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# taz.de -- Mängel in JVA Langenhagen: Abschiebehaft kein Knast
> Der Europäische Gerichtshof kritisiert die deutsche Abschiebepraxis.Das
> Abschiebegefängnis in Langenhagen entspricht wohl nicht den Standards.
Bild: Für viele Menschen die letzte Station in Deutschland: Abschiebehaftansta…
Hannover taz | Das Abschiebegefängnis in Hannover-Langenhagen entspricht
möglicherweise nicht [1][den europäischen Standards für
Abschiebehaftanstalten]. Wie der Generalanwalt beim Europäischen
Gerichtshof (EuGH) Jean Richard de la Tour vermutet, ist auch dessen
rechtliche Grundlage, das 2019 in Deutschland in Kraft getretenen
„Geordnete-Rückführung-Gesetz“, rechtswidrig.
De la Tour war tätig geworden, nachdem ein pakistanischer Flüchtling in
einem Verfahren vor dem Amtsgericht Hannover gegen seine Unterbringung im
Abschiebegefängnis Langenhagen im September 2020 geklagt hatte. Dabei
musste beim EuGH die Auslegung der EU-Rückführungsrichtlinie erfragt
werden.
Das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist 2019 in Deutschland eingeführt worden
und noch bis zum 30. Juni 2022 in Kraft. Es beinhaltet, dass Abzuschiebende
auch in normalen Strafvollzugsanstalten untergebracht werden können. Der
damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer argumentierte, dass durch die
sogenannte Migrationskrise im Jahr 2015 ein Defizit von 600 Haftplätzen in
deutschen Abschiebungshaftanstalten vorliege.
Diese Praxis erklärte Generalanwalt de la Tour in einer Prüfung der
Gesetzeslage nun für rechtswidrig. Zwar sieht die EU-Richtlinie die
Möglichkeit einer Unterbringung von Abzuschiebenden in
Strafvollzugsanstalten vor, jedoch könne diese nicht für drei Jahre
pauschal festgeschrieben werden. Stattdessen müsse eine „unvorhersehbare
Überlastung“ der Abschiebegefängnisse im Einzelfall durch die zuständige
Justizbehörde festgestellt werden.
## Straftäter in Langenhagen untergebracht
Mit Blick auf das Abschiebegefängnis Langenhagen stellt de la Tour fest,
dass sie nicht den EU-Standards einer für die Abschiebung benötigten
„speziellen Hafteinrichtung“ genüge. Zwar können Gefangene dort jeden Tag
Besuch empfangen, ein Mobiltelefon besitzen und im Internet surfen; durch
die zeitweise Unterbringung von Gefangenen aus dem Strafvollzug sei aber
davon auszugehen, dass die Abschiebehaft „übersichert“ sei. Zudem sei
Wachpersonal aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hannover auch für die
Menschen in Abschiebehaft eingesetzt worden.
Das Abschiebegefängnis gehört organisatorisch zur JVA. Zu Beginn der
Corona-Pandemie 2020 waren dort Gefangene aus dem Strafvollzug
untergebracht worden, um im Strafvollzug Plätze frei zu machen. Laut
Hans-Christian Rümke, Pressesprecher des Justizministeriums Niedersachsen,
war das Abschiebegefängnis zu diesem Zeitpunkt aber kaum belegt.
Rümke betont, dass Abzuschiebende und Häftlinge im Strafvollzug nicht im
selben Gebäude untergebracht und von unterschiedlichen
Sozialarbeiter*innen betreut worden seien. „Einen gemeinsamen
Vollzug hat es deshalb nicht gegeben“, sagt Rümke.
[2][Peter Fahlbusch, Anwalt für Migrationsrecht und Verteidiger des
pakistanischen Klägers vor dem Amtsgericht Hannover], rechnet in maximal
zwei bis drei Monaten mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Dabei
sei es äußerst wahrscheinlich, dass das Gericht dem Gutachten von
Generalanwalt de la Tour folgen werde und die Bundesrepublik die
Unterbringung von Abzuschiebenden in Strafvollzugsanstalten nur noch nach
Einzelfallprüfungen anordnen darf.
Derzeit gebe es „kein Defizit an Haftplätzen, aber dafür ein großes an
Rechtsstaatlichkeit“, findet Fahlbusch. Sobald der EuGH geurteilt hat, wird
das Verfahren wieder vor dem hannoverschen Amtsgericht verhandelt. Folgt
hier ein entsprechendes Urteil, könnte dies zur Freilassung der in
Langenhagen Inhaftierten führen, sollten keine anderen
Unterbringungsmöglichkeiten gefunden werden. Fahlbusch zufolge kann das
Abschiebegefängnis dann bis zur „Abrüstung auf den Standard der
Abschiebungshaft“ nicht mehr genutzt werden.
## Abschiebehäftlinge wurden frei gelassen
[3][Schleswig-Holstein ist schon ein Stück weiter.] Bei der Inbetriebnahme
eines Abschiebegefängnisses in Glückstadt hat Justizministerin Sabine
Sütterlin-Waack betont, dass diese Anstalt explizit nicht für den
Strafvollzug zur Verfügung stünde.
Deutschland hatte schon 2014 vom EuGH eine Rüge bekommen, weil von
Abschiebung Betroffene in normalen Haftanstalten untergebracht wurden.
Damals bestätigte der EuGH einen Antrag des Generalanwalts Yves Bot, wonach
eine solche Form der Unterbringung gegen die „Menschenwürde von Migranten“
verstoße.
Nach Angaben des Rechtsanwalts Fahlbusch sind Abschiebehäftlinge danach in
vielen Bundesländern frei gelassen worden, weil es zu wenige spezielle
Haftplätze für sie gab. Seit der Einführung des
„Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ von 2019 greifen aber insbesondere
Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern wieder auf die Praxis der
Inhaftierung in JVAs zurück, da es dort keine Gefängnisse gibt, die den
Standards einer „speziellen Einrichtung“ für die Abschiebungshaft genügen.
8 Dec 2021
## LINKS
[1] /Abschiebehaft-in-Deutschland/!5037086
[2] /Anwalt-fuer-Menschenrechte/!5801144
[3] /Initiative-von-Schleswig-Holstein/!5769970
## AUTOREN
Eike Führing
## TAGS
Abschiebehaft
Niedersachsen
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