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# taz.de -- Der Weg zur Klimagerechtigkeit: Wissenschaft fordert mehr Tempo
> Eine Allianz von WissenschaftlerInnen fordert radikale Einschnitte für
> Superreiche zugunsten der Ärmsten. Sie warnt vor Feuern und Kipppunkten.
Bild: Feuerwehrleute in Markati bei Athen im Sommer 2021
Glasgow taz | Die explosivste Sprengstoff versteckt sich auf Seite 24:
„Eine gerechte Verteilung des CO2-Budgets erfordert vom [1][reichsten 1
Prozent der Weltbevölkerung], ihre Emissionen mindestens um den Faktor 30
zu senken. Die Pro-Kopf-Emissionen von 50 Prozent der weltweit ärmsten
Bevölkerung könnten sich dagegen vom jetzigen Niveau verdreifachen.“
Radikale Schnitte für die Superreichen, Wachstum für die ärmere Hälfte der
Welt – diese Forderung stellt auf dem Klimagipfel von Glasgow eine Gruppe
renommierter WissenschaftlerInnen, UN-Organisationen und
Forschungsinstitute, die sich unter dem Label „futureearth“
zusammenfinden.
Rechtzeitig zum Beginn der entscheidenden zweiten Woche auf der Konferenz
legten sie am Donnerstag ihren Bericht [2][„Zehn neue Einblicke in die
Klimawissenschaften“] vor. Manches darin ist tatsächlich bislang unbekannt,
anderes verstärkt bisherigen Annahmen. Der Bericht bilanziert, dass ein
„Wegsteuern von katastrophalem Klimawandel notwendig, dringend und möglich
ist“, wie es heißt.
Die Chefin des UN-Klimasekretariats, Patricia Espinosa, sagte bei der
Vorstellung: „Wir müssen vom langsamen Wandel wegkommen und jetzt die
richtigen Entscheidungen treffen.“ Und Johan Rockström, Co-Direktor des
[3][Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK)] und einer der 55
Autoren, fordert: „Jeder Verhandler hier sollte diesen Bericht in der
Tasche haben, wenn er Entscheidungen fällt. Uns läuft die Zeit davon.“
Im Einzelnen liefert der Report vier Beschreibungen und sechs Empfehlungen.
Die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze sei „noch möglich, verlangt aber
sofortiges und drastisches Handeln“, schreiben die AutorInnen. Die
weltweiten Emissionen müssten bis 2040 jedes Jahr mindestens um 5 Prozent
sinken (fast so viel wie 2020 während der Corona-Rezession), um zumindest
eine Fifty-fifty-Chance auf die 1,5-Grad-Grenze zu halten.
Aber Rockström weist auch auf oft unterschätzte Klimakiller hin: Bisher
„bringt uns schnelles Wachstum bei den Emissionen von Methan und
Stickoxiden auf einen Kurs zu 2,7 Grad“, vor allem die Landwirtschaft müsse
sich ändern. Methan könne einfach und günstig bis 2030 um 45 Prozent
reduziert werden – das groß angelegte „Methan-Versprechen“ von 100 Staat…
auf der COP stellt aber gerade mal 30 Prozent in Aussicht.
## Zeitalter der Megafeuer
Neu sind auch zwei weitere Beobachtungen: „Wir treten in ein Zeitalter der
Megafeuer ein“, warnt Rockström. Riesige Brände wie in Australien, Russland
oder Nord- und Südamerika würden sich bald häufen, ganze Ökosysteme
bedrohen und die Klimakrise anheizen. Mit Sorge sehen die Forscher auch,
dass „Kipppunkte“ von großen Umwälzungen im Erdsystem wahrscheinlicher
werden: Die Eisschilde an Nord- und Südpol bröckeln teilweise, der
Golfstrom und andere Meeresströmungen schwächen sich deutlich ab, der
Amazonas-Regenwald entlässt mancherorts mehr CO2 in die Luft als er
speichert.
Der Forschungsverbund begnügt sich nicht mit der Präsentation von Zahlen.
Für die WissenschaftlerInnen ist klar: Wenn die Radikalkur zu 1,5 Grad
gelingen soll, muss vieles zusammenkommen: Ein „gerechter Übergang“ zu
einer klimagerechten Wirtschaftsweise muss die ärmere Bevölkerung
entlasten.
Die Einnahmen aus einem CO2-Preis, den es bisher nur auf 22 Prozent der
globalen Emissionen gibt, sollten so verteilt werden, dass Arme davon
profitieren. Ein aktueller Bericht der Entwicklungsorganisation Oxfam über
„Kohlenstoff-Ungleichheit“ zeigt, dass reiche Bevölkerungsteile
überproportional verantwortlich für die Klimakrise sind.
Überhaupt müsse mehr über Verhalten und Verbrauchsmuster gesprochen werden,
fordern die WissenschaftlerInnen von „Future Earth“. „Wenn wir beim Status
quo des Konsumwachstums bleiben, gefährden wir jeden Erfolg der
Dekarbonisierung“, etwa bei Kraftwerken, heißt es.
Die Klimakrise als einen Notfall wie die Coronapandemie zu begreifen, könne
Verhalten ändern: [4][Weniger Fleisch essen], weniger Autos und Flugzeuge
nutzen, anders heizen. Der große Vorteil laut dem Report: Mittelfristig
würde sich Klimaschutz auch durch eingesparte Kosten im Gesundheitssystem
bezahlt machen: „Die Vorteile für die Gesundheit haben häufig mehr
ökonomischen Wert als die Kosten des Klimaschutzes.“
Schließlich mahnen die ForscherInnen, die Klimakrise sei nur durch besseren
Naturschutz zu bekämpfen. Für eine Senkung der CO2-Emissionen seien
biologisch funktionierende Ozeane und Landsysteme unerlässlich.
„Natur-gestützte Lösungen“ hätten große Vorteile, dürften aber nicht d…
Landrechte indigener Völker, die Interessen von Entwicklungsländern oder
andere Nachhaltigkeitsziele missachten. Auf keinen Fall dürften
Naturlösungen, wie etwa Aufforstungen im Globalen Süden, dazu führen, dass
reiche Länder sich von ihren CO2-Emissionen freikaufen.
8 Nov 2021
## LINKS
[1] /Statistiken-zu-Vermoegen/!5779139
[2] https://10nics2020.futureearth.org/
[3] /Klimaforscher-ueber-Ampel-Verhandlungen/!5807273
[4] /Zertifikatehandel-mit-dem-Klimagewissen/!5813118
## AUTOREN
Bernhard Pötter
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