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# taz.de -- Sieg für Gorillas-ArbeitnehmerInnen: Fair wird diese Branche nie
> Die Angestellten des Schnell-Lieferdienstes Gorillas dürfen jetzt einen
> Betriebsrat wählen. Doch bringt das kurz- und langfristig überhaupt
> etwas?
Bild: Faire Jobs kommen Gorillas nicht in die Tüte – oder doch?
Was die Beschäftigten des Lebensmittel-Lieferdienstes „Gorillas“ [1][am
Mittwoch vor dem Berliner Arbeitsgericht erreicht] haben, ist ein kleiner
Etappensieg – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Entscheidung der
Kammer, dass das Unternehmen die anstehende Wahl eines Betriebsrats
zulassen muss, könnte schon bald ins Leere laufen, denn die
Gorillas-Geschäftsführung ist gerade dabei, die derzeit 18 Warenlager in
formal unabhängige Franchises umzuwandeln.
Wenn es dabei bleibt, können die jeweiligen Angestellten – FahrerInnen und
LageristInnen – zwar immer noch einzelne Betriebsräte wählen, denn dass die
Belegschaften die Mindestgröße dafür verfehlen, ist unwahrscheinlich.
Andererseits ist es gerade in einer Branche, in der viele nur mit
Studierendenvisa tätig sind und oft wenig Deutsch sprechen, ohnehin schon
schwierig, dass sich ArbeitnehmerInnen organisieren. „Union Busting“ kennt
viele Strategien.
Zumindest eines ist mal wieder überdeutlich geworden: Auf diesem neuen und
rasant wachsenden Feld, auf dem der Dienst mit dem Tiernamen nur einer von
mehreren Playern ist, versuchen die Unternehmen alles, um Kosten zu drücken
und maximale Flexibilität herzustellen. Der Krieg um Marktanteile zwischen
[2][Gorillas], Flink, Getir, Foodpanda und bald auch Wolt (bislang nur für
zubereitetes Essen zuständig) ist unerbittlich. In den Rabatt- und
Werbeschlachten wird am Ende wohl nur einer überleben, der dann so richtig
Reibach machen soll.
Hinter den Kulissen schieben Investoren gewaltige Beträge hin- und her.
Gerade hat der US-Lieferriese Doordash Wolt für 7 Milliarden Euro gekauft,
und der DAX-Konzern Delivery Hero, selbst Eigentümer von Foodpanda, ist mit
200 Millionen Euro bei Gorillas eingestiegen. All dieses Geld wird –
betriebswirtschaftlich betrachtet – erst einmal nur verbrannt. Niemand
fährt Gewinne ein, aber das soll, das muss sich ändern, ist ja
Kapitalismus. Und da sind die Rechte von ArbeitnehmerInnen eher im Weg.
Die Frage ist: Kann „Quick-Commerce“ – so der Branchensprech – wirklich
profitabel sein, wenn nicht alles zack-zack und unter dem Diktat der
Kostenvermeidung läuft? Wenn seriöse Dienstpläne aufgestellt und Ruhezeiten
respektiert werden, wenn LagerarbeiterInnen in angemessenen dimensionierten
und hygienischen Räumen tätig sind, FahrerInnen sichere Räder erhalten, die
regelmäßig gewartet werden? Von Zahlungen deutlich über dem Mindestlohn mal
ganz zu schweigen?
## Gefährliches Arbeitsmodell
Die Antwort lautet vermutlich Nein. Und einen grundsätzlichen Strickfehler
des Geschäftsmodells haben wir noch gar nicht erwähnt: Eine Lieferung von
Waren in zehn Minuten setzt diejenigen, die sie ausliefern, maximal unter
Druck. Unter den Bedingungen des Berliner Straßenverkehrs ist das über das
zumutbare Maß hinaus gefährlich.
„4,5 Millionen Mal haben Rider im letzten Jahr ihr Leben und ihre
Gesundheit riskiert, damit jemand Reiches in 10 Minuten seine Einkäufe
bekommt!“ Aussagen wie diese kürzlich auf einer Gorillas-Solidemo geäußerte
sind im Prinzip richtig. Aber die Antwort kann dann auch eigentlich nur
lauten: Lasst es. Arbeitsbedingungen und Gehälter, die solche Risiken
angemessen ausgleichen, wird es in diesen Jobs nie geben.
Aber wer weiß, vielleicht erledigt sich der ganze Hype spätestens nach der
allerletzten Corona-Welle von selbst. Wenn bis dahin nicht irgendwo Gewinne
sprudeln, suchen sich die Investoren eine andere Spielwiese, und „wir“
gehen doch wieder zum Späti oder fragen den Nachbarn nach einer Tasse Mehl.
20 Nov 2021
## LINKS
[1] /Unternehmen-scheitert-vor-Arbeitsgericht/!5812458
[2] /Gorillas/!t5783381
## AUTOREN
Claudius Prößer
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