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# taz.de -- Einladung an Putin zu Gipfel: Südafrika brüskiert Strafgerichtshof
> Südafrika ist Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs, der
> Russlands Präsidenten sucht. Deshalb müsste es ihn bei Einreise
> eigentlich festnehmen.
Bild: Preschte mit seiner Ankündigung wohl ohne Rückendeckung vor: Südafrika…
Kapstadt taz | Die Debatte zieht sich schon eine Weile hin – und am
Dienstag dieser Woche ließ Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa erst einmal
eine Bombe platzen: Russlands Präsident Wladimir Putin soll beim nächsten
Gipfel der Brics-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika)
im August in Pretoria empfangen werden. Damit das möglich ist, gab
Ramaphosa bekannt, dass Südafrika so bald wie möglich seine Mitgliedschaft
im Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag kündigen werde.
Anderenfalls wäre das Land, nachdem [1][Putin vom IStGH seit März als
Kriegsverbrecher gesucht wird], zu dessen Verhaftung bei Einreise
verpflichtet. Ramaphosa begründete die Entscheidung seiner Regierung damit,
dass „der IStGH eine ungerechte Praxis gegenüber bestimmten
Konfliktparteien“ gezeigt habe, und zitierte als Beleg sogar Aussagen der
Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Im Vorfeld hatte es verschiedene Spekulationen gegeben, wie sich Südafrika
verhalten sollte, wenn es vom 22. bis 24. August dieses Jahres als
Gastgeber des 15. Brics-Gipfels dessen Vorsitz übernimmt: Zuletzt schien
ein Kompromiss zu sein, dass Putin online aus Moskau zugeschaltet werden
solle. Dieser Vorschlag schien mit der Ankündigung Ramaphosas vom Tisch.
Doch noch in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch folgte ein ungewöhnlicher
Rückzug: In [2][einer Presseerklärung] des Büros des Generalvorsitzenden
der Regierungspartei African National Congress (ANC) war von einem
„ungewollten Eindruck“ die Rede, dass ein Rückzug Südafrikas aus dem IStGH
„unmittelbar“ bevorstünde. Dem sei jedoch nicht so. Insider vermuten, dass
der ANC und der Präsident selbst einfach vorgeprescht waren, ohne alle
legalen Folgen des Ausstiegs sorgfältig vorab zu klären.
## Südafrika hat eine Vorgeschichte mit dem IStGH
Gleichwohl wurde dadurch schon deutlich, welche Bedeutung die Brics-Staaten
für mehr und mehr Länder des Globalen Südens bereits haben. Der Verbund
wurde 2006 gegründet, wobei Südafrika etwas später hinzukam, um auch ein
Land des afrikanischen Kontinents dabeizuhaben. Während der
G7-Zusammenschluss den wirtschaftlichen Reichtum des Globalen Nordens
repräsentiert, steht Brics für die Mehrheit der Weltbevölkerung im Globalen
Süden, auch wenn die fünf Staaten gemeinsam nur 25 Prozent der
Weltwirtschaft auf sich vereinigen – Tendenz jedoch zunehmend. Auch
bewerben sich aktuell mehrere Länder, darunter Ägypten, Uruguay und
Bangladesch, um eine Mitgliedschaft.
Es gibt außerdem eine Vorgeschichte über Südafrikas Verhältnis zum IStGH,
das immerhin seit 1998 besteht. Im [3][Jahr 2015 reiste Omar al-Bashir nach
Südafrika ein]. Der damalige sudanesische Diktator, [4][der 2019 abgesetzt
wurde], wurde vom IStGH wegen Völkermordes, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gesucht. Als dann seine Verhaftung
drohte, konnte er auf mysteriöse Weise das Land wieder verlassen – ohne
Konsequenzen.
Mehrere Expert*innen, unter anderem eine Sprecherin der liberalen
Helen-Suzman-Stiftung, erklärten inzwischen, dass es mehrere legale Hürden
zu überwinden gäbe, damit Ramaphosas Plan bis August überhaupt
funktionieren könne: Die IStGH-Regeln selbst schreiben vor, dass nach
offizieller Kündigung die Mitgliedschaft erst nach 12 Monaten enden könne.
Ramaphosa wagt seinen Vorstoß zu einem auffälligen Zeitpunkt: Um seinen
ambitionierten „Investitionsplan für einen gerechten Energieübergang“ (Ju…
Energy Transition Investment Plan) – der besagt, dass innerhalb von fünf
Jahren von derzeit noch 80 Prozent Kohle auf erneuerbare Energien
umgestellt werden soll – umsetzen zu können, ist Südafrika in hohem Maße
von internationalen Finanzquellen abhängig.
## Stromausfall, und nun schließt wohl auch noch die Post
In den kommenden südafrikanischen Wintermonaten droht – nachdem der
[5][Strom bereits jetzt mehr als acht Stunden täglich ausfällt] – der
totale Blackout. Ein Warnsignal: Die Währung Südafrikas, der Rand, ist
derzeit auf einem neuen Tiefststand von rund 20 Rand zu 1 Euro angekommen.
Und nicht nur der staatliche Energieversorger Eskom versinkt – trotz eben
neu ernanntem Elektrizitätsminister – zunehmend im Chaos. Als jüngste
Hiobsbotschaft wurde kürzlich verkündet, dass die etwa 1.300 staatlichen
Postämter im Land wegen hoher Verschuldung in Kürze schließen müssen – und
Briefe und Pakete nur noch über private Zulieferer, unbezahlbar für die
Mehrheit der armen Bevölkerung, zugestellt werden könnten.
26 Apr 2023
## LINKS
[1] /Internationaler-Strafgerichtshof/!5922646
[2] https://pbs.twimg.com/media/Ful0hKJXoAYEyHV?format=jpg&name=900x900
[3] https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fpolitik%2Fau…
[4] /Omar-al-Bashir-von-Armee-abgesetzt/!5587327
[5] /Energienotstand-im-suedlichen-Afrika/!5906227
## AUTOREN
Lutz van Dijk
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