# taz.de -- Oxfam-Studie über Arbeitsbedingungen: Bei der Traubenlese nur Hung… | |
> Costa Rica ist der wichtigste Ananaslieferant der Welt. Doch genau wie in | |
> Südafrika werden die Arbeitenden dort mies bezahlt. | |
Bild: Arbeiter auf einer Ananasplantage in Costa Rica | |
BERLIN taz | Didier Leitón ist froh, dass es Studien über die | |
Arbeitsbedingungen im Plantagensystem Costa Ricas gibt. „Es sind | |
internationale Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam, die sichtbar | |
machen, was die Regierung, die Lobby der Fruchtexporteure, aber auch die | |
Zertifizierungsagenturen abstreiten: die permanente Verletzung von | |
Arbeitsrechten“, so Leitón, Sekretär der Gewerkschaft der Landarbeiter | |
(Sitrap) aus Guapiles. | |
Die kleine Stadt liegt im Ananasanbaugebiet des Landes, welches rund 75 | |
Prozent der süßen Früchte nach Deutschland liefert. Costa Rica, bekannt für | |
nachhaltigen Tourismus, Nationalparks und eine engagierte | |
Klimaschutzpolitik, ist bei den Arbeitsrechten alles andere als progressiv, | |
so Leitón. | |
Das belegt auch [1][die am Dienstag vorgestellte Oxfam-Studie] „Grenzenlose | |
Ausbeutung“, die die Arbeitsbedingungen auf Plantagen in Costa Rica und | |
Südafrika unter die Lupe nimmt und en detail das systematische Unterlaufen | |
von Arbeitsrechten und Mindestlöhnen nachweist: bei der Wein- und | |
Tafeltraubenernte und ihrer Verarbeitung in Südafrika und bei der Bananen- | |
und Ananasernte in Costa Rica. | |
Zwei Länder, zwei Kontinente – aber nahezu identische Probleme, auf die | |
Oxfam nicht zum ersten Mal aufmerksam macht. 2016 und 2017 gab es bereits | |
Studien zu den beiden Ländern, und ein Grund für die neue Studie war es, zu | |
analysieren, ob es Fortschritte gibt, so Tim Zahn, Oxfam-Experte für | |
Wirtschaft und Menschenrechte. | |
„Leider haben wir trotz aller Beteuerungen der großen Supermarktketten | |
festgestellt, dass sich nur wenig geändert hat. Deshalb haben wir die | |
Importeure von Edeka, über Rewe bis zu Lidl und Aldi konfrontiert und in | |
diesem Kontext auch auf das deutsche und das kommende EU-Lieferkettengesetz | |
hingewiesen“, so Zahn, Mitautor der Studie. | |
Extrembeispiel war das einer Arbeiterin von Upala Agrícola, Lieferant von | |
Edeka aus Costa Rica. Die Arbeiterin erhält nur 4,50 Euro am Tag, weniger | |
als ein Drittel des offiziellen Mindestlohns von 10.682 Colones (14,84 | |
Euro). Kein Einzelfall in Costa Rica, wo die Zahlung des Mindestlohns auf | |
den Plantagen wenig kontrolliert wird, wie Didier Leitón bestätigt. „Das | |
Arbeitsministerium hat kaum politisches Gewicht, und für Inspektionstouren | |
an der gesamten Karibikküste und dem dazugehörigen Hinterland steht nur ein | |
Auto zur Verfügung, das oft kaputt ist oder kein Benzin hat“, hat so der | |
Gewerkschaftssekretär. | |
Organisierte Arbeiter:innen sind auf den Plantagen ungern gesehen, | |
Entlassungen unter Vorwänden alles andere als selten. Leitón ist mehrfach | |
daran gehindert worden Plantagen zu betreten. Das gehört jedoch zu seinem | |
Job und ist durch Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation | |
(ILO) geregelt. In Costa Rica werden sie jedoch nicht eingehalten, auch | |
wenn Zertifizierungsagenturen wie [2][Rainforest Alliance] genau das | |
bescheinigen. „Kontrolleure“, so Leitón, „stecken mit den Betrieben unter | |
einer Decke.“ | |
## Südafrika: nicht besser | |
Strukturen, die in Südafrika ebenfalls zu beobachten sind: Dort klagten | |
mehrere Arbeiterinnen, dass sie für eine Arbeitsstelle im südafrikanischen | |
Traubenanbau zu sexuellen Handlungen genötigt werden. Zudem seien sie | |
giftigen Pestiziden ausgesetzt und hätten keinen Zugang zu Toiletten und | |
Trinkwasser bei der Arbeit. Missstände, mit denen das Oxfam-Team die | |
Supermarktketten konfrontierte. Die reagierten sehr unterschiedlich: Edeka | |
verwies in einer ersten Reaktion darauf, dass alle Lieferanten von | |
Rainforest Alliance oder Global Gap zertifiziert sein müssen. | |
Für die Unterschreitung von Mindestlöhnen seien die Behörden vor Ort | |
verantwortlich. Fehlende unternehmerische Sorgfaltspflicht attestiert | |
Oxfam. Anders reagierte Lidl. Das legte seine Lieferkette offen und | |
kündigte eine unabhängige Prüfung an. Es bleibt zu hoffen, dass alle | |
Supermarktketten zukünftig so reagieren. Doch vieles wird davon abhängen, | |
so Tim Zahn, ob die Leidtragenden mieser Geschäftspraktiken zukünftig auch | |
ein Recht auf Entschädigung haben. Das bietet der erste Entwurf des | |
EU-Lieferkettengesetzes – im Gegensatz zur deutschen Variante. | |
2 Mar 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/lander-regionen/costa-rica | |
[2] https://www.rainforest-alliance.org/ | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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