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# taz.de -- Energiedefizit in Südafrika: Ramaphosa bleibt zögerlich
> Südafrikas Stromkrise wird schlimmer, im kommenden Winter droht der
> totale Blackout. Die Regierung tritt dem nicht entschlossen entgegen.
Bild: Die Schneiderin Faieza Caswell näht bei Kerzenlicht an ihrem Arbeitsplat…
Kapstadt taz | „2023 wird ein hartes Jahr werden – mit noch längeren
Stromausfällen als je zuvor“, meint André de Ruyter, Exdirektor des
südafrikanischen staatlichen Energiekonzerns Eskom, in einem
Fernseh-Interview am 22. Februar. Sachlich berichtete er, warum er am
Morgen des 12. Dezember kündigte und wie er ein Attentat später am Tag
überlebte.
Seine Aussagen belegen nicht nur, wie innerhalb von Eskom Diebstahl und
Korruption offenbar organisiert und mit Wissen von Vorgesetzten geschehen,
sondern auch, wie seine Versuche abgeblockt wurden, die Verantwortlichen
zur Rechenschaft zu ziehen. „Pro Monat verliert Eskom und damit Südafrika
dadurch rund 1 Milliarde Rand“ (umgerechnet etwa 53 Millionen Euro),
bezifferte er den Schaden. Dies erhält besondere Brisanz dadurch, dass
Eskom für April eine Erhöhung der Gebühren für normale Kunden um 32 Prozent
angekündigt hat, was für viele arme Menschen unerschwinglich sein wird.
Als Beispiel für Korruption und das Wegsehen von Polizei nannte er den Fall
eines Lieferanten, der technische Teile, die im Baumarkt nicht mehr als
umgerechnet €15 kosten, an Eskom für über €4200 pro Stück verkauft habe.…
wurde festgenommen, aber kam am nächsten Tag „wegen Mangels an Beweisen“
wieder frei.
Am Tag seiner Kündigung wird ein Attentat auf André de Ruyter verübt:
Jemand mischt eine tödliche Dosis Zyankali in seinen Kaffee. Er überlebt
knapp, weil ein Arzt das Gift in letzter Minute identifizieren kann. Als er
diesen Mordversuch zur Anzeige bringt, erscheinen zwei einfache Polizisten,
die nicht mal wissen, was Zyankali ist. Es kommt zu keiner Verhaftung. Ein
Verdächtiger, der angeblich die Kaffeemaschine zuvor repariert hatte,
„verschwindet“.
## Angst vor einem Total-Blackout im ganzen Land
Derweil wächst in Südafrika die Gefahr eines Total-Blackouts, ein
landesweiter unkontrollierter Zusammenbruch der Stromversorgung über
mehrere Tage. [1][Anders als die üblichen Stromausfälle von inzwischen oft
acht Stunden täglich], die zumindest meist vorher angekündigt werden, hätte
dies weit mehr als nur wirtschaftliche Folgen wie bereits jetzt
Entlassungen und Betriebsschließungen. Ärzt*innen mehrerer großer
Krankenhäuser warnen, die Versorgung mit Atemgeräten, Ambulanzen und
Medikamenten-Lieferungen sei dann nicht mehr aufrechtzuerhalten und nicht
mit Generatoren aufzufangen; dies werde zu „eskalierenden Opferzahlen“
führen.
Ganz zu schweigen von explodierender Diebstahls- und Gewaltkriminalität
angesichts ohne Strom nicht mehr funktionsfähiger Alarmsysteme und einer
schon jetzt überforderten Polizei. Expert*innen erinnern an einen nur
knapp zweitägigen Stromkollaps in New York City 2003 erinnert, der zu einer
bürgerkriegsähnlichen Situation mit mehr als 1600 Plünderungen und über
1000 Brandstiftungen geführt hatte.
Obwohl Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa die Stromausfälle inzwischen
zur „nationalen Katastrophe“ erklärt hat, die ihm besondere Befugnisse
zusichern, machen mehrere Faktoren dieses dramatische Szenario für die
bevorstehenden südafrikanischen Wintermonate Juni bis August
wahrscheinlicher. Im Jahresdurchschnitt konnte der staatliche
Energiebetrieb Eskom früher etwa 46.000 Megawatt (MW) Strom landesweit
produzieren – diese Kapazität nahm wegen mangelnder Instandhaltung,
Diebstahl und Korruption die letzten Jahre beständig ab und liegt derzeit
nur noch bei weniger als 24.000 MW. Die mangelnde Energieleistung wird
bisher durch immer längere Stromausfälle in Schach gehalten. Ein Konzept
für den Winter, wenn im Juli ein Höchstverbrauch von etwa 33.000 MW
benötigt wird, liegt bisher nicht vor.
## Erneubarer Energieplan steht auf der Kippe
Sollte die Stromversorgung kollabieren, stünde auch Südafrikas
vielgepriesener [2][“Investitionsplan für einen gerechten Energieübergang“
(Just Energy Transition Investment Plan, JET-IP)] für den Übergang von 80
Prozent Kohle zu mehrheitlich erneuerbaren Energien in den nächsten fünf
Jahren auf der Kippe. Dafür konnte Ramaphosa beim Weltklimagipfel COP 27 im
November in Kairo beachtliche internationale Unterstützung gewinnen. Doch
wenn nicht einmal die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, hätte
das Land erstmal drängendere Sorgen.
Für die internationalen Investitionen, die Südafrika für eine richtige
Energiewende benötigen würde, sind die Affären bei Eskom nicht hilfreich.
Zwei Tage nach André de Ruyters explosivem Fernsehinterview erklärte die
internationale Kontrollagentur „Financial Action Task Force“ (FATF), die
Staaten auf unsaubere Geldgeschäfte durchleuchtet, dass Südafrika auf ihre
sogenannte „Greylist“ aufgenommen sei. Hierzu gehören ansonsten Länder wie
die Demokratische Republik Kongo und Südsudan – ein Warnsignal an
internationale Geldgeber.
Auch wenn Präsident Ramaphosa wenig später erklärt, dass Südafrika nicht
nur seit 20 Jahren Mitglied von FATF ist und deren Mahnungen „als Ansporn
versteht, bestehende Mängel ernsthaft anzupacken“, so muss er sich nun noch
mehr an konkreten Taten messen lassen.
Auf de Ruyters Enthüllungen folgte bisher wenig. Ramaphosa rief seinen
Minister für staatliche Unternehmen, Pravin Gordhan, nicht zur Ordnung, als
dieser das eigene Nichtstun mit den Worten rechtfertigte: „Ja, ich bin von
André de Ruyter über Korruption bei Eskom informiert worden, aber ohne
ausreichende Belege“.
Energieminister Gwede Mantashe ging sogar noch weiter, indem er De Ruyter
„Verrat“ vorwarf. Diese Haltung fand letzte Woche Zustimmung des Vorstands
der Regierungspartei ANC (Afrikanischer Nationalkongress), der Mantashe
ermutigte, juristisch gegen die „diffamierenden Behauptungen“ des Ex-Eskom
Bosses vorzugehen.
## Ramaphosas Kabinett wird umgebaut
Am Abend des 6. März verkündete Präsident Ramaphosa endlich eine lange
angekündigte Umstrukturierung seines Kabinetts. Doch Hoffnungen eines
echten Neuanfangs erfüllen sich nicht. Gemäß seines Dogmas, das Bündnis des
ANC mit der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP) sowie dem
Gewerkschaftsbund COSATU um jeden Preis zusammenzuhalten, gab es wieder nur
halbherzige Kompromisse.
Unfähige Minister*innen bleiben, aber es wird das neue Amt eines
Elektrizitätsministers geschaffen, besetzt mit Kgosientso Ramokgopa, dem
eher jungen früheren Bürgermeister von Tshwane (Pretoria). Ob seine
administrative Kompetenz ausreicht, um einen Total-Blackout zu verhindern
und Diebstahl und Korruption im Energiesektor mutig anzupacken, werden erst
die nächsten Monate zeigen.
9 Mar 2023
## LINKS
[1] /Energienotstand-in-Suedafrika/!5906233
[2] /COP27-und-Suedafrika/!5894659
## AUTOREN
Lutz van Dijk
## TAGS
Südafrika
Cyril Ramaphosa
Strom
Energie
Südafrika
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Preisanstieg
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