| # taz.de -- Unternehmen scheitert vor Arbeitsgericht: Gorilla mit Knebel | |
| > Der Lebensmittellieferrant Gorillas darf die Gründung eines Betriebsrats | |
| > nicht verhindern. Für die kämpferische Belegschaft ist das ein großer | |
| > Erfolg. | |
| Bild: Ob Gorillas den Gang zum Landesarbeitsgericht macht, war am Mittwoch noch… | |
| Berlin taz | War es eine vorschnelle Sektlaune oder der grundsätzliche | |
| Ausdruck einer überheblichen, arbeitnehmerfeindlichen Stimmung in der | |
| Managementabteilung von [1][Gorillas]? Am Dienstagabend jedenfalls | |
| verschickte diese eine Rundmail an alle Beschäftigten, in der es hieß, dass | |
| die für nächste Woche geplante Wahl des Betriebsrates nicht stattfinden | |
| wird. Doch die Start-up-Führungsriege hat ihre Rechnung ohne das Berliner | |
| Arbeitsgericht gemacht. Das nämlich entschied am Mittwoch: Gorillas muss | |
| die gewerkschaftliche Organisierung seiner Mitarbeiter:innen zulassen. | |
| Etwa 50 Fahrer:innen und Beschäftigte der Warenlager, darunter auch der | |
| gewählte neunköpfige Wahlvorstand, waren vor dem Gerichtsgebäude in | |
| Tiergarten erschienen. Der Prozess markierte den vorläufigen Höhepunkt | |
| ihres [2][Engagements für bessere Arbeitsbedingungen]. Immer wieder hatte | |
| das Gorillas Workers Collective in den vergangenen Monaten Proteste und | |
| Streiks organisiert, nun sollten die eher anarchistischen Strukturen in die | |
| Gründung eines ordentlichen Betriebsrates münden. Doch gegen die geplante | |
| Wahl [3][war Gorillas mit einer einstweiligen Verfügung vorgegangen]. | |
| Gorillas hatte in einem noch am Dienstag eingereichten Schriftsatz | |
| argumentiert, seine 18 Berliner Lager, im Konzernsprech Warehouses genannt, | |
| nun in eigenständige Unternehmen umgewandelt zu haben; die Angestellten | |
| mussten vergangene Woche entsprechende neue Verträge etwa mit dem Warehouse | |
| Steglitz unterschreiben, wie ein Fahrer aus dem Wahlvorstand der taz sagte. | |
| Laut Gorillas sei die anberaumte Wahl damit hinfällig, da nicht klar sei, | |
| für welchen Betrieb nun ein Betriebsrat gegründet werden solle. Doch das | |
| Gericht folgte der Argumentation der Verteidigung: Gorillas habe keinerlei | |
| Informationen zu den neuen Betriebsstrukturen vorgetragen. Es sei damit | |
| nicht nachvollziehbar, dass das ursprüngliche Unternehmen nicht mehr | |
| existiere. | |
| Auch weitere Vorbehalte hielt das Gericht nicht für ausreichend, um nun in | |
| den Wahlvorgang einzugreifen. Gorillas hatte etwa eine fehlerhafte | |
| Information zur Wahl des Wahlvorstandes angemerkt, da der Aushang in der | |
| Zentrale der Führungsetage gefehlt habe, und den Ausschluss einiger | |
| leitender Angestellter von der Wahl. Gorillas bliebe gleichwohl die | |
| Möglichkeit, im Nachhinein in einem ordentlichen Verfahren die Wahl | |
| anzufechten. | |
| ## Kein Sozialpartner | |
| Der Anwalt des Wahlvorstandes, Martin Bechert, sprach von einem großen | |
| Erfolg: „Eine Wahl ist auch von solchen Arbeitgebern nicht zu stoppen“, | |
| sagte er. Von Montag an werden die Beschäftigten nun erstmals in dem | |
| Unternehmen eine Interessenvertretung wählen können. Kommenden Samstag | |
| sollen die Stimmen öffentlich ausgezählt werden. Bechert warf dem | |
| Unternehmen „Union Busting“ vor, also die systematische Bekämpfung | |
| gewerkschaftlicher Strukturen. Mit solchen Unternehmen existiere „keine | |
| Sozialpartnerschaft“, sagte er. | |
| Hätte Gorillas seine Betriebsstrukturen für die aufgesplitterten | |
| Unternehmen dargelegt, wäre es ihnen wohl gelungen, die Wahl zu verhindern. | |
| Den Beschäftigten droht damit die Gefahr, dass es schließlich einen | |
| gewählten Betriebsrat ohne Betrieb gibt. Doch Bechert gab sich | |
| optimistisch. Sollte Gorillas Informationen über die Strukturen, über | |
| Mitarbeiter und Leitungsgremien in den neuen Unterfirmen liefern, sei dies | |
| „Gold wert“. Er stellte für diesen Fall die Wahl von 18 Betriebsräten für | |
| jedes Lager und für die Konzernmutter in Aussicht. Auch für Wahlvorstand | |
| Camilo Alvarez klingt das vielversprechend: „Wenn wir an jedem Standort | |
| einen Betriebsrat hätten, wären wir viel besser vernetzt.“ | |
| So weit will Anna Hicks dagegen noch nicht denken. Die junge | |
| Wahlvorstandsvorsitzende und Betriebsratskandidatin sprach nach der | |
| Gerichtsentscheidung davon, die Arbeit im Betriebsrat unmittelbar nach der | |
| Wahl aufzunehmen. Dringlichste Aufgabe sei es sicherzustellen, dass die | |
| Angestellten korrekte Bezahlungen erhielten. | |
| ## Keine Macht den Beschäftigten | |
| Gorillas beschäftigt derzeit etwa 2.000 Mitarbeiter:innen allein in | |
| Berlin, 75 Prozent davon sind Fahrer:innen oder Lagermitarbeiter:innen. | |
| Über genaue Zahlen, auch über Berlin hinaus, schweigt sich Gorillas aus. | |
| Kürzlich wurde bekannt, dass sich das wachsende Unternehmen nun unter dem | |
| Dach einer niederländischen Holding organisiert. | |
| Für Maren Ulbrich, Gewerkschaftssekretärin von Verdi, „liegt der Verdacht | |
| nah“, dass Gorillas so die „mögliche Wahl eines Aufsichtsrats umgehen | |
| will“. In diesem würden neben Vertreter:innen der Unternehmensseite | |
| auch Beschäftigte die Geschäftsleitung und unternehmerische Aktivitäten | |
| kontrollieren. | |
| Bei einem Protest der Gorilla-Beschäftigten und ihrer | |
| Unterstützer:innen am Dienstagabend in Kreuzberg mit deutlich mehr als | |
| der erwarteten 200 Teilnehmer:innen wurde vielstimmig die wütende | |
| Forderung nach einem Boykott von Gorillas laut. Dies teilen nicht alle. | |
| Ferhat S., Mitglied des Wahlvorstandes sagte der taz: „Es geht nicht um | |
| Zerstörung von Gorillas, sondern um gute Arbeitsbedingungen.“ Mangelhafte | |
| Ausrüstung und fehlerhafte Gehaltsabrechnungen sind die größten | |
| Kritikpunkte, die Gorillas-Angestellten seit Monaten vortragen und für die | |
| sie mehrmals Lager blockierten. Gorillas hatte daraufhin Anfang Oktober | |
| Dutzenden Streikenden gekündigt. | |
| Ihren Kampf bezeichnet das Kollektiv der Gorilla Arbeiter:innen als den | |
| einer „migrantischen Arbeiterklasse“. Denn ein Großteil der Fahrer:innen | |
| stammt etwa aus Südeuropa oder auch Chile und sei teilweise nur mit | |
| Touristen- oder Studierendenvisa im Land – entsprechend international ging | |
| es auf der Demo zu. | |
| „4,5 Millionen Mal haben Rider im letzten Jahr ihr Leben und ihre | |
| Gesundheit riskiert, damit jemand Reiches in 10 Minuten seine Einkäufe | |
| bekommt!“, hieß es in einem bejubelten Redebeitrag. Später ging es mit | |
| „Whats disgusting? Unionbusting!“-Rufen durch den Kiez. An einen Erfolg vor | |
| Gericht mochten da viele noch nicht denken. | |
| 17 Nov 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Erik Peter | |
| Hanno Rehlinger | |
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