auf Versicherer wächst
Attraktiv machen die Lösegeldzahlung auch Cyberversicherungen, die in
solchen Fällen einspringen. Auf die Versicherer wächst daher der Druck. Als
erstes Unternehmen kündigte im Mai Axa an, zumindest in Frankreich keine
Cyberversicherungen mehr zu verkaufen, die Lösegeld-Zahlungen vorsehen.
Vorangegangen war demzufolge aus der französischen Regierung geäußerte
Bedenken.
In Deutschland war beispielsweise der Aromenhersteller Symrise Opfer eines
Angriffs geworden. Ende vergangenen Jahres brach die Attacke aus, die
Produktion musste teilweise eingestellt werden. Auf Anfrage der taz teilte
das Unternehmen mit, kein Lösegeld gezahlt zu haben – ohne, dass das
negative Konsequenzen gehabt habe. Anderen Unternehmen, die in eine solche
Situation kommen, rät Symrise: „Arbeiten Sie nicht mit Kriminellen zusammen
und schalten Sie die zuständigen Behörden (LKA) ein.“
Vielleicht scheint die veränderte Bedrohungslage langsam bei den
Unternehmen anzukommen. In der am Donnerstag veröffentlichten
Bitkom-Umfrage gaben 24 Prozent der befragten Unternehmen an, sie hätten
ihre Investitionen in die IT-Sicherheit deutlich aufgestockt, 39 Prozent
etwas. Im Vergleich zum gesamten IT-Budget sind die Ausgaben für ein Mehr
an Sicherheit laut dem Verband dennoch gering. Durchschnittlich setzten die
Unternehmen 7 Prozent ihrer IT-Mittel für Sicherheitsmaßnahmen ein.
5 Aug 2021
## LINKS
[1] /Experte-ueber-Cyberangriffe/!5773148
[2] https://blog.chainalysis.com/reports/ransomware-update-newly-uncovered-addr…
[3] https://www.bsi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/BSI/Cyber-Sicherheit/Themen…
[4] https://s3.documentcloud.org/documents/20796934/memo-what-we-urge-you-to-do…
[5] /Experte-ueber-Cyberangriffe/!5773148
[6] https://www.sophos.com/de-de/medialibrary/Gated-Assets/white-papers/sophos-…
## AUTOREN
Svenja Bergt
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