# taz.de -- Linke stimmt für Koalitionsverhandlungen: Gretchenfrage Enteignung | |
> Die Berliner Linke stimmt für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen | |
> mit SPD und Grünen. Die Enteignungfrage wird der Knackpunkt. | |
Bild: Enteignen will die Linke, aber wie setzt sie es durch? | |
BERLIN taz | Vor dem Verlagshaus des Neuen Deutschland am | |
Franz-Mehring-Platz, in dem sich am Dienstagabend die Berliner Linke zu | |
einem kleinen Parteitag traf, war die Aufregung zu spüren. Nicht nur, dass | |
mit den Aktivist:innen von Deutsche Wohnen & Co enteignen und gegen die | |
Privatisierung der S-Bahn sowie Gewerkschafter:innen der | |
Vivantes-Krankenhäuser gleich drei Interessengruppen lautstark auf ihre | |
Belange aufmerksam machten, auch den Delegierten war die Anspannung | |
anzumerken. Es würde kein Abnick-Parteitag für die Aufnahme von | |
Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen werden. Die heiße Frage des | |
Abends: Wie scharf formuliert man die Bedingung, dass der | |
Enteignungs-Volksentscheid tatsächlich umgesetzt wird? | |
Nach intensiver, fast hitziger Debatte stand letztlich aber doch das mit | |
breiter Mehrheit beschlossene Ja zur Aufnahme von formalen | |
Koalitionsgesprächen. SPD und [1][Grüne] hatten sich jeweils am Montag | |
dafür ausgesprochen. Schon am Freitag sollen die Verhandlungen der | |
Themen-Arbeitsgruppen beginnen, für die allein die Linke 75 | |
Teilnehmer:innen bestimmt hat. Sollte nach Wochen der Verhandlung ein | |
Koalitionsvertrag stehen, wird die Linke per Urabstimmung unter ihren | |
Mitgliedern die Zustimmung abfragen. | |
Knackpunkt dabei wird der Umgang mit dem Volksentscheid. Für die Partei, | |
die sich dem Vorhaben verschrieben hat, seit sie bei einem Parteitag vor | |
zwei Jahren bei lediglich einer Enthaltung ihre Unterstützung erklärte, ist | |
das die zentrale Frage ihrer Glaubwürdigkeit. Über den Wunsch der Umsetzung | |
bestand dann auch Einigkeit, nicht aber über die Frage der Taktik und der | |
Bewertung der Passage, die die drei Parteien in ihrem | |
[2][Sondierungspapier] festgehalten hatten. Demnach solle eine | |
Expertenkommission „Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen der Umsetzung“ | |
prüfen. Stundenlang sei in den Gesprächen mit SPD und Grünen über diesen | |
Satz gerungen worden, hieß es. | |
In seiner Eröffnungsrede bewertete Kultursenator Klaus Lederer den | |
Kompromiss optimistisch: „Wir fragen nicht, ob wir den Volksentscheid | |
umsetzen, sondern wie wir ihn umsetzen.“ Auch Fraktionschefin Anne Helm | |
verteidigte die Einigung als Grundlage, die eine Umsetzung überhaupt | |
ermögliche und verwies auf die Alternative: „Ich bin mir ziemlich sicher, | |
dass eine Ampel-Koalition einen beliebigen Gutachter gesucht hätte, der | |
ihnen den Volksentscheid weggegutachtet hätte.“ | |
## Sprengstoff-Antrag | |
Viele Delegierte jedoch, einige in den lilafarbenen Westen der | |
Enteignungs-Kampagne, wollten die Partei zu einer härteren Gangart | |
verpflichten. Und so drehte sich fast jeder Beitrag um einen Antrag, der | |
die Verankerung der Umsetzung im Koalitionsvertrag als „zwingende | |
Voraussetzung“ für eine Koalition formulierte. Mit-Antragssteller Moritz | |
Warnke, Mitglied im Landesvorstand, wusste selbst, dass der Antrag das | |
Risiko berge, dass „die Koalitionsverhandlungen platzen“. Dagegen stünde | |
jedoch das Risiko, „dass wir unseren Markenkern im Bereich Mieten | |
verspielen“. | |
Die Angst vor der Gefahr, die Verhandlungen mit dem Antrag schon von | |
vornherein zu torpedieren, überwog dann aber mehrheitlich doch. Angenommen, | |
mit 86 Ja-, bei 53 Nein-Stimmen, wurde dann ein Antrag, der die die | |
Umsetzung des Volksentscheids als „zentral wichtig“ bezeichnete. | |
Zwei weitere Appelle gab die Partei den Verhandler:innen mit auf den | |
Weg. So sollen die Vivantes-Tochtergesellschaften in den Geltungsbereich | |
des Tarifvertrages zurückgeholt werden. Darüber hinaus wolle man einen | |
„Paradigmenwechsel in der Berliner Flüchtlingspolitik“. Gefordert wird, | |
dass die Zuständigkeit für das Landesamt für Einwanderung künftig nicht | |
mehr beim Innensenator, sondern bei der Integrationsverwaltung liege. | |
20 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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