# taz.de -- EuGH zu Abschiebehaft: Gesetz ging zu weit | |
> Abgelehnte Asyl-Antragsteller sollten drei Jahre lang auch in | |
> Straf-Gefängnissen untergebracht werden. Der EuGH verlangt aber | |
> Einzelfall-Entscheidungen. | |
FREIBURG taz | Der Bundestag durfte 2019 nicht pauschal anordnen, dass | |
Abschiebehäftlinge in normalen Gefängnissen untergebracht werden können. | |
Vielmehr solle dies in jedem Einzelfall gerichtlich geprüft werden. Das | |
entschied jetzt der [1][Europäische Gerichtshof (EuGH)] in einem Fall aus | |
Hannover. | |
Die EU-Rückführungs-Richtlinie von 2008 regelt die Abschiebung von | |
Personen, die in der EU kein Aufenthaltsrecht haben, zum Beispiel weil ihr | |
Asylantrag abgelehnt wurde. Danach dürfen Abzuschiebende nur bei | |
Fluchtgefahr inhaftiert werden. Die Unterbringung muss in der Regel in | |
gesonderten Einrichtungen erfolgen, nicht in Gefängnissen für Straftäter. | |
Denn abgelehnte Asylantragsteller haben ja keine Straftat begangen. Im | |
Bundeschnitt kommt etwa jeder vierte abgelehnte Asyl-Antragsteller in | |
Abschiebehaft. | |
Lange Jahre gab es kein Problem mit der EU-Vorgabe, weil die | |
Flüchtlingszahlen sanken. Als aber im Jahr 2015 rund eine Million Menschen | |
in Deutschland Asyl beantragten, nahm auch die Zahl der Abschiebungen | |
wieder zu. Die damals knapp 500 [2][Abschiebehaftplätze in Deutschland] | |
genügten nicht mehr. | |
Im Jahr 2019 beschloss der Bundestag deshalb mit den Stimmen der Großen | |
Koalition das Geordnete-Rückkehr-Gesetz. Es sah unter anderem vor, dass | |
Abschiebehäftlinge drei Jahre lang auch in normalen Gefängnissen | |
untergebracht werden können, wenn sie dort von Straftätern getrennt werden. | |
Dies ist in Paragraph 62a Aufenthaltsgesetz geregelt. | |
Der Bundestag berief sich dabei auf eine Ausnahmeklausel für | |
Überlast-Situationen in der EU-Richtlinie. Das Amtsgericht Hannover hielt | |
dies für zweifelhaft und fragte im Fall eines ausreisepflichtigen | |
Pakistaners den EuGH, ob Paragraph 62a gegen EU-Recht verstößt. | |
## Pro Asyl fordert Änderung von Paragraphen 62a | |
Der EuGH entschied nun, dass es nicht genügt, wenn der Gesetzgeber die | |
Überlastung der Abschiebehaftanstalten für drei Jahre pauschal feststellt. | |
Vielmehr kann ein Gericht im Einzelfall prüfen, ob wirklich keine Plätze in | |
Abschiebehaftanstalten zur Verfügung stehen. Im Fall des Pakistaners muss | |
nun also das Amtsgericht Hannover entscheiden, wie die Lage im Jahr 2020 | |
war. | |
Dabei ist aber noch umstritten, ob der Pakistaner überhaupt in einem | |
normalen Gefängnis untergebracht war. Konkret verbrachte er die | |
Abschiebehaft in der Justizvollzugsanstalt Langenhagen, die speziell für | |
Abschiebehäftlinge eingerichtet wurde. Peter Fahlbusch, der Anwalt des | |
Pakistaners, sah die EU-Anforderungen dort aber nicht gewahrt, weil die | |
Anstalt in Langenhagen organisatorisch zum Strafgefängnis Hannover gehört | |
und in Langenhagen eines von drei Häusern auch mit Strafgefangenen belegt | |
war. Der EuGH sah darin aber kein Problem, solange die Bereiche wirksam | |
getrennt seien und sich die Haftbedingungen signifikant unterschieden. Auch | |
hierüber muss nun wieder das Amtsgericht Hannover entscheiden. | |
Pro Asyl forderte die Bundesregierung auf, sofort eine Änderung von | |
Paragraf 62a einzuleiten. Die Ausnahmevorschrift läuft allerdings am 30. | |
Juni ohnehin aus. Außerdem sind die deutschen Abschiebehaft-Einrichtungen | |
derzeit gar nicht mehr überlastet, weil wegen der Coronapandemie die Zahl | |
der jährlichen Abschiebungen massiv zurückging. Schoben deutsche Behörden | |
2019 noch mehr als 22.000 Menschen ab, waren es im ersten Covid-Jahr 2020 | |
nur noch 10.800, also knapp die Hälfte. | |
10 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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