| # taz.de -- Klimagipfel in Glasgow: Wo Greta Thunberg irrt | |
| > Zu wenig, zu langsam, das ist die Standardreaktion vieler Beobachter auf | |
| > den Klimagipfel. Doch was in Glasgow passiert, sollte auch Pessimisten | |
| > Hoffnung machen. | |
| Bild: Protestaktion von Klimaaktivist*innen in Glasgow am 5. November | |
| Ein „zweiwöchiges Zelebrieren von Business as usual und Blablabla“. So | |
| kommentierte [1][Greta Thunberg] den Klimagipfel, der derzeit in Glasgow | |
| stattfindet. So sehen es viele Beobachter*innen: Was diskutiert wird, ist | |
| im Zweifel niemals ausreichend, was angekündigt wird, dauert immer zu | |
| lange, was versprochen wird, ist oft wenig glaubwürdig. | |
| Das gilt natürlich auch für die aktuelle Konferenz, die 26. ihrer Art: | |
| Gemessen am Ziel, den Temperaturanstieg sicher auf 1,5 Grad zu begrenzen, | |
| wird auch diese Klimakonferenz scheitern. Und weil oberhalb dieser Grenze | |
| in vielen Teilen der Welt schlimme Veränderungen drohen, ist die Empörung | |
| nachvollziehbar, mit der viele Aktivist*innen beim Gipfel auftreten. | |
| Doch man kann den aktuellen Zustand auch optimistischer sehen – und zwar | |
| indem man ihn nicht mit der Idealvorstellung vergleicht, sondern mit der | |
| Situation vor sechs Jahren. Vor dem Klimagipfel in Paris drehte sich die | |
| Debatte praktisch nur um das 2-Grad-Ziel. | |
| Die Aussage, zusätzliche Anstrengungen zu unternehmen, um möglichst nahe an | |
| 1,5 Grad zu bleiben, wurde in letzter Minute auf Druck der kleinen | |
| Inselstaaten aufgenommen, von den Industriestaaten aber zunächst nicht | |
| wirklich ernst genommen. Das hat sich seitdem komplett verändert: In | |
| Glasgow steht das 1,5-Grad-Ziel im Mittelpunkt und die meisten Akteure | |
| bekennen sich dazu. | |
| ## Emissionen sind zuletzt langsamer gestiegen | |
| Nun ist ein solches Bekenntnis natürlich nur etwas wert, wenn es mit Leben | |
| gefüllt wird. Das haben Kritiker*innen von Anfang an bezweifelt, denn | |
| Paris beruht komplett auf Freiwilligkeit. Die Sorge, dass das Abkommen | |
| deshalb wirkungslos bleibt, hat sich aber nicht bestätigt. In den | |
| Industriestaaten sind die Emissionen tatsächlich zurückgegangen. In | |
| wichtigen Schwellenländern sind sie dagegen weiter gestiegen – was aber | |
| nicht überraschend ist, weil für diese zunächst auch gar keine Rückgänge | |
| vorgesehen waren. | |
| In der Summe haben die weltweiten Emissionen damit in den letzten Jahren | |
| weiter zugenommen. Aber der Anstieg war im letzten Jahrzehnt zumindest | |
| schon sehr viel langsamer als in den Jahren zuvor. Völlig klar ist dabei: | |
| Die langsamer wachsenden Emissionen sind allein kein Grund zur Freude, wenn | |
| alle Szenarien zeigen, dass wir eigentlich einen sehr schnellen Rückgang | |
| brauchen. | |
| Aber die Entwicklung ist ja keineswegs am Ende, vielmehr mehren sich in | |
| Glasgow derzeit die Anzeichen dafür, dass sie sich stark beschleunigt. Das | |
| zeigen mehrere neue Vereinbarungen, die in dieser Woche außerhalb des | |
| eigentlichen Verhandlungsprozesses vorgestellt wurden. | |
| Neben einer Selbstverpflichtung zum Waldschutz, hinter der jetzt sehr viel | |
| mehr Staaten stehen als zuvor, und einem neuen Abkommen, das | |
| [2][Methan-Emissionen reduzieren] sollen, gehören dazu vor allem neue | |
| Bekenntnisse zum Kohleausstieg. Werden sie umgesetzt, haben sie gewaltige | |
| Effekte auf die künftigen Emissionen – und dürften auch in Deutschland den | |
| Druck für einen früheren Kohleausstieg erhöhen. | |
| ## Finanzsektor will Anlagen auf Klimaneutralität ausrichten | |
| Vermutlich noch wichtiger ist aber die Ankündigung großer Teile des | |
| [3][Finanzsektors, die eigenen Anlagen bis 2050 auf Klimaneutralität | |
| auszurichten]. Denn das erschwert künftig nicht nur die Finanzierung | |
| klimaschädlicher Projekte und Produkte. Vor allem zeigt es, dass die großen | |
| Finanzakteure die politischen Ankündigungen mittlerweile ernst nehmen. | |
| Diese neuen Pläne ändern viel. Ohne jegliche Klimaschutzmaßnahmen würde die | |
| globale Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um etwa 5 Grad steigen. | |
| Die nationalen Pläne, die vor Glasgow vorlagen, hätten einen Anstieg von | |
| etwa 2,7 Grad zur Folge. Die neuen Ankündigungen bringen die Welt ersten | |
| Berechnungen zufolge auf einen Kurs unter 2 Grad. Das offizielle Paris-Ziel | |
| gerät damit erstmals in Reichweite, und selbst das 1,5-Grad-Ziel erscheint | |
| nicht mehr ganz so utopisch wie vor einigen Jahren. | |
| Für die Klimabewegung ist das kein Grund zur Entspannung, denn alle | |
| Ankündigungen sind natürlich nur etwas wert, wenn anschließend | |
| entsprechende Taten folgen. Dabei genau hinzuschauen und dafür Druck zu | |
| machen, ist auch künftig dringend nötig. Die Konferenz in Glasgow komplett | |
| als Greenwashing-Event abzutun, ist dagegen ein Fehler. | |
| 6 Nov 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Vor-Klimakonferenz-COP26-in-Glasgow/!5807348 | |
| [2] /Studie-zum-tauenden-Permafrost/!5786541 | |
| [3] /Initiative-der-Finanzwirtschaft/!5812957 | |
| ## AUTOREN | |
| Malte Kreutzfeldt | |
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