# taz.de -- Streit um S-Bahn-Ausschreibung: Das Gericht muss das Signal geben | |
> Berlin und Brandenburg lehnen bei der Auseinandersetzung um die | |
> S-Bahn-Ausschreibung mit dem Alstom-Konzern eine außergerichtliche Lösung | |
> ab. | |
Bild: Ausbaufähige Stimmung: CDU-Senatorin Manja Schreiner bei der feierlichen… | |
BERLIN taz | Nee, lieber doch nicht: So lässt sich die Entscheidung der | |
Länder Berlin und Brandenburg zusammenfassen, mit der sie am Freitag auf | |
ein Lösungsangebot des Kammergerichts im Beschwerdeverfahren [1][gegen die | |
S-Bahn-Vergabe] reagiert haben. Das Kammergericht – das in Berlin den | |
Oberlandesgerichten anderer Bundesländer entspricht – hatte bei einem | |
ersten Verhandlungstermin eine Woche zuvor den beiden Ländern sowie dem | |
französischen Alstom-Konzern als Beschwerdeführer Vorschläge unterbreitet, | |
wie diese auch ohne richterliche Entscheidung zu einer gütlichen Lösung | |
kommen könnten. | |
„Wir haben uns nach intensiver Prüfung dazu entschieden, den | |
Abhilfevorschlag nicht anzunehmen und die Entscheidung in die Hände des | |
Kammergerichts zu legen“, [2][teilte Verkehrssenatorin Manja Schreiner | |
(CDU) am Freitagabend mit]. Man werde jetzt den schriftlichen | |
Gerichtsbeschluss abwarten und dann mit den nötigen Anpassungen in der | |
S-Bahn-Ausschreibung „das Verfahren zügig zum Abschluss bringen“. | |
Wie die Berliner Zeitung berichtete, reagierten die RichterInnen mit | |
Unverständnis darauf, dass die Länder ihr Angebot ablehnten: „Ein starkes | |
Stück“ habe einer von ihnen dieses Vorgehen genannt. Auch sei von der | |
Kammer beanstandet worden, dass im Gegensatz zum Brandenburger | |
Verkehrsministerium kein Mitarbeiter aus Schreiners Senatsverwaltung zu dem | |
Termin erschienen sei. Vorgetragen wurde die Entscheidung der Länder von | |
ihrem gemeinsamen Anwalt. | |
Aber worum genau geht es eigentlich? Im Jahr 2020 hatten die beiden | |
Bundesländer einerseits den Bau von rund 1.400 S-Bahnwagen, andererseits | |
den Betrieb der S-Bahn auf den Teilnetzen Nord-Süd und Ost-West (der | |
sogenannten Stadtbahn) über einen Zeitraum von 15 Jahren ab 2029 separat | |
ausgeschrieben. Dass die Ausschreibung in solche „Lose“ aufgeteilt wurde, | |
war das Ergebnis einer langen politischen Debatte, in deren Rahmen sowohl | |
die Verstaatlichung der S-Bahn als auch die Vergabe im Paket diskutiert | |
worden waren. | |
## Nachwehen der S-Bahn-Krise | |
Zu verstehen ist das nur vor dem Hintergrund der desaströsen S-Bahn-Krise | |
von 2009. Damals waren technische Mängel der Züge bekannt geworden, viele | |
Monate lang war nur ein stark eingeschränkter Betrieb möglich. Seitdem galt | |
die Monopolstellung des damaligen (und aktuellen) Betreibers, der | |
DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH, als Problem, das zu beheben sei. [3][Die | |
Linken forderten eine Rekommunalisierung], die SPD zog die pauschale | |
Direktvergabe vor, wie sie bis dahin üblich war. Am Ende entschied sich die | |
grüne Verkehrssenatorin Regine Günther dazu, die Vergabe in Lose zu | |
splitten. Insgesamt geht es um einen Ausschreibungswert von bis zu 11 | |
Milliarden Euro. | |
Die Beschwerde des Alstom-Konzerns rührt daher, dass sich die S-Bahn GmbH | |
zusammen mit den Zugherstellern Siemens und Stadler auf alle Lose beworben | |
hat. Weil Alstom zwar S-Bahnen bauen, aber nicht betreiben kann – und auch | |
keinen potenziellen Betreiber ins Boot holen konnte –, sehen sich die | |
Franzosen durch die Form der Ausschreibung faktisch benachteiligt. Aus | |
Alstoms Perspektive hätte keine Benachteiligung bestanden, wenn Bewerbungen | |
nicht für alle Lose auf einmal möglich gewesen wäre. Das war zwar | |
angedacht, aber nicht umgesetzt worden. | |
Nachdem die Vergabekammer des Senats 2022 zu dem Schluss kam, dass bei | |
diesem Verfahren alles seine Richtigkeit habe, zog Alstom vor Gericht – mit | |
insgesamt 25 Rügen am Vergabeverfahren. Beim ersten Verhandlungstermin | |
hielt das Gericht zumindest einige davon für wahrscheinlich begründet. | |
Insbesondere sahen die RichterInnen das Risiko gegeben, dass die Vergabe an | |
eine Bietergruppe nicht die für das Land wirtschaftlichste Variante sein | |
könnte. | |
Nach Prüfung der Lösungsvorschläge hatte Alstom vor dem zweiten Termin am | |
Freitag mitgeteilt, man habe sie „sorgfältig geprüft“ und sei „auch im | |
Sinne einer zügigen Fortsetzung der Ausschreibung bereit, diesen | |
zuzustimmen“ – was an der Länderseite scheiterte. Nun muss das Gericht | |
schriftlich darlegen, welchen Rügen es stattgibt und wie die Länder die | |
Probleme beheben können. Nicht ausgeschlossen ist, dass Alstom die noch | |
dieses Jahr anstehende Vergabeentscheidung wieder anficht. | |
3 Mar 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Oeffentlicher-Nahverkehr-in-Berlin/!5809325 | |
[2] https://www.berlin.de/sen/uvk/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilu… | |
[3] /Koalitionsverhandlungen-in-Berlin/!5806012 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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