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# taz.de -- 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr: Schlechte Ausstattung für…
> Das Beschaffungswesen ist die Achillesferse der Bundeswehr. Nun soll die
> Bürokratie modernisiert werden. Doch daran sind schon einige gescheitert.
Bild: Praktische Flicken können die Nutzungsdauer von Uniformen erhöhen
Berlin taz | Es ist erstaunlich: Schon vor der jetzt angekündigten
[1][massiven Steigerung des Wehretats] gab die Bundesrepublik mehr Geld für
das Militär aus als die Atommacht Frankreich. Israel kommt sogar mit
weniger als der Hälfte aus, ohne dass jemand auf die Idee käme, den
israelischen Verteidigungsstreitkräften zu unterstellen, sie seien schlecht
ausgestattet und nur bedingt abwehrbereit. Doch glaubt man der
Wehrbeauftragten des Bundestags Eva Högl (SPD), haben die vielen Milliarden
nicht einmal für die Anschaffung dicker Jacken und Unterhosen ausgereicht.
Es sei „absolut unverständlich“, dass es selbst bei kleinen
Ausrüstungsgegenständen hake, konstatierte sie in ihrem letzten
Jahresbericht. Damit steht sie in der Tradition ihrer Vorgänger Hellmut
Königshaus (FDP) und Hans-Peter Bartels (SPD), die ebenfalls
gebetsmühlenartig [2][den schlechten Zustand der Truppe] angeprangert
haben.
Das Problem: Seit 2014 sind die Verteidigungsausgaben kontinuierlich
angestiegen, von damals 32,4 Milliarden Euro auf mehr als 46,9 Milliarden
Euro im vergangenen Jahr – doch an der schlechten Verfassung der Bundeswehr
hat sich über die Jahre nichts geändert. Fehlendes Geld kann also kaum der
Hauptgrund dafür sein.
„Die Bundeswehr ist nicht unterfinanziert, sie ist ein Fall für den
Rechnungshof“, sagt Jürgen Wagner, geschäftsführender Vorstand der
Informationsstelle Militarisierung. Da könnte etwas dran sein. Jedenfalls
listet der Bundesrechnungshof regelmäßig fragwürdige Ausgaben der
Bundeswehr auf. So monierte er erst im vergangenen November die unnötige
Modernisierung alter Geräte der Pioniere in Höhe von 1,7 Millionen Euro
oder die viel zu langsame Verwertung von außer Dienst gestellten Schiffen.
## Hubschrauber müssen vom ADAC geliehen werden
Doch auch Organisationschaos bescheinigt der Rechnungshof: Im Dezember 2020
prangerte er an, dass es die Bundeswehr über Jahre versäumt habe,
Informationsmängel in ihrem IT-Logistiksystem zu beheben – was ihre
Einsatzbereitschaft gefährde.
Auch Erich Vad, Ex-General und langjähriger Militärberater von
Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieht die Einsatzbereitschaft der
Hauptwaffensysteme der Bundeswehr kritisch. Laut dem aktuellen Bericht des
Verteidigungsministeriums liegt die Einsatzbereitschaft mit 77 Prozent zwar
über dem Zielwert von 70 Prozent, „aber das ist schon geschönt“, sagt Vad.
Faktisch sei die Materiallage „dramatisch schlechter“.
Bestimmte Bereiche kommen auch im Bericht nicht auf 70 Prozent., so Vad.
Die Hubschrauber sind etwa nur zu 40 Prozent einsatzbereit. Vad frustriert
das: „Für die Pilotenausbildung muss die Bundeswehr Hubschrauber beim ADAC
anmieten.“
Die Achillesferse der Bundeswehr ist ihr Beschaffungswesen. Als zentrale
Schwachstelle gilt das völlig überlastete „Bundesamt für Ausrüstung,
Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr“ in Koblenz. Daran biss sich
schon Ursula von der Leyen (CDU) die Zähne aus. 2014 holte sie die frühere
Mc-Kinsey-Managerin Katrin Suder als Staatssekretärin ins
Verteidigungsministerium, um die gravierenden Mängel bei der Ausstattung
der Soldat:innen abzustellen, vor allem aber um dafür zu sorgen, dass
Rüstungsprojekte zeitlich und finanziell nicht mehr aus dem Ruder laufen.
2018 gab Suder entnervt auf.
Als 2019 Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) neue Verteidigungsministerin
wurde, kündigte sie an, das Koblenzer Beschaffungsamt „pragmatisch“
umzubauen. „Wir wollen und müssen bei der Beschaffung besser werden und die
Ausrüstung muss schneller, einfacher, zielgenauer an die Frau und den Mann
kommen“, versprach sie. Es blieb ein Versprechen.
Nun will es Christine Lambrecht (SPD) richten. Sie werde „das
Beschaffungswesen gründlich modernisieren“, kündigte die neue
Verteidigungsministerin Mitte Januar im Bundestag an. Wobei sie wisse: „Das
ist ein ganz dickes Brett, das zu bohren ist.“
1 Mar 2022
## LINKS
[1] /Erhoehung-der-Militaerausgaben/!5837955
[2] /Was-Linke-und-Bundeswehr-verbindet/!5835240
## AUTOREN
Pascal Beucker
David Muschenich
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