| # taz.de -- Entscheidung zu Waffenlieferungen: Krieg treibt Rüstungsdebatte an | |
| > Nun fordern auch Regierungsmitglieder, den Bundeswehretat zu erhöhen. | |
| > Experten mahnen: Die Probleme liegen nicht nur bei den Finanzen. | |
| Bild: Bundeswehrsoldaten mit Stinger-Raketen. Solche liefert Deutschland nun an… | |
| Berlin taz | Der russische Überfall auf die Ukraine [1][markiere eine | |
| Zeitenwende], verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Wochenende. So | |
| begründete er, dass die Regierung nun doch Waffen aus dem Bestand der | |
| Bundeswehr an die Ukraine liefert. Dabei hieß es bis vor Kurzem noch, die | |
| Bundeswehr verfüge selbst über nur geringe Waffenvorräte. | |
| Das bekräftigte unter anderem André Wüstner, Vorsitzender des | |
| Bundeswehrverbands, am Samstag im ZDF Morgenmagazin und verwies auf | |
| Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Sie forderte bereits in | |
| der Woche vor dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine mehr Geld für | |
| die Bundeswehr – ähnlich äußerten sich inzwischen auch andere | |
| Regierungsmitglieder, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und | |
| Finanzminister Christian Lindner (FDP). Der Krieg hat die Debatte um den | |
| Zustand der Bundeswehr wieder ins Rollen gebracht. | |
| Mehr Geld behebe aber nicht die Probleme der deutschen Armee, widerspricht | |
| Jürgen Wagner, geschäftsführender Vorstand der Informationsstelle | |
| Militarisierung: „Die Bundeswehr ist nicht unterfinanziert, sie ist ein | |
| Fall für den Rechnungshof.“ Die Regierung solle Probleme in Strukturen bei | |
| der Beschaffung von Materialien angehen, statt mehr Geld zu fordern. Der | |
| Etat sei schließlich in den vergangenen Jahren bereits gestiegen. | |
| Tatsächlich stieg der Verteidigungshaushalt seit 2014 jährlich an. Während | |
| die Bundesrepublik damals 32,4 Milliarden Euro für ihr Militär ausgab, sind | |
| für dieses Jahr bisher 50,3 Milliarden Euro geplant. Laut dem Bericht des | |
| Bundesministeriums für Verteidigung sind davon 10,15 Milliarden Euro als | |
| Investitionen für „Militärische Beschaffungen“ vorgesehen. Ein großer Te… | |
| soll Personalkosten finanzieren, beispielsweise die mehr als 180.000 | |
| Soldat*innen. | |
| ## Hubschrauber vom ADAC | |
| In den nächsten Jahren sollte der Verteidigungsetat allerdings wieder | |
| sinken, für 2025 plant die Regierung bisher 46,7 Milliarden Euro. Für Erich | |
| Vad, Ex-General und langjähriger Militärberater von Bundeskanzlerin Angela | |
| Merkel, ist das unverständlich. In der Bundeswehr fehle es überall an | |
| Personal und Material. „Wir brauchen eine signifikante Steigerung des | |
| Etats“, sagt er und erinnert an die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, | |
| die Deutschland dem Nato-Bündnis zugesagt hat. Aktuell wären das etwa 70 | |
| Milliarden Euro. | |
| Aber auch Vad sieht in den Strukturen der Bundeswehr Probleme. Es gäbe „zu | |
| viele Generäle, Stabssoldaten und Bürokraten und zu wenige einsatzfähige | |
| Soldaten“, urteilt er. Letztere seien zudem nicht gut ausgestattet und es | |
| dauere lange, bis sie neue Kleidung oder andere Ausrüstung bekommen. Auch | |
| wenn es mittlerweile schneller ginge als noch vor zehn Jahren: Manche | |
| kauften lieber selbst und „bezahlen aus eigener Tasche“, weil sie nicht auf | |
| den offiziellen Weg warten wollten. | |
| Ebenso kritisch sieht Vad die Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme | |
| der Bundeswehr, also unter anderem von Panzern und Hubschrauber. Laut dem | |
| aktuellen Bericht des Verteidigungsministeriums liegt die | |
| Einsatzbereitschaft mit 77 Prozent zwar über dem Zielwert von 70 Prozent, | |
| „aber, das ist schon geschönt“, sagt Erich Vad. „Faktisch sieht die | |
| Materiallage dramatisch schlechter aus“, die Bundeswehr sei nicht für die | |
| Landesverteidigung einsatzbereit. Bestimmte Bereiche kommen auch im Bericht | |
| nicht auf 70 Prozent. Die Hubschrauber sind etwa zu 40 Prozent | |
| einsatzbereit. Vad frustriert das: „Für die Pilotenausbildung muss die | |
| Bundeswehr Hubschrauber beim ADAC anmieten.“ | |
| ## Bessere Zusammenarbeit statt bessere Ausrüstung | |
| Michael Brzoska, ehemaliger Direktor des Instituts für Friedensforschung | |
| und Sicherheitspolitik an der Hamburger Universität, hat ebenfalls gehört, | |
| dass die Zahlen zur Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wohl „geschönt“ | |
| seien. Die Frage, wie hoch der Etat sein sollte, beantwortet er dennoch | |
| nicht. „Für mich ist vorrangig, die Effizienz der Bundeswehr zu erhöhen.“ | |
| Dafür solle sie sich auf Landesverteidigung und eine bessere Zusammenarbeit | |
| mit anderen Mitgliedsstaaten der EU konzentrieren. Wobei eine stärkere | |
| Bundeswehr nicht dazu beigetragen hätte, die Eskalation im Ukraine-Konflikt | |
| zu verhindern, vermutet Brzoska. Insgesamt sei die Nato in Militärausgaben | |
| und Rüstung gegenüber Russland deutlich überlegen. | |
| Das glaubt auch Ali Al-Dailami, der verteidigungspolitische Sprecher der | |
| Linken. Er verurteilt es, für Rüstungsforderungen den „Ukraine-Krieg zu | |
| instrumentalisieren.“ Aufrüstung führe zu immer neuen Konflikten. | |
| Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann | |
| (FDP) betont hingegen den Unterschied zwischen Aufrüstung und Ausrüstung | |
| der Bundeswehr: Es gehe ausschließlich darum, sie „anständig auszurüsten�… | |
| sagt Strack-Zimmermann. Nur so könne die Bundeswehr „ihren Pflichten und | |
| Aufgaben“ angemessen nachkommen. | |
| Von der Zeitenwende, wie Olaf Scholz sagte, und der Debatte profitieren | |
| bisher vor allem Rüstungskonzerne. Das zeigt beispielsweise die | |
| Rheinmetall-Aktie: Lag sie vergangenen Montag noch bei 88,52 Euro, stieg | |
| sie bis zum Freitag auf 109,20 Euro. | |
| Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Artikels stand, Michael | |
| Brzoska sei Direktor des Instituts für Friedensforschung und | |
| Sicherheitspolitik an der Hamburger Universität. Allerdings ist er seit | |
| fünf Jahren in Pension und nicht mehr Direktor. | |
| 27 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| David Muschenich | |
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