| # taz.de -- EU-Beziehungen mit Russland: Scholz möchte mitspielen | |
| > Auf seinem ersten EU-Gipfel als Kanzler will Olaf Scholz die EU für den | |
| > Konflikt mit Russland positionieren. Doch darüber herrscht keine Einheit. | |
| Bild: Meet N3: Das Normandieformat minus Putin. Ukrainischer Präsident Selensk… | |
| Brüssel taz | Je größer der Druck ist, desto schweigsamer wird Olaf Scholz. | |
| In Berlin hat man sich daran gewöhnt. Doch in Brüssel, bei seinem ersten | |
| EU-Gipfel, kommt der neue Kanzler damit nicht durch. Schon bei seiner | |
| Ankunft im Brüsseler Gipfelgebäude wird er mit Fragen bombardiert. Wird es | |
| wegen des Militäraufmarschs an der ukrainischen Landesgrenze neue | |
| Sanktionen gegen Russland geben? Kommt die umstrittene Ostseepipeline Nord | |
| Stream 2 auf die EU-Sanktionsliste? | |
| Dies fordert nicht nur die Ukraine, das wollen auch Polen, Litauen und | |
| Lettland. Der Gipfel möge beschließen, „dass Nord Stream auf dem Tisch | |
| ist“, verlangt der lettische Regierungschef Krisjanis Karins, der in der | |
| Russlandpolitik zu den Hardlinern zählt. „Wenn es erhöhte militärische | |
| Aktivitäten gibt, würde das Projekt abgeschaltet.“ | |
| Doch Scholz antwortet nicht. Natürlich werde man über die „schwierige | |
| Situation der Ukraine“ sprechen, sagt der SPD-Politiker vor dem | |
| Krisentreffen mit seinen Amtskollegen. „Die Unverletzbarkeit der Grenzen | |
| ist eine der ganz wichtigen Grundlagen für Frieden in Europa.“ | |
| Das war’s – mehr lässt sich der Amtsnachfolger von Angela Merkel nicht | |
| entlocken. Kein Wort zu Sanktionen, kein Satz zu Nord Stream. Scholz lässt | |
| die Fragen an sich abprallen, vor seiner Feuerprobe im Europäischen Rat | |
| wagt sich der SPD-Politiker nicht aus der Deckung. | |
| ## Der Scholz-Plan | |
| Typisch Scholz – aber auch typisch Deutschland. Der neue Kanzler setzt in | |
| der Europa- und Außenpolitik auf Kontinuität. Fast scheint es, als wolle er | |
| Merkels vorsichtige, dialogbereite Linie gegenüber Russland fortsetzen. Die | |
| Bundesregierung sei zum Dialog mit Moskau bereit, wenn dies helfen könne, | |
| aus der Eskalationsspirale auszubrechen, hatte der SPD-Politiker am | |
| Mittwoch im Bundestag erklärt. Gemeinsam mit Frankreichs Präsident Macron | |
| will Scholz nun versuchen, die EU wieder ins Spiel zu bringen. | |
| Sein Plan: Erst soll es Dreiergespräche mit dem ukrainischen Staatschef | |
| Wolodimir Selenski geben. Ein erstes Treffen im sogenannten N3-Format hat | |
| bereits am Mittwoch in Brüssel stattgefunden. Danach wollen Scholz und | |
| Macron zu Viererrunden im Normandie-Format zurückkehren – mit Kremlchef | |
| Wladimir Putin. Das wird nicht leicht. | |
| Selbst Merkel war es am Ende nicht mehr gelungen, die verhärteten Fronten | |
| aufzubrechen. Sie wollte schon im Juni ein Treffen mit Putin organisieren. | |
| Was US-Präsident Joe Biden kann, das können wir auch, so die | |
| CDU-Politikerin, die über einen guten Draht zum Kreml verfügte. Doch die | |
| Osteuropäer waren dagegen. | |
| Mittlerweile haben die USA die Führung übernommen. Biden hat die | |
| Ukraine-Krise zur Chefsache gemacht und eine Anti-Russland-Front | |
| organisiert. Die Nato, die G7 und auch die EU sollen Putin von einer neuen | |
| „Aggression“ gegen die Ukraine abhalten und mit wirtschaftlichen Sanktionen | |
| drohen, lautet die Ansage aus Washington. | |
| ## Wie im Kalten Krieg | |
| In Brüssel fällt das auf fruchtbaren Boden. In einem Entwurf für den | |
| Gipfelbeschluss wurden „massive Konsequenzen“ angedroht, falls Russland die | |
| Ukraine angreifen sollte. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, | |
| ein Einmarsch würde „höhere politische und wirtschaftliche Kosten“ nach | |
| sich ziehen als 2014, nach der Annexion der Krim. | |
| [1][Die EU wählt die „Sprache der Macht]“, so Borrell – und das schon se… | |
| Wochen. Von einem „hybriden Angriff“ ist die Rede, seit Belarus versucht, | |
| Flüchtlinge über die Grenze nach Polen zu schicken. Auch die Preisexplosion | |
| beim Erdgas und die Fake News zur Coronapandemie werden Russland | |
| angelastet. Es herrscht eine Stimmung wie zuletzt im Kalten Krieg. | |
| Dabei ist die Lage heute völlig anders. Die Sowjetunion existiert nicht | |
| mehr, die Nato ist nach Osten expandiert, die neuen Ostpartner der EU | |
| entziehen sich der alten russischen Einflusszone. Auch die EU selbst hat | |
| sich verändert. Früher verstand sie sich als ziviles Friedensbündnis, heute | |
| rüstet sie gegen Russland auf. | |
| Scholz stellt das nicht infrage. Auch [2][er redet von einer „hybriden | |
| Attacke aus Belarus“]. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat er der Nato | |
| einen Antrittsbesuch abgestattet und sich zum atlantischen Bündnis bekannt. | |
| Doch immerhin versucht er, die russischen Interessen in Rechnung zu | |
| stellen. | |
| ## Mit Russland sprechen | |
| Diese sind allerdings kaum mit der westlichen Politik vereinbar. Putin | |
| fordert rechtlich verbindliche Sicherheitsgarantien. Der Kremlchef will | |
| erreichen, dass [3][eine Aufnahme der Ukraine in die Nato] ausgeschlossen | |
| wird und dort auch keine Offensivwaffen stationiert werden. | |
| Vizeaußenminister Sergei Rjabkow könne jederzeit zu Gesprächen in ein | |
| neutrales Land aufbrechen, um diese Fragen zu klären, sagte Kreml-Sprecher | |
| Dmitri Peskow am Donnerstag in Moskau. Noch in diesem Jahr könne es zudem | |
| ein weiteres Treffen mit Biden geben. | |
| Beim EU-Gipfel war dies jedoch kein Thema. Die Europäer waren mit sich | |
| selbst beschäftigt – sie rangen um eine gemeinsame Linie. Polen und die | |
| baltischen Staaten pochten erneut auf Sanktionen und stellten Nord Stream 2 | |
| infrage. Dessen Inbetriebnahme dürfte sich indes ohnehin mindestens weitere | |
| sechs Monate hinziehen, ließ der Präsident der Bonner Bundesnetzagentur, | |
| Jochen Homann, am Donnerstag verlauten. Luxemburg und Österreich hingegen | |
| sprachen sich für einen Dialog mit Moskau aus – genau wie Scholz. | |
| „Wir müssen mit Russland sprechen“, sagte Luxemburgs Premier Xavier Bettel. | |
| Man müsse Putin „zeigen, dass es keinen Sinn macht, Politik mit Gewalt zu | |
| machen“, erklärte Österreichs neuer Kanzler Karl Nehammer. Er lobte auch | |
| die deutsch-französische Vermittlung. Es ist vielleicht der letzte Versuch | |
| der EU, einzugreifen und den Frieden in Europa zu retten. | |
| 16 Dec 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Aussenpolitik-der-Europaeischen-Union/!5648405 | |
| [2] https://www.evangelisch.de/inhalte/194325/16-12-2021/scholz-politik-gegen-h… | |
| [3] /Spannungen-im-Ukraine-Konflikt/!5821403 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Bonse | |
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