# taz.de -- Initiative von Schleswig-Holstein: Kein Kind in Abschiebehaft | |
> Schleswig-Holstein hat eine Bundesratsinitiative gestartet, um | |
> Abschiebehaft für Kinder zu verbieten. Dem Vorschlag werden kaum Chancen | |
> eingeräumt. | |
Bild: Sollen Kinder nicht von innen erleben müssen: Abschiebungshafteinrichtun… | |
NEUMÜNSTER taz | „Minderjährige dürfen nicht in Abschiebehaft kommen“: Am | |
Donnerstag entscheidet der Bundesrat, ob dieser Satz in das | |
Aufenthaltsgesetz aufgenommen wird. Der Antrag dafür stammt aus | |
Schleswig-Holstein. Die Jamaika-Regierung hat ihn lange diskutiert, aber | |
Expert*innen räumen ihm kaum Chancen ein. Denn damit wäre Abschiebehaft | |
für Familien grundsätzlich nicht mehr möglich. | |
Wie es aussehen kann, wenn eine Familie im Knast landet, hat der | |
Rechtsanwalt Peter Fahlbusch auf der Homepage der Hilfsorganisation Pro | |
Asyl beschrieben. Eine Mutter mit vier Kindern, das jüngste drei Jahre alt, | |
war in Transithaft am Flughafen Frankfurt/Main gelandet. „Sieben | |
Bundespolizisten führten sie der Haftrichterin vor“, schilderte der Anwalt. | |
„Die Richterin hat auch den Kindern die Haftanträge verkündet, danach | |
wurden sie allen Ernstes belehrt und befragt. Das dreijährige Kind sagte | |
dazu nur:,Mama’.“ | |
Abschiebehaft ist schwierig für einen Rechtsstaat. Wer dort untergebracht | |
wird, hat kein Verbrechen begangen. Es besteht nur der Verdacht, dass in | |
Zukunft eine rechtswidrige Tat geschehen könnte, nämlich eine Flucht, um | |
einer Abschiebung zu entgehen. Besonders kritisch wird es, wenn | |
Minderjährige betroffen sind. Sie hinter Gitter zu bringen, widerspreche | |
der UN-Kinderrechtskonvention, sagt Martin Link, Geschäftsführer des | |
Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein: „Eine Inhaftierung von Minderjährigen | |
ist unverhältnismäßig.“ | |
Die Landesflüchtlingsräte, Pro Asyl und weitere Hilfsorganisationen | |
unterstützen daher die Initiative aus Schleswig-Holstein – trotz eines | |
Schönheitsfehlers: Kinder und Familien an Flughäfen festzusetzen, sei | |
weiter möglich, auch wenn der Antrag durchkäme. Die Organisationen wünschen | |
sich daher eine noch weitergehende Lösung, die jede Haft von Kindern und | |
Jugendlichen verbietet, seien sie allein unterwegs oder mit ihren Eltern. | |
Der jetzige Antrag aus Kiel hat eine Vorgeschichte, sowohl auf Bundes- als | |
auch auf Landesebene. So befasste sich der Bundesrat 2019 mit dem | |
„Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, mit dem das CSU-geführte Innenministerium | |
mehrere Fragen rund um Abschiebungen regelte. Schon damals gab es im | |
Bundesrat Kritik, weil das Gesetz die Belange von Kindern und Familien zu | |
wenig im Blick habe. | |
Auch im Kieler Landtag diskutierten die Fraktionen mehrfach über die | |
Abschiebung – mit gegenseitigen Vorwürfen, vor allem zwischen Grünen und | |
SPD. Beide hatten als Koalitionspartner die Abschiebehaft in Rendsburg | |
geschlossen. Die Jamaika-Regierung einigte sich auf einen Neubau in | |
Glückstadt, der nun kurz vor der Eröffnung steht. Denn zurzeit werden | |
Geflüchtete, für die Abschiebehaft angeordnet ist, in andere Bundesländer | |
gebracht. Wenn die Haft schon sein müsse, dann lieber in der eigenen | |
Verantwortung, entschied Jamaika: „Wir wollen und werden den Vollzug im | |
Rahmen der rechtsstaatlichen Möglichkeiten menschenwürdig gestalten“, sagte | |
die CDU-Innenexpertin Barbara Ostmeier bei der Landtagsdebatte 2019. | |
Doch Kinder im Knast? „Es gibt hier offenbar eine breite Mehrheit von | |
Abgeordneten, die der Auffassung sind, dass Minderjährige nicht in Haft | |
gehören“, sagte Serpil Midyatli (SPD) damals in der Debatte und forderte | |
eine Bundesratsinitiative. Die Jamaika-Koalitionäre warfen ihr | |
daraufhin„Scheinheiligkeit“ vor. So verwies Aminata Touré, | |
Grünen-Sprecherin für Migration und Flucht, auf einen Erlass auf | |
Landesebene, der den Ausländerbehörden des Landes quasi verbietet, Kinder | |
in Haft zu nehmen. Das Problem ist nur: Für einen Teil der Geflüchteten ist | |
der Bund zuständig, und wenn Bundesbehörden eine Haft anordnen, kann ein | |
einzelnes Land nichts dagegen tun. | |
So sprach sich auch Jamaika für eine Bundesratsinitiative aus, wollte | |
allerdings vorher eine Abfrage in den anderen Bundesländern. „Das hat eine | |
Weile gedauert, und es gab weitere interne Beratungen“, erklärt Touré auf | |
taz-Anfrage, warum die Koalition zwei Jahre brauchte, bis der Bundesrat | |
sich mit dem Thema befasst. Die Abfrage in den Ländern habe ergeben, dass | |
kaum Minderjährige in einer Abschiebehaft landen. „Dennoch ist es wichtig, | |
dass wir die Debatte führen“, sagt Touré. „Alle Länder betonen, sie woll… | |
die Kinderrechtskonvention einhalten, also könnten sie das Verbot der Haft | |
auch beschließen.“ Denn es gebe Alternativen: So sei eine Unterbringung in | |
Räumen ohne Gefängnischarakter möglich. | |
## Die FDP tut sich schwer | |
Unter den Koalitionspartnern tut sich die FDP generell am schwersten mit | |
dem Thema: Vor Kurzem hatte die Bundestagsfraktion der Liberalen mehr | |
Abschiebehaftplätze gefordert. Der Innen- und Rechtsexperte der FDP im | |
Kieler Landtag, Jan Marcus Rossa, betont auf Anfrage: „Die Freien | |
Demokraten in Schleswig-Holstein treten dafür ein, dass Kinder und | |
Jugendliche grundsätzlich nicht in Abschiebehaft kommen.“ Die Abfrage im | |
Bund habe keine Klarheit gebracht, daher sei „im Rahmen des | |
Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob überhaupt ein Bedarf für eine | |
gesetzliche Regelung zur Inhaftierung Minderjähriger besteht“. | |
Die oppositionelle SPD sieht die Initiative mit gemischten Gefühlen: | |
„Natürlich unterstütze ich, dass Minderjährige nicht in Abschiebehaft | |
genommen werden sollen“, sagt Serpil Midyatli. „Aber einerseits die | |
Abschaffung der Abschiebehaftanstalt für Kinder zu fordern und andererseits | |
eine neue Haftanstalt zu bauen, ist ein Widerspruch.“ | |
Sehr wahrscheinlich kommt die Initiative aus Kiel im Bundesrat nicht durch, | |
das vermutet Stefan Schmidt, der Flüchtlingsbeauftragte der | |
Landesregierung. Aber auch er findet den Vorstoß wichtig: „Das kann die | |
öffentliche Diskussion über das Inhaftieren von Minderjährigen und Familien | |
mit Kindern sowie anderen vulnerablen Personen voranbringen.“ Er hoffe, | |
dass sich „aus dieser Initiative eine Aussage über das künftige | |
Verwaltungshandeln ableiten lässt und Schleswig- Holstein keine | |
Minderjährigen in der Abschiebehaftanstalt in Glückstadt inhaftieren wird�… | |
27 May 2021 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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