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# taz.de -- Stromengpässe in Südafrika: Dunkle Zeiten
> Südafrikas staatlicher Energiekonzern kann den Bedarf nicht decken und
> schaltet stundenweise den Strom ab. Grund sind politische Versäumnisse.
Bild: Im Township Soweto versammeln sich Kinder während eines Stromausfalls vo…
Kapstadt/Amsterdam taz | Eigentlich hatte Südafrikas Präsident nach dem
Besuch bei US-Präsident Joe Biden und der Trauerfeier für Königin Elizabeth
II. in London letzte Woche zur UN-Vollversammlung nach New York fliegen
wollen. Stattdessen kehrte Staatsoberhaupt [1][Cyril Ramaphosa] früher nach
Hause zurück, da die Stromausfälle dort zunehmend zu Protesten führen.
Mehrmals täglich schaltet die staatliche Elektrizitätsgesellschaft Eskom
für Phasen von etwa zwei Stunden in bestimmten Regionen nach
Rotationsprinzip den Strom ab, um einen landesweiten Blackout zu
verhindern. „Load shedding“ heißt dies – „Lastenabwurf“: Eskom wirft…
Last ab, Strom zu liefern, den sie nicht hat. Weniger Lasten für Eskom,
mehr für die Bevölkerung. Immer öfter werden diese Abschaltungen nicht mal
angekündigt.
Die Folgen sind dramatisch: Obwohl große Krankenhäuser sich inzwischen mit
Generatoren behelfen, belasten die hohen Kosten dafür das Budget für andere
notwendige Versorgung. Professor Adam Mohamed vom Johannesburger Charlotte
Mxeke Hospital startete jetzt einen öffentlichen Aufruf, alle Krankenhäuser
von diesen gezielten Stromausfällen auszunehmen. Die Forderung erhielt in
zwei Tagen mehr als 34.000 Unterschriften.
In kleineren Medizinstationen auf dem Land und in Townships fallen
Beatmungsgeräte und andere lebenserhaltende Instrumente schlicht aus.
Nachdem sich mittelständische Betriebe oft gerade noch so über die
Coronalockdowns gerettet haben, zerbrechen nun viele an den kaum planbaren
Produktions- und Dienstleistungsausfällen.
## Eigentlich gäbe es genug Wind und Strom
Bongani T. (16) aus dem Township Nyanga bei Kapstadt versorgt seine drei
jüngeren Geschwister nach dem Tod der Mutter allein: „Sie starb nachts, als
die Schwester zu spät merkte, dass Mama ohne die Atemmaschine erstickt
war.“
Lumka M. (38), Besitzerin eines Lokals in Soweto: „Nachdem wir zum x-ten
Mal alle Einkäufe nur billig verscherbeln oder wegwerfen konnten, aber
nicht mehr als Mahlzeiten verkaufen, habe ich aufgegeben. Meiner Tochter
konnte ich bisher ihr Studium bezahlen, das ist nun zu Ende.“
Anders als bei aktuellen Gasproblemen in Europa ist der Stromausfall hier
hausgemacht und hat eine lange Vorgeschichte. Wenige Länder haben so gute
Voraussetzungen für Solar- und Windenergie wie Südafrika mit seinen vielen
Sonnenscheinstunden und dauerwindigen Küsten.
Eskom, 1923 gegründet, erzeugt rund 95 Prozent der in Südafrika
verbrauchten Elektrizität. Noch zu Zeiten der Apartheid wurde die
Energieleistung durch den Bau von Kohlekraftwerken bis 1990 im Vergleich zu
1960 um das Zehnfache erhöht. Ab 1994 war ein Anliegen der ersten
demokratischen Regierung Nelson Mandelas, günstigen Strom auch in armen
Wohngebieten zur Verfügung zu stellen, ohne jedoch die bestehenden
Kraftwerke zu modernisieren oder neue zu bauen.
Mandelas Nachfolger ab 1999, Thabo Mbeki, wollte das Problem lösen, indem
er Eskom zu privatisieren suchte, fand aber keinen Käufer. Erneut blieben
nötige Modernisierungen aus. Präsident Jacob Zuma wurden ab 2009 zwar
Mittel zur Instandhaltung vom Parlament genehmigt, die aber verschwanden
zumeist in privaten Taschen. Er wollte außerdem [2][Russland] den Auftrag
geben, mehrere altmodische Atomkraftwerke bauen zu lassen, was nur durch
ein Veto des Finanzministers verhindert wurde.
Heute werden die Schulden von Eskom auf umgerechnet 26 Milliarden US-Dollar
geschätzt – was auf absehbare Zeit nicht aufzubringen sein wird. Dass Eskom
nun ankündigte, ab April 2023 die Strompreise um 32 Prozent zu erhöhen –
nach einer bereits 2022 erfolgten Erhöhung um fast 10 Prozent –, wird
nichts lösen und nur Millionen arme Menschen zwingen, zu Paraffin, Holz und
Kerzen zurückzukehren, was zu mehr unkontrollierbaren Bränden führen wird.
Kapstadts Bürgermeister Geordin Hill-Lewis von der oppositionellen
Democratic Alliance (DA) verkündete im Juli einen 10-Punkte-Plan:
Energieanlagen sollen geschaffen werden, die von Eskom unabhängig sind;
Unternehmen, die alternativen Strom produzieren, sollen
Steuervergünstigungen bekommen. Immerhin gibt es jetzt in Kapstadt im
Schnitt bereits zwei Stunden weniger Stromausfall als landesweit.
Johannesburg hat angekündigt, diesem Vorbild zu folgen.
Auch Präsident Ramaphosa hatte im Juli mehr staatliche wie private
Investitionen in erneuerbare Energien gefordert. Letzten Donnerstag
unterzeichnete Energieminister Gwede Mantashe mit einer französischen Firma
immerhin einen Vertrag über den Bau der ersten 3 Windparks im Ost- und
Nordkap Südafrikas. Mehr als 20 sollen folgen. Expert*innen meinen, dass
die Energiekrise der Regierungspartei African National Congress (ANC) die
Mehrheit kosten könnte, wenn bis zu den landesweiten Wahlen 2024 nicht
deutlich mehr geschieht.
26 Sep 2022
## LINKS
[1] /Krisenstimmung-in-Suedafrika/!5870882
[2] /Beziehungen-Suedafrikas-mit-Russland/!5873369
## AUTOREN
Lutz van Dijk
## TAGS
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