Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Umstrittene Gasleitung Nord Stream 2: Lizenz ist nicht zwingend
> Wirtschaftsminister Habeck muss der Zertifizierung der Gaspipeline Nord
> Stream 2 nicht tatenlos zusehen. Zu dem Schluss kommt die Umweltjuristin
> Ziehm.
Bild: Die Röhren sind jetzt schon verlegt, aber die endgültige Zertifizierung…
Berlin taz | Die umstrittene Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland
nach Deutschland ist technisch fertig, aber bisher nicht abschließend
genehmigt. In den juristischen Verfahren gibt es noch einige Klippen, an
denen das Projekt scheitern kann. So wäre es möglich, dass
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die bisher positive Haltung
seines Hauses im Zertifizierungsverfahren revidiert.
Am vergangenen Wochenende sprach Habeck in einem Interview über
[1][Sanktionen gegen Russland] für den Fall eines militärischen Angriffs
auf die Ukraine. Seine Äußerung „da kann es keine Denkverbote geben“ ist …
zu verstehen, dass die [2][Gaslieferungen durch die neue Pipeline] dann
infrage stehen. Habeck könnte allerdings schon jetzt die Reißleine ziehen,
sagt die renommierte Umwelt- und Energieanwältin Cornelia Ziehm.
„Falls das Wirtschaftsministerium zu der Einschätzung gelangt, dass die
Versorgungssicherheit der Ukraine heute möglicherweise anders zu beurteilen
ist als zum Zeitpunkt der bereits erfolgten Versorgungssicherheitsanalyse,
muss es seine Stellungnahme gegenüber der Netzagentur revidieren oder
ergänzen“, betont Ziehm gegenüber der taz. Der Betrieb der beiden Röhren
würde dann nicht genehmigt.
Das Wirtschaftsministerium schickte seine Analyse am 26. Oktober dieses
Jahres an die Bundesnetzagentur in Bonn, die für die Zertifizierung der
Pipeline zuständig ist. Damals führte die Geschäfte vorübergehend noch
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Zentrale Aussage: „Eine
Zertifizierung gefährdet die Sicherheit der Gasversorgung der
Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union nicht.“
## Einfluss des russischen Truppenaufmarschs
Vor dem Hintergrund des russischen Truppenaufmarsches an der ukrainischen
Grenze könnte man das nun anders beurteilen. Es wird sichtbar, dass
Russland die Ukraine unter Druck setzt – auch Gaslieferungen sind dafür
geeignet. „Ein Verwaltungsakt, der auf einer erkennbar unzutreffenden oder
überholten Tatsachengrundlage ergeht, ist rechtswidrig“, schlussfolgert
Ziehm im Hinblick auf die Analyse von Ende Oktober. Die Anwältin arbeitet
unter anderem im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe, die gegen die Pipeline
klagt.
Jedoch wird Habeck, selbst wenn er in diese Richtung neigen sollte, die
[3][Entscheidung nicht alleine] treffen können. Der Bundeskanzler bestimmt
die Richtlinien der Politik, heißt es im Artikel 65 des Grundgesetzes. Olaf
Scholz (SPD) hält Nord Stream 2 offiziell für ein wirtschaftliches, kein
politisches Projekt – wie die alte Regierung und im Gegensatz zu Habeck. Es
erscheint deshalb fraglich, ob sich der SPD- und der Grünen-Politiker auf
eine Revision der Sicherheitsanalyse inklusive ihrer weitreichenden Folgen
einigen werden.
Momentan hat die Bundesnetzagentur das Zertifizierungsverfahren
unterbrochen. Angeblich, weil die EU-Gasrichtlinie noch nicht erfüllt ist.
Die vom russischen Konzern Gazprom gesteuerte Nord Stream 2 AG muss dafür
zunächst eine deutsche Tochter gründen. Wenn das passiert ist und die
Unterlagen bei der Netzagentur eingegangen sind, hat diese noch knapp zwei
Monate Zeit, ihren Entscheidungsentwurf fertigzustellen.
Den schickt die Behörde dann an die EU-Kommission, die nach maximal vier
Monaten ihre Einschätzung zur Zertifizierung darlegen muss. In Brüssel
lehnen viele die Pipeline ab. Kommt es zu einem offiziellen Widerspruch,
ist die Netzagentur gehalten, die Einwände der EU-Ebene „so weit wie
möglich“ zu berücksichtigen. Ist sie dazu nicht bereit, könnte das
Bundeswirtschaftsministerium erneut eingreifen. Auch an diesem Punkt kann
die Zertifizierung scheitern.
Sowieso wird das alles noch dauern. Im ersten Halbjahr 2022 rechnet
Bundesnetzagenturchef Jochen Homann nicht mit einer Entscheidung. Nicht
unwichtig ist dabei, dass Homann Ende Februar 2022 nach zehn Jahren als
Chef ausscheidet. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin könnten andere
Prioritäten setzen.
Eine weiteres Problem für Nord Stream 2: Die US-Regierung lehnt die
Pipeline ab. Während Präsident Joe Biden (Demokraten) beide Augen zudrückt,
um das Verhältnis zu Deutschland nicht zu sehr zu strapazieren, unternehmen
die Republikaner gerade einen neuen Versuch, Sanktionen gegen Firmen zu
beschließen, die an der Pipeline mitwirken. Über einen entsprechenden
Gesetzentwurf soll der US-Senat Anfang Januar abstimmen. Vielleicht nimmt
die US-Politik der deutschen die Entscheidung doch noch aus der Hand.
20 Dec 2021
## LINKS
[1] /Ukraine-Krise/!5822787
[2] /EU-Beziehungen-mit-Russland/!5818826
[3] /Deutsche-Aussenpolitik/!5817066
## AUTOREN
Hannes Koch
## TAGS
Nord Stream 2
Erdgas
Schwerpunkt Klimawandel
Robert Habeck
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Robert Habeck
Ampel-Koalition
Annalena Baerbock
Schwerpunkt Klimawandel
Nord Stream 2
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU und Klimawende: Eine Hand greenwasht die andere
Die EU-Kommission erklärt Atomenergie und Erdgas für klimafreundlich.
Dahinter steckt ein Kompromiss zwischen Frankreich und Deutschland.
Robert Habeck als Wirtschaftsminister: Die Visionen des Robert H.
Der neue Wirtschaftsminister will den Kapitalismus nicht abschaffen,
sondern ihn für die Wende zur Klimaneutralität einspannen. Kann das
klappen?
Manifest von Robert Habeck: Kapitalismus in Grün
Der neue Wirtschaftsminister verspricht die sozialökologische
Marktwirtschaft: Umweltgesetze, neuer Wohlstandsbegriff und ein Öko-TÜV für
die Politik.
Deutschland und EU gegen Russland: Fördern und fordern
Weicher oder härter auf Putin reagieren ist die falsche Alternative.
Gebraucht werden neue Angebote und konkrete Sanktionsankündigungen.
Krach wegen Nord Stream 2: Grüne kritisieren USA
Scharfe Kritik an den neuen US-Sanktionen gegen Nord Stream 2:
Außenpolitiker Omid Nouripour hält Strafmaßnahmen der Amerikaner für
„inakzeptabel“.
Zertifizierung von Nord Stream 2: Gazprom schaut in die Röhre
Die Bundesnetzagentur stoppt die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 aus
formalen Gründen. Zudem klagt die Deutsche Umwelthilfe gegen das Projekt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.