# taz.de -- Koalitionsverhandlungen in Berlin: Gegenverkehr bei der S-Bahn | |
> Bei den Sondierungen haben sich SPD, Grüne und Linke geeinigt, die S-Bahn | |
> zu kaufen, so die Linke. Das wäre ein Absage an die grüne | |
> Verkehrssenatorin. | |
Bild: Verkündete die Einigung auf einen S-Bahn-Kauf: Carsten Schatz, Fraktions… | |
Berlin taz | Es war ein überraschender Satz, den Linken-Fraktionschef | |
Carsten Schatz in seiner kurzen Rede [1][auf dem Linken-Parteitag] fallen | |
ließ: „Die Kommunalisierung der S-Bahn haben wir verabredet.“ Schatz bezog | |
sich auf die Sondierungsverhandlungen von SPD, Grünen und Linken, über | |
deren Ergebnis am Dienstagabend diskutiert wurde. Mehrfach war Kritik laut | |
geworden am [2][angeblich dünnen Inhalt] des Sondierungspapiers. | |
Dem hielt Schatz, der bei den Sondierungen dabei war, entgegen, dass noch | |
mehr verabredet wurde, als sich in dem Papier finde. Seine Erklärung zum | |
Fehlen dieser Passage: Die schriftliche Fixierung des Plans könnte | |
angesichts der [3][Ausschreibung für zwei von drei Teilstrecken der S-Bahn] | |
zu rechtlichen Problemen führen und Klagen von Mitbewerbern ermöglichen. | |
Denn ein angestrebter Kauf der S-Bahn Berlin GmbH, die derzeit ein | |
Tochterunternehmen der Deutschen Bahn AG ist, würde diese Ausschreibung | |
wohl überflüssig machen. Das wiederum wäre ein großer politischer Erfolg | |
für die Berliner Linke: Das Thema war auf jedem Parteitag der vergangenen | |
Jahre deutlich präsent. Die Linke befürchtet durch die Zerschlagung des | |
Monopols der S-Bahn unter anderem schlechtere Arbeitsbedingungen und | |
Bezahlung der Mitarbeiter*innen. | |
Doch trotz des vehementen Widerstands auch aus Teilen der SPD konnte die | |
grüne Verkehrssenatorin Regine Günther das im rot-rot-grünen | |
Koalitionsvertrag von 2016 vereinbarte Vergabeverfahren vor einem Jahr | |
starten. Nach Auskunft des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) gibt | |
es mehrere Interessenten. Die Senatsverwaltung für Verkehr erklärte am | |
Mittwoch auf taz-Anfrage, dass „auf Bitten von Bewerbern die Frist zur | |
Abgabe der Angebote auf den 2. November 2021 verschoben“ wurde. | |
## Entscheidung bis Ende 2022 | |
Bis Ende kommenden Jahres soll die Entscheidung fallen über die Vergabe für | |
die Nord-Süd-Strecken und die Linien, die in Ost-West-Richtung über das | |
Stadtbahn-Viadukt laufen. Gesucht werden Betreiber für die Zeit von 2027 | |
bis 2042 sowohl für den Fahrbetrieb wie auch die Instandhaltung der | |
Fahrzeuge auf beiden Teilstrecken. Denn das Land kauft im Rahmen dieser | |
nach Angaben der Senatsverwaltung größten Ausschreibung der Berliner | |
S-Bahn-Geschichte rund 1.300 neue S-Bahn-Wagen selbst und überlässt sie den | |
Unternehmen zur Nutzung. | |
Die komplizierte Ausschreibung ist eine Folge des S-Bahn-Chaos der nuller | |
Jahre, als das Unternehmen jahrelang mangels Wartungskapazitäten nur einen | |
Teil der nötigen rund 1.200 Doppelwaggons einsetzen konnte. Entsprechend | |
viele Verbindungen fielen aus oder waren überfüllt – zum Ärger der Berliner | |
Kund*innen. | |
Da die Berliner S-Bahn ein einzigartiges Schienensystem nutzt, war es für | |
andere Unternehmen bislang nicht attraktiv, als Konkurrenten aufzutreten. | |
Dem Land blieb letztlich nichts anderes üblich, als immer wieder die | |
bahneigene S-Bahn GmbH als Betreiberin der Strecken zu beauftragen. | |
## Hoffen auf eine Machtverschiebung im Bund | |
Mit ihrer Ausschreibung zielt die grüne Verkehrssenatorin genau darauf, das | |
Monopol der Deutschen Bahn zu brechen. Denn bislang hat das staatseigene | |
Unternehmen auch alle Kaufangebote des Landes Berlin abgelehnt. Bei der | |
Linken hofft man nun offenbar darauf, dass durch die Machtverschiebung im | |
Bund und im fortan nicht mehr CSU-geführten Verkehrsministerium der Druck | |
auf die Deutsche Bahn wächst, einem Verkauf an das Land zuzustimmen. | |
Andere Teilnehmer*innen der Sondierungsgespräche zwischen SPD, Grünen | |
und Linken äußerten sich am Mittwoch mit Bezug auf das eigentlich zwischen | |
allen Beteiligten vereinbarte Stillschweigen nicht zu Carsten Schatz’ | |
Aussage. Die Senatsverwaltung für Verkehr erklärte, man könne zu | |
Sondierungen von Parteien keine Stellungnahme abgeben. | |
Von den Linken hieß es, man wolle die aktuelle Ausschreibung auf keinen | |
Fall stoppen. In den Facharbeitsgruppen der Koalitionsverhandlungen soll | |
nun über das Thema gesprochen werden. Bis sie zu einem Ergebnis gelangen, | |
wird auch klar sein, ob es neben der Deutschen Bahn weitere Bewerber für | |
den Betrieb der S-Bahn gibt. Falls das nicht der Fall sein sollte, wäre | |
eine Kommunalisierung auch wieder eine öffentlich vertretbare Position. | |
20 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Linke-stimmt-fuer-Koalitionsverhandlungen/!5809861 | |
[2] /Sondierungen-in-Berlin/!5808075 | |
[3] /S-Bahn-Ausschreibung-kann-beginnen/!5681374 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Bert Schulz | |
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