# taz.de -- Was Linke und Bundeswehr verbindet: Stillgestanden | |
> Deutschland schaut dieser Tage besonders auf die Linke und die | |
> Bundeswehr. Beide verbindet mehr, als man denkt – sie sind nicht | |
> einsatzbereit. | |
Bild: Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht protestiert 2015 gegen deutsches Mil… | |
Es sind zwei gesellschaftliche Gebilde, die derzeit im Fokus der | |
bundesrepublikanischen Öffentlichkeit stehen. Sie scheinen auf den ersten | |
Blick Antipoden zu verkörpern, aber wenn man insbesondere mit jungen Leuten | |
spricht, die ihnen angehören, dann stößt man auf strukturelle | |
Ähnlichkeiten. Beide Organisationen haben akuten Reformbedarf, und die | |
Gesellschaft hat Wünsche an sie, ja, sie braucht sie in diesen Kriegs- | |
beziehungsweise Vorkriegs- beziehungsweise Eskalationsverhinderungszeiten. | |
Beide bestehen zu nicht unwesentlichen Teilen aus verbrauchten Leuten, die | |
in ihren Büros und Stuben hocken und Strichlisten ausfüllen oder abheften, | |
immer mit einem Blick auf das Mittagessenangebot in der Kantine oder gleich | |
auf die Zeitspanne, die es noch bis zur Pensionierung abzusitzen gilt. | |
Sprechen wir erst über die Linkspartei, eine Formation, die durch ihre | |
Unfähigkeit frappiert, politische Arbeitsverweigerer, die via Talkshows und | |
Publikationen Geschäfte mit der Angst und der Unwissenheit der Menschen | |
machen, loszuwerden. Die Rede ist hier natürlich von Sahra Wagenknecht und | |
Oskar Lafontaine – aber sie sind nicht das Problem. Das Problem ist der | |
feige Umgang der Linken mit solchen Leuten und das anschließende naive bis | |
abstoßende Wundern, dass diese Partei jeden moralischen Nimbus verloren | |
hat; und da haben wir eben von der denkfaulen Gleichsetzung von Putin = | |
irgendwie Erbe der doch irgendwie auch guten Sowjetunion = irgendwie den | |
irgendwie grundbösen USA Paroli bietender Macht noch gar nicht gesprochen. | |
In den sozialen Medien liest man derweil Stellungnahmen von | |
Linke-Politiker:innen, [1][die die nun überall zitierte Zeitenwende] | |
tatsächlich klassisch verkörpern oder, um es mit dem Dichter Bertolt Brecht | |
zu sagen, die auf der Suche nach einem neuen Volk sind, von dem sie | |
vielleicht noch gewählt werden könnten. „Dass ein Appell für Frieden und | |
gegen Aufrüstung so viel Aggression und Häme hervorruft, hätte ich wirklich | |
nicht erwartet. Das lässt mich etwas ratlos zurück und erschreckt mich | |
auch“, schreibt etwa ein Funktionär der Linken aus Baden-Württemberg auf | |
Facebook. Stimmt: Wer einer Partei angehört, die die | |
allgemein-unverbindliche Litanei des Friedens geschmettert hat, ohne den | |
konkreten Kriegstreiber zu brandmarken, dessen Appelle werden ungehört | |
verhallen; nicht, weil sie grundsätzlich falsch wären, sondern weil, wer | |
total falsch lag, nicht in der Position ist, andere Menschen mit Appellen | |
zu behelligen. | |
## Bräsigkeit und Sitzfleisch | |
Ein anderer Funktionär gibt den sonst eher auf der politischen Rechten | |
beheimateten Demonstrationsbesteller: „Das nächste Mal dann bitte auch so | |
eine riesige Demo, wenn das Nato-Land Türkei wieder völkerrechtswidrig | |
Rojava angreift.“ Prima, das ist genau die erfolgversprechende politische | |
Haltung, [2][wenn mehr als 100.000 Menschen gerade aus Sorge um einen | |
Weltbrand auf die Straße gehen]: Ihnen sagen zu wollen, wogegen sie | |
eigentlich sich engagieren sollten. | |
Es ist tragisch, dass die Linke, gerade wenn sie als | |
moralisch-intellektuell intakte Kraft sehr gebraucht wäre, so absolut blank | |
dasteht und zwei Fraktionsvorsitzende im Bundestag sitzen hat, [3][die nach | |
der krachenden Wahlniederlage da nicht sitzen dürften]; sogar die CDU hat | |
es geschafft, sich personell zu erneuern. Die Linke hält das nicht für | |
nötig; und das einzige Argument, das diese Bräsigkeit unterstützen könnte, | |
ist ein Verdacht: dass nämlich von den hinteren Bänken auch nichts | |
Erneuerndes nachwächst. | |
Während also die Formation, die doch als Erste dazu berufen wäre, die jetzt | |
schon absehbaren Beschaffungs-, Verschwendungs- und Korruptionsskandale zu | |
skandalisieren, die die 100-Milliarden-Euro-Spritze für die Bundeswehr | |
auslösen wird, sich erst mal in eine längere Schweige- und Klärungsklausur | |
begeben müsste, um überhaupt wieder sprechfähig zu sein, liegt der Fall bei | |
der anderen Formation vielleicht noch merkwürdiger. | |
Bis zum Afghanistandesaster war die Bundeswehr [4][ein Gebilde, über das | |
man insoweit wie nur irgend denkbar zu fassenden aufgeklärten Kreisen am | |
besten kein Wort verlor;] eine Armee, die ihren Soldat:innen angeblich | |
keine warmen Strümpfe zur Verfügung stellen kann, [5][obwohl ihr Etat in | |
unseren mit Milliarden jonglierenden Zeiten schon bisher nur unwesentlich | |
unter dem der russischen Streitkräfte lag,] die mit solchen Mitteln von | |
Syrien bis eben zur Ukraine Tod und Vernichtung streuen können. | |
## Der nächste Horror | |
Seit der Niederlage von Kabul wird der Bundeswehr eine Rolle zugeschrieben, | |
die von ihrem tatsächlichen Zustand vollkommen abstrahiert. Müssten wir | |
nicht zuerst darüber reden, was die Gesellschaft eigentlich dazu beitragen | |
will, den Schutz zu gewährleisten, den man sich von dem neuen Heilsbringer | |
offensichtlich verspricht? Wo ist die Debatte über die Wehrpflicht, über | |
unsere Töchter und Söhne, die doch stellvertretend für alle von der Gnade | |
der frühen Geburt gestreiften Abschreckungstheoretiker mit ihren Körpern | |
dafür einstehen müssten, dass wir weiterhin und die Menschen in der | |
Ukraine hoffentlich in Zukunft in relativem Frieden und in Freiheit leben | |
können? | |
Derzeit stehen vor meinem inneren Auge jedenfalls, ähnlich wie bei den | |
Maskendeals, nur hungrige Augen des Nachwuchses ehemaliger CSU-Politiker, | |
die sich schon die Hände reiben, angesichts des zu erwartenden Reibachs mit | |
den Socken-und-Winterjacken-Milliarden. | |
Zu erwarten ist also von der Zeitenwende eher ein lose-lose als ein | |
win-win. Und mit der ebenfalls absehbaren Debatte über Atombewaffnung | |
wartet schon der nächste Horror am Kasernentor. Am besten bewilligen wir | |
erst mal das Geld, dann wird sich schon irgendwer finden, der [6][die | |
schmutzige Arbeit des Krieges] für uns erledigt. | |
28 Feb 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Ukraine-Krieg-als-Zaesur/!5834215 | |
[2] /Demonstration-gegen-den-Krieg/!5837853 | |
[3] /Fraktionsspitze-der-Linkspartei/!5806436 | |
[4] /Militaer-in-Deutschland/!5754927 | |
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157935/umfrage/laender-mit-d… | |
[6] /Buch-zur-Ardennenoffensive-der-Nazis/!5395675 | |
## AUTOREN | |
Ambros Waibel | |
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