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# taz.de -- Deutschland und EU gegen Russland: Fördern und fordern
> Weicher oder härter auf Putin reagieren ist die falsche Alternative.
> Gebraucht werden neue Angebote und konkrete Sanktionsankündigungen.
Bild: Wie weiter mit Russland? Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock
Wie steht Olaf Scholz zu Russland? Wissen Sie nicht genau? Das ist nicht
verwunderlich. In Pressekonferenzen, im Bundestag bei seiner ersten
Regierungserklärung und bei seinem ersten EU-Gipfel am Donnerstag:
Prägnante Aussagen vermeidet der neue Kanzler bisher.
In merkelesk verschachtelten Sätzen bekundete er in Brüssel, dass „alle,
und wir eben ganz besonders“, sich einig seien, dass ja klar sei, dass
[1][auf Grenzverletzungen „entsprechende Reaktionen“] folgten, aber des
Weiteren [2][Gespräche im Normandie-Format] nötig und erfreulich wären. Das
ist so wenig Festlegung wie möglich.
100 Tage Schonfrist gelten für eine neue Regierung gemeinhin. Dass Scholz
nicht in den ersten 10 Tagen im Amt mit außenpolitischen Initiativen
vorprescht, noch vor dem ersten Telefonat mit Putin und als Novize im
Europäischen Rat, ist verständlich. Der Regierungswechsel ist noch ganz
frisch, die internationale Lage komplex. Es ist zwar nicht ganz so wie
1998, als Rot-Grün aus den Koalitionsverhandlungen direkt in den
Kosovokrieg stolperte.
Der aktuelle Konflikt ist aber auch nicht ohne, er ist vielschichtig. Es
gibt neben dem nebulösen Truppenaufmarsch in Russland das zum ungelegensten
Zeitpunkt gefallene Urteil zum Tiergartenmord und die allzeit brodelnden
[3][Diskussion um Nord Stream 2].
## Die Weltpolitik nicht der Bundesnetzagentur überlassen
Freunde und Feinde innerhalb und außerhalb der EU zerren in alle denkbaren
Richtungen. Innerhalb der Koalition in Berlin ist der Konflikt auch
angelegt: Die Grünen wollen mehr Härte, Scholz’ eigene Partei mehr
Nachsicht.
Im Fall der Pipeline haben die Koalitionspartner den Streit notdürftig
geparkt. Man wartet die Genehmigungsentscheidung der Behörden ab und hat
damit ein paar Monate gewonnen. Auf Dauer kann die neue Regierung die
Weltpolitik aber nicht der Bundesnetzagentur überlassen.
Immerhin, wenn man es positiv sehen möchte: Die Ampel könnte ihre
Differenzen auch produktiv nutzbar machen. „Grenzen müssen wir setzen, aber
auch Auswege aufzeigen“, hat in dieser Woche Rolf Mützenich gesagt. So
allgemein formuliert kann dem SPD-Fraktionschef wahrscheinlich selbst
Außenministerin Annalena Baerbock zustimmen. Die beiden stehen in
Russlandfragen eigentlich an verschiedenen Enden der koalitionsinternen
Bandbreite.
Aber gerade weil die Regierung hier zwei Pole vereint, könnte sie die
Dualität von Anreizen und Ansagen schaffen, vielleicht in verteilten
Rollen. Es müsste nur gewollt und koordiniert sein und nicht zufällig
entstehen, weil man sich auf eine gemeinsame Linie eben nicht einigen
konnte.
## Baerbock hat eine toughe Linie angekündigt
Irgendwann müsste die Koalition in dem Fall aber auch klar formulieren, wie
ihre Druckmittel aussehen. Und wo der Ausweg sein soll. Bisher ist das nur
in Ansätzen erkennbar. Im Außenministerium hat Baerbock zwar eine toughe
Linie angekündigt. Die erste Maßnahme – die Ausweisung zweier Diplomaten
wegen des Urteils im Tiergartenmord-Prozess – hätte so aber auch von ihrem
Vorgänger Heiko Maas kommen können. Darunter ging es schon aus Gründen der
diplomatischen Selbstachtung nicht.
Hinsichtlich der Ukraine hat der [4][Europäische Rat mit deutscher
Unterstützung nur allgemein Sanktionen] angedroht, sollte Russland einen
offenen Krieg wagen. Konkrete Strafmaßnahmen hat er nicht aufgezeigt. Der
Kreml kann daraus schließen, dass die EU zu schwach und gespalten ist, um
kollektiv Strafen anzudrohen.
Auf der anderen Seite hat die Ampel für Russland aber auch noch keinen
reizvollen Ausweg im Angebot. Scholz’ Angebot neuer Normandie-Gespräche ist
schön und gut, ist aus russischer Sicht aber keine gravierende Veränderung
des Status quo. Warum keinen größeren Wurf?
Anfang Dezember haben ehemalige deutsche Botschafter und Generäle einen
Aufruf veröffentlicht, in dem sie größere Schritte der Entspannung
vorschlagen. Sie regen zuvorderst eine Konferenz über eine neue europäische
Sicherheitsarchitektur an, analog zur Helsinki-Konferenz, die in den 1970er
Jahren die Gründung der späteren OSZE einleitete.
Zugegeben: Für die ersten 10 Tage im Amt wäre so ein Vorschlag zu viel des
Guten gewesen. 2022 aber muss mehr kommen. Und Prägnanteres als Scholz’
Schachtelsätze.
18 Dec 2021
## LINKS
[1] /Ukraine-Krise/!5822787
[2] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/-/201…
[3] /Nord-Stream-2/!t5650854
[4] /Konflikt-mit-Russland-um-Ukraine/!5822264
## AUTOREN
Tobias Schulze
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