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# taz.de -- Gesetzesentwurf für Abschiebehaft: „Peinlich spät und rechtswid…
> In Niedersachsen gibt es noch keine gesetzliche Regelung für
> Abschiebehaft. Das soll sich ändern – doch an dem Gesetzesentwurf gibt es
> viel Kritik.
Bild: Freiheit, die ich meine? Die Abschiebehaftabteilung Langenhagen der JVA H…
Bremen taz | „Rechtssicherheit“ und „Klarheit“ sollen laut Innenminister
Boris Pistorius (SPD) bald in Niedersachsen herrschen, wenn es um
Abschiebehaft geht: Die Landesregierung will sich ein
Abschiebehaftvollzugsgesetz geben. Das wird von Kritiker*innen bereits
seit Jahren eingefordert. Denn Rechtssicherheit fehlt für Menschen in
Abschiebehaft bisher tatsächlich. Vergangene Woche wurde der Entwurf in den
Landtag eingebracht, bis zum Sommer soll das Gesetz verabschiedet sein.
In Abschiebehaft können Menschen kommen, die kein Bleiberecht haben, aber
nicht freiwillig ausreisen wollen; Menschen, bei denen die Behörden
vermuten, dass sie sich der Abschiebung entziehen könnten. Das ist nicht
strafbar, Abschiebegefangene sind deshalb keine Strafgefangenen und dürfen
auch nicht so untergebracht werden. Das gilt spätestens seit einer
EU-Richtlinie von 2008.
Bund und Länder jedoch hatten lange nicht richtig definiert, was das in der
Praxis bedeutet. Die meisten Bundesländer haben mittlerweile reagiert –
wohl auch, weil der Europäische Gerichtshof 2014 die deutsche Praxis,
Abschiebehäftlinge in normalen Gefängnissen unterzubringen, [1][als Verstoß
gegen EU-Richtlinie eingestuft hatte].
Nur Niedersachsen und Bayern hinken weiter hinterher und haben noch immer
kein eigenes Gesetz verabschiedet. Jetzt also kommt es. „Peinlich spät“,
findet der Hannoversche Migrationsanwalt Peter Fahlbusch, [2][der viele
Abschiebehäftlinge vertritt]. Und auch: „Rechtswidrig“.
## Definiert werden Rechte – und deren enge Grenzen
Definieren soll das neue Gesetz einige Rechte der Gefangenen. Kein Insasse,
[3][so heißt es im Entwurf,] ist verpflichtet, zu arbeiten, die Gefangenen
tragen ihre eigene Kleidung, es gibt ein Recht auf Seelsorge. Auch von der
Möglichkeit, in Gemeinschaftsküchen selbst zu kochen, ist die Rede – sofern
es in der Anstalt denn Gelegenheit dazu gibt.
Definieren wird das Gesetz aber zugleich auch die Grenzen der Freiheit: So
sollen sich die Gefangenen tagsüber zwar innerhalb der Einrichtung bewegen
können; während der Nachtruhe dürfen sie das aber nicht. Sie können in
ihren Zimmern sogar eingeschlossen werden, wenn erforderlich. Besuch dürfen
die Insassen zwar empfangen – allerdings nur in überwachten Räumen und nur
zu festen Besuchszeiten. Wann und wie lang diese sind, steht nicht im
Gesetz; festlegen darf das die Anstaltsleitung.
## Gesetzesentwurf lässt Raum für Willkür
Genau in solchen undefinierten Leerstellen sieht Muzaffer Öztürkyilmaz eine
Schwäche des Gesetzesentwurfs. „Es kann nicht sein, dass die Institution
selbst so etwas entscheidet“, so der Referent vom Flüchtlingsrat
Niedersachsen. „Das Gesetz sollte bestimmen, wie das Handeln auszusehen
hat, nicht das Staatsorgan.“
Auch die Situation erkrankter Gefangener wird seines Erachtens nicht
ausreichend berücksichtigt: „So ist vorgesehen, suizidale Gefangene in
einem überwachten Haftraum zu fesseln“, so Öztürkyilmaz. „Suizidale
Personen gehören jedoch nicht in Haft, sondern in eine therapeutische
Einrichtung.“
Rechtliche Beratung soll es laut Entwurf geben. Sie wird aber nur auf
Antrag finanziert – eine große Hürde bei mangelnden Sprachkenntnissen.
„Eigentlich müssten alle Leute dort ab Tag eins einen unabhängigen
Rechtsbeistand bekommen“, kritisiert neben dem Flüchtlingsrat auch Anwalt
Fahlbusch. „Beratung durch die Ausländerbehörde ist absurd – die hat die
Leute ja in die Haft gesteckt.“
## Verbesserungen sind möglich – aber auch wahrscheinlich?
Die Regierungsfraktionen nehmen die Kritik am Entwurf gelassen. „Wenn der
Flüchtlingsrat noch Änderungsvorschläge hat, gucken wir, was davon noch
rein kann“, so der SPD-Abgeordnete Ulrich Watermann, „die müssen uns eben
überzeugen“.
Allerdings hatte der Flüchtlingsrat seine Kritik schon in der ersten
Beteiligungsrunde seit Oktober eingebracht – ohne seine großen Kritikpunkte
auflösen zu können.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Uwe Schünemann, hält die
Erwartungen eher klein: Zwar verlasse kein Gesetz den Landtag so, wie es
als Entwurf eingebracht werde. Doch substanzielle Änderungen, so schreibt
er der taz, „sind nicht zu erwarten“.
4 Feb 2022
## LINKS
[1] /EuGH-Urteil-zur-Fluechtlingspolitik/!5037448
[2] /Anwalt-fuer-Menschenrechte/!5801144
[3] https://www.nilas.niedersachsen.de/starweb/NILAS/servlet.starweb?path=NILAS…
## AUTOREN
Lotta Drügemöller
## TAGS
Abschiebung
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