# taz.de -- Demonstrationen beim Klimagipfel: Große Wut, kleine Fortschritte | |
> In Glasgow gehen Zehntausende für Klimaschutz auf die Straße. Während die | |
> Konferenz dort als Flop gilt, zeichnen NGOs ein differenzierteres Bild. | |
Bild: Demonstrierende in Glasgow, 6. November 2021 | |
Glasgow taz | Das schottische Wetter meint es nicht gut mit den | |
Klimaschützer*innen. Als am Samstagnachmittag mehrere zehntausend Menschen | |
quer durch die Innenstadt zum Glasgow green ziehen, einem großen Park am | |
River Clyde, weht der Wind so stark, dass große Transparente kaum zu halten | |
sind. Zwischendrin geht ein Regenschauer über dem kilometerlangen Demozug | |
nieder, der viele der Anwesenden komplett durchnässt. | |
Aber das aktuelle Wetter ist das kleinere Problem der Menschen. Größere | |
Sorgen macht ihnen die längerfristige Klimaveränderung und ihre Folgen: | |
Waldbrände, Dürren, versiegende Wasserquellen, das alles ist vielerorts | |
schon Realität. [1][Und nach Glasgow sind Menschen aus aller Welt | |
gekommen], die davon berichten können. | |
Vor der großen Bündnis-Demonstration am Samstag auch schon bei einer | |
kleineren, [2][die Fridays for Future] am am Freitag organisiert hatte. | |
„Für uns in Afrika ist schon die Gegenwart katastrophal“, sagte dort Evelyn | |
Acham aus Uganda. „Die Menschen sterben in den Fluten, und wer überlebt, | |
hat nichts zu essen und zu trinken.“ | |
Unter den zahlreichen Redner*innen sind Indigene aus aller Welt, viele | |
mit üppigem Federschmuck und traditioneller Bemalung. Bedroht sind sie | |
nicht nur vom Klimawandel selbst, sondern auch von den Konzernen, die | |
diesen vorantreiben. „Indigene Völker schützen das Land und die | |
Biodiversität“, sagte etwa eine junge Frau aus Kolumbien. Aber sie seien | |
durch die Ölförderung bedroht. „Kolumbien ist das gefährlichste Land der | |
Welt für Umweltschützer“, berichtet sie. Dass sich durch die Klimakonferenz | |
etwas zum Besseren wendet, glaubt sie nicht: „Nichts ändert sich, alles | |
wird nur noch schlechter.“ | |
## Thunberg hält sich bei Freitags-Demo im Hintergrund | |
Dieser Eindruck zieht sich durch praktisch alle Reden, von | |
Indigenen-Vertreter*innen über Gewerkschafter*innen bis hin zu | |
Jugendlichen aus verschiedenen Ländern: Von der Klimakonferenz, bei der | |
wenige Kilometer entfernt in einer Zeltstadt hinter einem hohen Zaun | |
zeitgleich tausende Menschen über Klimaschutz verhandeln, erwartet hier | |
niemand irgend etwas. | |
Auch Greta Thunberg, die sich bei der Demonstration am Freitag bewusst im | |
Hintergrund hält, den Indigenen die erste Demo-Reihe überlässt und bei der | |
Kundgebung als Letzte spricht, lässt kein gutes Haar an der Klimakonferez. | |
Die sei „ein Greenwash-Festival“ und „ein PR-Event“, bei dem die Staats- | |
und Regierungschefs „hübsche Reden halten“, ohne die entsprechenden | |
Maßnahmen zu ergreifen, [3][kritisierte die 18-jährige Schwedin], die mit | |
ihrem einsamen Protest vor dem schwedischen Reichstag die | |
Fridays-for-Future-Proteste in aller Welt inspiriert hatte. Die Konferenz | |
sei „ein zweiwöchiges Zelebrieren von ‚business as usual‘ und bla bla bl… | |
sagte Thunberg unter großem Beifall. | |
Diese Fundamentalkritik auf der Straße steht im deutlichen Gegensatz zu den | |
Einschätzungen vieler Umweltorganisationen, die die Verhandlungen innerhalb | |
des Konferenzgeländes verfolgen und von den Entwicklungen teilweise eher | |
positiv überrascht sind. „Ich würde nicht sagen, dass der Klimagipfel nur | |
Show ist“, sagt etwa Greenpeace-Kampaignerin Lisa Göldner: „Diese | |
UN-Konferenzen sind einer der wenigen Orte, wo die Industriestaaten direkt | |
konfrontiert werden mit dem Leid und den Forderungen der am stärksten von | |
der Klimakrise getroffenen Länder.“ Zudem seien die Konferenzen „für Län… | |
des Globalen Südens essentiell, um überhaupt Geld für Schutzmaßnahmen vor | |
der Klimakatastrophe aufzutreiben“. | |
## „Auch kleine Schritte bringen uns vorwärts“ | |
Sebastian Scholz, [4][der für den Naturschutzbund (Nabu) vor Ort ist], hält | |
die Proteste zwar insgesamt für hilfreich. „Grundsätzlich ist es nicht | |
verkehrt, wenn uns die Fridays permanent sagen, dass es nicht reicht, was | |
hier passiert“, sagt er der taz. Fundamentalkritik findet er aber nicht | |
angebracht. „Es gibt auch kleine Erfolge, etwa dass das Thema Waldschutz | |
prominent gesetzt wurde und dass erstmals gemeinsam über Klimaschutz und | |
Biodiversität verhandelt wird“, sagt Scholz. „Auch kleine Schritte bringen | |
uns vorwärts.“ | |
Christoph Bals, der für die Umwelt- und Entwicklungsorganisation | |
Germanwatch die Klimagipfel schon lange vor Ort begleitet, kann die | |
Ungeduld der Aktivist*innen auf der Straße verstehen. „Man muss genau | |
hinschauen, wieviel Substanz die Ankündigungen haben“, sagt er. „Aber nicht | |
alle sind nur ‚bla bla bla‘.“ Dass alle G20-Staaten die Finanzierung von | |
Kohlekraftwerken im Ausland streichen werden, sieht er beispielsweise als | |
„eine entscheidende Veränderung“. | |
Bals wünscht sich, dass sich auf beiden Seiten etwas verändert. „Bei dieser | |
COP sollte ein Prozess aufgesetzt werden, der für mehr Transparenz sorgt, | |
welche Ankündigungen Greenwashing sind und was wirklich Substanz hat“, sagt | |
der Germanwatch-Chef. „Wenn das geschafft wird, erhoffe ich mir auch von | |
der Bewegung, dass sie nicht alles in Bausch und Bogen verdammt, sondern | |
mühsam erkämpfte und wichtige Transpformationsprozesse anerkennt.“ | |
Thunberg findet allerdings nicht, dass die Bewegung in ihrer Kritik zu weit | |
geht. „Nicht wir sind radikal, sondern die Staatchefs, die meinen, dass wir | |
in einer Welt überleben können, die 3 Grad heißer ist“, sagte sie in | |
Glasgow. „Wir sprechen nur die Wahrheit aus.“ | |
6 Nov 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Klimakonferenz-in-Dubai/!t5018328 | |
[2] /Schwerpunkt-Fridays-For-Future/!t5571786 | |
[3] /Klimagipfel-in-Glasgow/!5808885 | |
[4] /Nabu-Praesident-zur-Klimakonferenz/!5811636 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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