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# taz.de -- Weinernte in Südafrika: Fairtrade-Wein ohne Mindestlohn
> In Europa wird der Wein als fair verkauft. Doch die Mitarbeiterinnen, die
> ihn in Südafrika ernten, sind schlecht bezahlt und Pestiziden ausgesetzt.
Bild: Harte Arbeit, fair verkauft, ungenügend bezahlt: Arbeiter*innen auf Fair…
Kapstadt taz | Fairtrade ist „kamma-laaiks“, übersetzt aus dem Afrikaans:
„tut nur so als ob“, so steht es im Titel eines Berichts, den das
südafrikanische [1][Women on Farms Project] (WFP) am Donnerstag
veröffentlicht hat. Darin zeichnet die NGO aus Stellenbosch ein
desillusionierendes Bild von der [2][Produktion südafrikanischen Weins],
der mit einem Fairtrade-Label in europäischen Supermärkten landet.
Südafrikas Winzer sind stark abhängig vom Export nach Deutschland. Mit 92
Millionen Litern pro Jahr war die Bundesrepublik 2020 nach Großbritannien
der größte Abnehmer Südafrikas.
Für die Untersuchung hat WFP vor allem Frauen befragt, da sie häufig
schwierigeren Arbeitsbedingungen ausgesetzt seien. Gut die Hälfte der 94
befragten Arbeiterinnen von 18 von Fairtrade zertifizierten Weingütern
sagte aus, dass sie Pestiziden ausgesetzt seien – meist ohne zu wissen, wie
diese richtig eingesetzt werden. 31 Prozent der Befragten gab an, weniger
als den Mindestlohn zu verdienen. In Südafrika sind das umgerechnet knapp
1,30 Euro pro Stunde.
Jede fünfte Person gab an, dass sie vor den angekündigten Prüfungen durch
die Fairtrade-Organisation angewiesen wurden, was sie sagen sollen und was
nicht. Jede zehnte Person hatte laut dem Bericht Angst, sich kritisch zu
äußern. Keine der befragten Arbeiterinnen kannte eine für Beschwerden
eingerichtete Whatsapp-Nummer.
Fairtrade äußerte sich auf Anfrage der taz zurückhaltend zu der
Untersuchung. Man müsse sie zunächst prüfen, stehe aber weiter dafür, dass
„zertifizierte Produzenten und Arbeiter eine sichere und nachhaltige
Existenzgrundlage haben, ihr Potenzial ausschöpfen und über ihre Zukunft
entscheiden können“, antwortete die Organisation.
## Reaktion nach fast einem Jahr
Fairtrade habe gute Richtlinien, sagt WFP-Mitarbeiterin Denile Samuel zur
taz, aber: „Sie funktionieren nicht im Kontext von Südafrika.“ Viele
Ergebnisse des Berichts zeigten das eindrücklich. Besonders erschütternd
ist für die Projektkoordinatorin die Form der Diskriminierung, der die
Arbeiter:innen von den Farmbesitzern ausgesetzt seien. Im vergangenen
Mai habe die NGO so eine Beschwerde gegen das Weingut Koopmanskloof
Wingerde eingereicht, einen der insgesamt 24 von Fairtrade zertifizierten
Winzer in Südafrika.
Der Vorwurf: Das Unternehmen, das Fairtrade-Wein unter anderem über Gepa in
Deutschland verkauft, sorge weder für eine angemessene Unterbringung der
Arbeiter:innen noch für Zugang zu Trinkwasser. Erst fast ein Jahr
später habe das Weingut seine Zertifizierung verloren. „Wenn es für uns so
lange dauert, wie lange braucht es dann, bis sich die Umstände für die
Arbeiter verbessern?“, fragt Samuel.
Viele würden sich nicht beschweren, weil sie Angst hätten, danach
eingeschüchtert zu werden oder ihren Job zu verlieren, erzählt Maria Botha.
Ihr Name ist zu ihrem Schutz geändert. Botha arbeitet und lebt seit über 15
Jahren auf einem Fairtrade-Weingut in der Nähe der Kleinstadt Paarl.
Auch sie wüsste nicht, an wen sie ihre Beschwerde adressieren könnte. Wer
aktuell der Besitzer ihrer Farm ist, konnte die 33-Jährige nicht sagen.
Für sie seien die Arbeitsbedingungen immerhin besser als in den
konventionellen Weingütern im Tal, wo Arbeiter:innen oft kein Wohnrecht
haben, sondern in selbst gebauten Wellblechhütten nahe der Weinstöcke
unterkommen. Laut WFP-Bericht gibt es in fast allen Fairtrade-Betrieben
Zugang zu fließendem Wasser oder Strom. Anders als ein Drittel der
Befragten verdient Botha auch den gesetzlichen Mindestlohn.
Ob ihr das zum Leben reicht? „Absolut nicht“, sagt Botha. Nur für billiges
Essen wie Toastbrot oder Maismehl. Essen, das der Grund für weit
verbreitete Diabetes-Erkrankungen sei. Über 90 Prozent der befragten
Arbeiterinnen sagten, dass auch der gesetzliche Mindestlohn für sie nicht
existenzsichernd sei.
## Lohn nur geringer Anteil der Kosten
Dabei machen die Löhne nur einen geringen Anteil der Produktionskosten aus.
Laut einer [3][Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung] von 2020 erhalten die
Mitarbeiter:innen von einer konventionellen Rotweinflasche aus
Südafrika, die hierzulande für 2,49 Euro im Supermarkt angeboten wird, 3
Cent. Zwei Drittel des Erlöses teilen sich der hiesige Abfüller und der
Discounter.
Zusätzlich zum Mindestlohn vergibt Fairtrade Prämien an die Betriebe. Zum
Beispiel für „schicke“ Gebäude, erzählt Botha. „Aber was bleibt mir da…
Etwa wenn sie ihren Job verliert. Der Lohn reiche nicht aus, Geld zu
sparen, etwa für einen Kredit, für Land oder Möbel, für die Bestattung
ihrer Angehörigen oder die Bildung ihrer Kinder.
An die Universität wird ihr ältester Sohn nicht gehen können, sagt Botha.
Mit Glück werde er einen Job im Weingut bekommen. Die Arbeitslosenquote von
Jugendlichen in Südafrika lag 2022 bei über 60 Prozent. „Am Ende“, sagt
sie, „werde ich in einer solchen Hütte enden – und meine Kinder werden mir
folgen“.
23 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/people/Women-on-Farms-Project/100064137881308/
[2] /Oxfam-Studie-ueber-Arbeitsbedingungen/!5835400
[3] https://www.rosalux.de/publikation/id/42827
## AUTOREN
Ann Esswein
## TAGS
Wein
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Fairtrade
Internationaler Strafgerichtshof
Oxfam
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