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# taz.de -- Bau-Staatssekretärin Cansel Kiziltepe: „Wohnen ist eine Existenz…
> Die SPD-Politikerin aus Kreuzberg hält die Ampel für besser als ihren
> Ruf. Dennoch will sie mehr erreichen als im Koalitionsvertrag steht.
Bild: Kämpferin gegen Verdrängung: Cansel Kiziltepe
taz: Frau Kiziltepe, Sie übernehmen den Job als Parlamentarische
Staatssekretärin im Bundesbauministerium. Was haben Sie gedacht, als Klara
Geywitz als designierte Bauministerin bei Ihnen angerufen hat?
Cansel Kiziltepe: Ich hab mich sehr gefreut. Einer meiner politischen
Schwerpunkte ist Mieten und Wohnen in Berlin. Mein Wahlkreis in
Friedrichshain-Kreuzberg ist seit Jahren betroffen, auch die neue
Mieterbewegung hat sich da gegründet. Wir kämpfen seit über zehn Jahren
gegen diese dramatische Entwicklung. Es freut mich natürlich, dass ich
meine Erfahrungen da jetzt einbringen kann.
Kannten Sie und Geywitz sich zuvor?
Ja, wir kannten uns, haben uns aber in anderen Zusammenhängen
kennengelernt. Wir sind beide Kämpferinnen für Parität und haben vor
einigen Jahren eine Veranstaltung zum Paritätsgesetz gemacht. Seitdem
kennen wir uns persönlich.
Klara Geywitz selbst ist keine ausgewiesene Baupolitikerin. Heißt das, dass
Sie nun als Staatssekretärin inhaltlich für das gesamte Mietenthema
zuständig sind?
Klara Geywitz ist eine erfahrene Politikerin, die viel Fachwissen in dem
Bereich mitbringt. Wie ich sie als Ministerin unterstützen kann, wird sich
noch zeigen. Es ist ja so, dass es seit langer Zeit wieder ein eigenes
[1][Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen] geben wird. Das
wird aus dem Bundesinnenministerium rausgeholt. Das ist auch eine
Aufwertung. Aber das alles braucht auch Zeit.
Haben Sie auch über den Volksentscheid [2][Deutsche Wohnen und Co.
enteignen] gesprochen? Sie waren ja dafür, Frau Geywitz hat gerade erst
dazu gesagt, durch Enteignung entstehe keine neue Wohnung.
Ich mache kein Hehl daraus, dass ich den Volksentscheid unterstützt habe.
In meiner Partei gab es hierzu keine mehrheitliche Unterstützung. Die
Zustimmung zum Volksentscheid war deutlich. Mein Ziel ist es, mit der
Zivilgesellschaft dafür zu sorgen, dass wir den Menschen wieder Zuversicht
geben. Wohnen ist eine Existenzfrage, und Verdrängung darf kein
Geschäftsmodell sein. Die Arbeit der Expertenkommission werde ich natürlich
beobachten. Es gibt viele offene Fragen. Das Thema wird von Berlin aus
bundesweite Ausstrahlung haben.
Auf die existenzielle Frage Wohnen antwortet der [3][Koalitionsvertrag] vor
allem mit der Antwort Neubau. 400.000 Wohnungen sollen jährlich entstehen.
So lange mehr Menschen in die Ballungsgebiete ziehen, müssen wir den
Neubau, insbesondere den sozialen Wohnungsbau, im Blick behalten. Deshalb
sollen von den 400.000 neuen Wohnungen im Jahr auch 100.000 öffentlich
geförderte Wohnungen sein. Aber es ist nicht der einzige Weg. Die
Stabilisierung der Mieten ist ein Weg, den Markt zu entspannen. Das
geschieht über mietrechtliche Regelungen.
Heißt das, dass in Berlin noch mehr Wohnungen neu gebaut werden? Zusätzlich
zu den 20.000, die die Berliner Koalition versprochen hat?
Das steht noch nicht fest. Wir sind da ganz am Anfang. Aber natürlich ist
der Neubau in den Metropolen dringender, aber auch Flächenländer haben das
Problem. Das muss genau austariert werden.
Wer wird auf Bundesebene die geförderten 100.000 Wohnungen bauen? Auch die
[4][Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA]? Mit der hat Berlin ja nicht
nur gute Erfahrungen gemacht.
Die BImA hatte bis 2018 eine andere Politik als heute. Als SPD-Fraktion
haben wir in der Großen Koalition erreicht, dass die BImA ihre
Bundesliegenschaften nicht mehr meistbietend veräußert. Das war ein großer
Erfolg, der an den Erfolg zwei Jahre zuvor anknüpfte, als wir den Verkauf
des Dragonerareals in Kreuzberg an einen Investor rückabgewickelt haben.
Damals war der Stein ins Rollen geraten. Seitdem gibt es eine andere
Liegenschaftspolitik des Bundes. Die Kommunen haben bei Veräußerungen
Erstzugriffsrechte. Das ist auch im Koalitionsvertrag nun verankert, dass
wir die BImA in dieser neuen Rolle stärken wollen. Aber natürlich wird es
die BImA nicht schaffen, 100.000 Wohnungen zu bauen. Da muss man mit den
Bundesländern zusammenarbeiten. Aber auch da sind wir erst ganz am Anfang.
Sie haben sich in Ihrem Wahlkreis für den Mietendeckel eingesetzt, für den
Schutz des Kleingewerbes, für das Vorkaufsrecht oder auch gegen Share
Deals. Außer einer Kappungsgrenze von elf Prozent in drei Jahren bei
Mieterhöhungen findet sich da nicht viel im Koalitionsvertrag wieder.
Natürlich wünsche ich mir noch mehr. Ich hätte mir auch ein echtes
progressives Bündnis im Bund gewünscht. Aber dafür gab es keine Mehrheit.
Ich selbst habe acht Jahre Große Koalition erlebt, und ich kann Ihnen
sagen, dass ich dahin nicht mehr zurück will. Deshalb ist es gut, dass wir
die Ampel haben.
Die Erwartungen sind allerdings hoch, etwa wenn die Mieterinitiative Bizim
auf Twitter auf eine „effektivere Politik für bezahlbares Wohnen“ hofft.
Können Sie diesen Erwartungen gerecht werden oder haben sie auch Sorge, zu
einem mietenpolitischen Feigenblatt zu werden?
Letzteres ist weder mein Anspruch noch der meiner Ministerin. Uns ist ganz
wichtig, dass wir Erfolge erzielen, und die können wir auch mit dem
Koalitionsvertrag erzielen. Da gibt es die Wohnungsgemeinnützigkeit, die
Transparenz auf dem Immobilienmarkt, das Immobilienregister, Clubs als
Kulturstätten, wir werden eine Reform der Share Deals angehen. Auch die
Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen ist letztlich eine
abgeschwächte Form eines Mietenmoratoriums. Politik geht oft in kleinen
Schritten, auch wenn ich mir manchmal eine Revolution wünsche.
Die neue Wohnungsgemeinnützigkeit muss noch ausgestaltet werden. Bislang
fällt öffentlich geförderter Neubau nach einer bestimmten Zeit aus der
Förderung. Das soll nun anders werden.
Die geförderten Wohnungen sollen langfristig in der Bindung bleiben, das
ist das Ziel der Gemeinnützigkeit. Wir wollen damit verhindern, dass mehr
Wohnungen aus der Förderung herausfallen als neue gebaut werden. Wie die
Wohngemeinnützigkeit im Detail aussehen wird, muss jetzt erarbeitet werden.
Einer Ihrer Erfolge in der Koalition mit der CDU war, dass das
Umwandlungsverbot endlich wasserdicht gemacht wurde. Das hatte nicht im
Koalitionsvertrag gestanden. Können Sie sich Ähnliches auch mit der Ampel
vorstellen?
Natürlich, dafür werden wir arbeiten. Wir wollen nach dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts auch das Vorkaufsrecht auf eine neue
rechtssichere Grundlage stellen. Deshalb müssen wir das Baugesetzbuch noch
mal angehen.
Ist der politische Wille bei allen Parteien der Ampel vorhanden?
Ja.
Auch bei der FDP?
Ja. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Wichtig ist, dass es weiter Druck
aus der Zivilgesellschaft gibt. Er ist die Grundlage dafür, dass wir als
Bundesministerium eine soziale Miet- und Wohnpolitik anpacken können.
15 Dec 2021
## LINKS
[1] https://www.bmi.bund.de/DE/bauen-wohnen/bauen-wohnen-node.html
[2] https://www.dwenteignen.de/
[3] https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_…
[4] https://www.bundesimmobilien.de/
## AUTOREN
Erik Peter
Uwe Rada
## TAGS
Ampel-Koalition
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Sozialer Wohnungsbau
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