# taz.de -- Krisenstimmung in Südafrika: Ramaphosa ringt um Kontrolle | |
> Der Landesverband des regierenden ANC entzieht Südafrikas Staatschef den | |
> Rückhalt. Zunehmende Gewalt verdüstert die Zukunftsperspektiven. | |
Bild: „Cyril Ramaphosa muss weg“: Demonstration vor der ANC-Parteizentrale … | |
Durban taz | Dass Präsident Cyril Ramaphosa ausgebuht wird, ist in | |
Südafrika mittlerweile normal. Dass seine eigenen Parteigenossen es tun, | |
zeigt, dass er die Kontrolle verliert – nicht nur über seine Partei, den | |
regierenden ANC (African National Congress), sondern scheinbar auch über | |
das Land. | |
Am vergangenen Wochenende hielt der ANC seinen Landesparteitag in der | |
Provinz [1][KwaZulu/Natal (KZN)] ab, wo [2][der größte ANC-Landesverband] | |
zuhause ist. Für Ramaphosa ist KZN ein schwieriges Terrain – es ist die | |
Heimat seines Vorgängers Jacob Zuma, der von 2009 bis zu seinem Sturz durch | |
Ramaphosa als ANC-Parteichef 2017 und als Staatspräsident 2018 an der Macht | |
war. Der ANC der Provinz unterstützte bei der Nachfolgewahl nicht | |
Ramaphosa, sondern Jacob Zumas Ehefrau Nkosazana Dlamini-Zuma, die aber | |
verlor. 2021 war KZN dann das Zentrum der blutigen Unruhen mit über 330 | |
Toten, die Südafrika erschütterten, als Zuma wegen Missachtung des Gerichts | |
im Rahmen der Korruptionsverfahren gegen ihn zu 15 Monaten Haft verurteilt | |
wurde. | |
Auf diesem Landesparteitag vertiefte sich die Spaltung. Delegierte sangen | |
Pro-Zuma-Lieder und wählten den Zuma-Loyalisten Siboniso Duma zum neuen | |
Landesparteichef, gegen den von Ramaphosa favorisierten | |
Provinzpremierminister Sihle Zikalala. Duma, dessen Faktion in Südafrika | |
als „Taliban“ bekannt ist, wird zwar Zikalala als Provinzpremier im Amt | |
lassen, aber sein Sieg ist eine Niederlage für Südafrikas Präsidenten. | |
Mit der Wahl Dumas war klar, dass die ANC-Delegierten Ramaphosa einen | |
feindseligen Empfang bereiten würden, wenn er zur geplanten Abschlussrede | |
des Parteitages käme. Der Staatspräsident sagte zunächst ab und verwies auf | |
„andere Verpflichtungen“, aber nach Druck, angeblich aus dem eigenen | |
Umfeld, kam er dann doch und wurde ausgebuht. | |
[3][Buhrufe für Ramaphosa] gab es schon öfter, etwa, als der Präsident im | |
vergangenen Oktober den ANC-Kommunahlwahlkampf in Soweto lancierte und | |
auch, als er dort seine Stimme abgab; ebenso am 1. Mai dieses Jahres, als | |
ihn Streikende bei der nationalen Maifeiertagsversammlung in Rustenburg | |
niederschrieen und er seine Rede abbrach. | |
Jetzt beim ANC-Landesparteitag in Durban hielt er seine Rede, nachdem die | |
Buhrufe endeten, und gratulierte den Siegern der KZN-Führungswahl. „Ich | |
verspreche, mit ihnen zusammenzuarbeiten, auf der Grundlage von Vertrauen, | |
Kooperation und dem Interesse des ANC in KZN“, sagte Ramaphosa. „Der ANC | |
ist, was uns vereint.“ | |
Doch der ANC selbst ist nicht vereint. Im Dezember muss sich Ramaphosa auf | |
einem Wahlparteitag um die Kandidatur für eine zweite Amtszeit als | |
Präsident Südafrikas bei den nächsten Wahlen 2024 bewerben. Da wird er | |
erneut gegen Zumas Ehefrau Nkosazana Dlamini-Zuma antreten müssen, die | |
aktuell als Ministerin für Kooperative Regierungsführung und Traditionelle | |
Angelegenheiten in seinem Kabinett dient. Ohne die Unterstützung der | |
mächtigen Landesverbände wie KZN könnte Ramaphosa Probleme bekommen. | |
Südafrikas Öffentlichkeit interessiert sich derweil mehr für die zunehmende | |
Gewalt auf der Straße. Tödliche Streitereien oder Raubüberfälle sind die | |
Menschen gewohnt, aber neuerdings kommt es zu Massakern, die eher | |
Terroranschlägen gleichen. | |
Der schlimmste ereignete sich am 9. Juli in Soweto, als Männer mit | |
AK-47-Sturmgewehren eine Bar im Stadtteil Orlando stürmten und 16 Menschen | |
töteten, bevor sie flohen. Am gleichen Tag gab es ein ähnliches, kleineres | |
Massaker in der KZN-Hauptstadt Pietermaritzburg. Am 22. Juli starben zwei | |
Menschen bei einem Sturmgewehrangriff auf eine Kneipe in Garankuwa nahe der | |
Hauptstadt Pretoria (Tshwane). | |
Der sozio-ökonomische Analyst Sifiso Mkhize vermutet einen Bandenkrieg | |
zwischen Barbesitzern als Ursache dieser Kette von Massakern. „Wie in den | |
Kriegen im Drogenhandel und bei Sammeltaxis wollen auch hier manche keinen | |
Wettbewerb zulassen“, sagt er. „Sie opfern unschuldige Menschenleben, um | |
aufzusteigen.“ | |
Aber auch außerhalb von Bars wird das Leben in Südafrika gefährlicher. | |
Vergangene Woche stürmten 15 Männer mit AK-47-Gewehren das Einkaufszentrum | |
Lakeside Mall in Benoni östlich von Johannesburg und eröffneten wahllos das | |
Feuer. Niemand starb, aber viele Läden wurden geplündert. | |
Expräsident Thabo Mbeki, der 1999 auf Nelson Mandela folgte und neun Jahre | |
lang regierte, hat gewarnt, dass Südafrika ein „Arabischer Frühling“ droh… | |
wie er 2011 durch Nordafrika fegte. Hohe und steigende Arbeitslosigkeit und | |
Armut, Gesetz- und Straflosigkeit und die Wahrnehmung, dass Korruption bis | |
zur höchsten Ebene grassiert, bedeuteten, dass Südafrika reif für einen | |
Volksaufstand sei, sagte Mbeki bei [4][seiner Trauerrede] für die | |
verstorbene ANC-Vizegeneralsekretärin Yasmin „Jessie“ Duarte am 21. Juli. | |
„Eines Tages wird es explodieren.“ | |
27 Jul 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kznonline.gov.za/ | |
[2] https://www.facebook.com/ANCKZN | |
[3] /!5808398/ | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=kaTKqvAAgOk | |
## AUTOREN | |
Njabulo Buthelezi | |
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