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# taz.de -- Afrikanische Politik im Ukrainekrieg: Diplomatische Reisegeste
> Afrikanische Politiker taten die Ukraine lange als Bauernopfer ab.
> Ein Besuch in Kyjiw weist auf einen Wandel hin. Der erfolgte nicht ohne
> Druck.
Bild: Der ukrainischer Präsident Selenski und der südafrikanische Präsident …
Dass die Friedensmission afrikanischer Staatschefs in der Ukraine und in
Russland am vergangenen Wochenende viel erreichen würde, hatte kaum jemand
erwartet. Und tatsächlich gab es am [1][Ende wenig Konkretes zu berichten]
außer dem Versprechen aller Seiten, weiter im Gespräch zu bleiben.
Die Friedensreise der Staatschefs war vor allem eine diplomatische Geste:
Die Bahnfahrt von Polen nach Kyjiw signalisierte die verspätete
afrikanische Anerkennung der ukrainischen Perspektive. Lange hatten
hochrangige Politiker:innen etwa aus Südafrika die Ukraine als bloßes
Bauernopfer in einem größeren Konflikt zwischen Russland, China und dem
Westen abgetan.
Im Februar 2022 verurteilten in der UN-Generalversammlung gerade mal 28 von
55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union (AU) den russischen Überfall,
während sich eine große Minderheit enthielt oder nicht zur Abstimmung
erschien. Einige wenige Staaten lehnten die Resolution sogar ab und
stellten sich damit offen [2][an die Seite Russlands]. Seit Februar 2022
hatte nur ein einziges afrikanisches Staatsoberhaupt Kyjiw besucht, aber
viele andere sind nach Moskau gereist.
## Putin reagierte unwirsch
Die diplomatische Reisegeste versammelte nun gleich sieben hochrangige
Politiker, um eine neue afrikanische Geschlossenheit zu vermitteln, und
vielleicht auch um Wiedergutmachung für frühere Versäumnisse zu leisten. So
reisten jetzt sowohl der derzeitige Vorsitzende der Afrikanischen Union
(AU) und Präsident der Komoren, Azali Assoumani, und die Staatsoberhäupter
und Vertreter von sechs weiteren afrikanischen Staaten nach Kyjiw.
Drei dieser Staaten – Südafrika, Republik Kongo und Uganda – haben sich bei
den verschiedenen Abstimmungen in der UN-Generalversammlung konsequent
enthalten. In Kyjiw und anschließend in St. Petersburg stellte die
afrikanische Delegation nun jedoch einen 10-Punkte-Plan vor, in dem sie
sich zur internationalen Norm der staatlichen Souveränität bekennt und
diese Anerkennung auch von den Kriegsparteien einfordert. Entsprechend
unwirsch reagierte Putin, der seinen Gästen ins Wort fiel, auf die
Vorschläge.
Auch sonst hat die russische Seite viel dafür getan, die Besucher zu
verprellen. Als diese gerade in Kyjiw angekommen waren, schoss das
russische Militär mehrere Raketen auf das Stadtzentrum ab. Die afrikanische
Delegation musste in einen Schutzraum flüchten. Während des anschließenden
Treffens mit Putin in St. Petersburg stellte dieser klar, dass er das
Schwarzmeer-Getreideabkommen im Juli auslaufen lassen will. Das Abkommen
regelt die Ausfuhr ukrainischen Weizens. Durch den Wegfall des Abkommens
würde die Ernährungssicherheit besonders in Nordafrika weiter
eingeschränkt.
Nun ließe sich einwenden, dass eine siebenköpfige Gruppenreise für eine
bloße Geste nicht nur einen übertriebenen Aufwand darstellt, sondern dass
insbesondere Südafrika nicht aus freien Stücken zu der Einsicht gekommen
ist, die eigene Haltung zum Krieg korrigieren zu müssen.
Die USA haben in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass sie die Geduld
mit der russlandfreundlichen Politik Pretorias verlieren: zunächst
beschuldigte der US-Botschafter in Südafrika das Land, ein sanktioniertes
russisches Schiff in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit Waffen beladen zu
haben. Wenig später forderten Kongressabgeordnete, den Ausschluss
Südafrikas aus dem lukrativen AGOA-Handelsabkommen zu prüfen, das Südafrika
bevorzugten Zugang für seine Exportprodukte auf dem amerikanischen Markt
gewährt.
Manche fragten, warum Südafrika unter Druck gesetzt, während Indiens
Staatschef in Washington besondere Ehre zuteil wird – obgleich die
Russland-Politik beider Länder durchaus vergleichbar ist. Die Antwort liegt
nahe: Südafrika ist das wirtschaftlich schwächste Glied des
BRICS-Staatenbündnisses, zu dem neben Indien auch China, Russland und
Brasilien gehören. Der amerikanische Druck wegen der südafrikanischen
Russland-Politik zielt letztlich auf den großen Rivalen China und den
Zusammenhalt des BRICS-Bündnisses.
## Indirekte Verurteilung der Verbrechen Putins
Ohnehin steht Südafrika durch seine Gastgeberrolle beim nächsten
BRICS-Gipfel Ende August in Johannesburg unter Druck. Die Entscheidung,
[3][ob und wie Putin am Gipfel teilnehmen kann, obwohl ein Haftbefehl des
Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn vorliegt, schiebt Pretoria seit
Wochen vor sich her]. Dass im afrikanischen 10-Punkte-Plan auch die
Rückkehr der durch Russland entführten ukrainischen Kinder zu ihren
Familien gefordert wird, stellt eine indirekte Verurteilung dieser
Verbrechen Putins und eine Anerkennung der Begründung des Haftbefehls dar.
Europäische Hauptstädte reagierten unterschiedlich auf den Besuch. Selenski
nahm sich Zeit für die afrikanischen Gäste, zeigte aber auch sein
Unverständnis darüber, dass sie nach ihrem Besuch in Kyjiw nach St.
Petersburg weiterreisten. [4][Die polnische Regierung stichelte gegenüber
Südafrika, indem sie mit Verweis auf fehlende Dokumente ein Flugzeug
mitsamt Ramaphosas Leibwächtern und Journalisten in Warschau festhielt].
Dass dadurch eine unabhängige südafrikanische mediale Berichterstattung
verhindert wurde, nahm die rechtsgerichtete Regierung in Warschau in Kauf.
Westeuropäische Diplomat:innen, darunter die deutsche Außenministerin
Annalena Baerbock, äußerten hingegen die Hoffnung, dass auf die
afrikanische Geste weitere Schritte folgen. Zeigen wird sich dies als
nächstes beim russisch-afrikanischen Gipfel, zu dem Putin Ende Juli
eingeladen hat. Sollten viele afrikanische Staatsmänner dort erscheinen,
ohne zuvor hochrangige Vertreter nach Kyjiw zu senden, bliebe die
afrikanische Friedensinitiative nicht viel mehr als einen Wochenendausflug
ins Kriegsgebiet. Können die afrikanischen Diplomaten jedoch akzeptable und
praktikable Ideen für Verhandlungsansätze vorlegen, könnten sie in Zukunft
eine Brückenfunktion zwischen Russland und der Ukraine übernehmen.
30 Jun 2023
## LINKS
[1] /Krieg-in-der-Ukraine/!5938759
[2] /Russische-Propagandasender-in-Afrika/!5909500
[3] /Einladung-an-Putin-zu-Gipfel/!5927631
[4] /Spannungen-zwischen-Polen-und-Suedafrika/!5938890
## AUTOREN
Alex Veit
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